Seit mehr als 20 Jahren führt der Tiroler Alpinist und Unternehmer Lukas Furtenbach Touristen auf den Mount Everest. Der kürzeste Trip dauert bisher rund drei Wochen. Jetzt soll die Besteigung des höchsten Berges der Welt noch schneller gehen – und zwar innerhalb nur einer Woche. Möglich machen soll das die Inhalation des Edelgases Xenon.
Vier Briten sollen die ersten Test-Gäste sein, sagt Journalist und Everest-Kenner Stefan Nestler: "Sie werden nach Kathmandu fliegen, werden dort in einer Klinik unter ärztlicher Aufsicht ein Xenon-Sauerstoffgemisch inhalieren. Danach sollen sie mit dem Hubschrauber ins Basislager geflogen werden, und von da aus dann unmittelbar Richtung Gipfel starten."
Als Doping-Mittel bekannt wurde Xenon, weil es in Russland von Sportlern flächendeckend zur Leistungssteigerung eingesetzt wurde. 2014 wurde das Edelgas auf die Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur gesetzt.
Aufputschmittel im Bergsport? Darüber wird kaum gesprochen
Die Verwendung von leistungsfördernden Substanzen sei allerdings fast so alt wie das Bergsteigen selbst, sagt Nestler. "Denken wir an Hermann Buhl und seine Erstbesteigung 1953 am Nanga Parbat, sein Solo-Aufstieg im Gipfelbereich. Auch er hat Pervitin dabei gehabt. Ohne dieses Aufputschmittel hätte er vermutlich die Nacht im stehenden Biwak nicht überlebt."
Bergsport ist als freier, nicht organisierter Sport frei von Regulierung oder Doping-Kontrollen. Die Leistungen am Berg leben von der Ehrlichkeit der Alpinistinnen und Alpinisten – sagt Philip Abels, der beim Deutschen Alpenverein (DAV) für den Bereich Leistungssport zuständig ist.
"Es gibt Rahmenrichtlinien über die Tiroler Deklaration beispielsweise, in denen ein guter Stil definiert wird im Umgang mit Expeditionen. Im Blick auf kommerzielle Expeditionen steht es dem Bergsteiger ein Stück weit frei, die eigenen Mittel zu wählen. Es ist eine Stilfrage."
Medikamente sind an Achttausendern üblich
Die Alpinistin und Journalistin Billi Bierling aus Garmisch-Partenkirchen stand selbst am Gipfel des Mount Everest. Als Chronistin bei der Himalayan Database erfasst sie alle Besteigungen der Achttausender in Nepal. Sie beobachtet, dass neben Flaschensauerstoff Medikamente bei den meisten Höhenbergsteigern üblich sind. "Es gibt Diamox, dieses Medikament, das dem Menschen zum Akklimatisieren hilft. Was ich sehe, ist, dass die Leute ihrem Körper gar nicht mehr erlauben, sich selbst zu akklimatisieren. Oft wird Diamox schon zwei Wochen vorher eingenommen." Anders als Flaschensauerstoff, bei dem man eine auffällige Atemmaske im Gesicht trägt, sind Medikamente für die Außenwelt unsichtbar. Und die meisten geben das natürlich nicht preis, so Bierling.
Edelgas Xenon könnte das Höhenbergsteigen noch einmal verändern
Jetzt kommt als neues Hilfsmittel das Edelgas Xenon dazu, dass das Höhenbergsteigen noch einmal verändern dürft. Eine klassische Everest Expedition dauert bislang sechs bis sieben Wochen. Bei der neuen, einwöchigen Xenon-Variante sollen die Gäste per Hubschrauber ins Basislager geflogen werden und nach dem Gipfelversuch direkt wieder zurück nach Kathmandu.
"Es passt in unsere Zeit, dass die Leute keine Zeit mehr haben. Sie haben das Geld und wollen eigentlich nur den Gipfel mitnehmen. Ich persönlich finde es schade, weil das klassische Höhenbergsteigen vermutlich verloren geht, wenn die Leute so schnell hochgehen", sagt Billi Bierling.
Einen anderen Weg geht man beim Deutschen Alpenverein. Die Teilnehmer des Expeditionskaders, also junge Nachwuchs-Alpinisten, sollen bei ihren Expeditionen auf die ursprüngliche Art des Bergsteigens eingestimmt werden. "Wir versuchen unseren Athleten die grundlegenden Werte des Alpinismus zu vermitteln, und die basieren auf Ehrlichkeit, auf Besteigungen 'by fair means', und das zu machen, was körperlich und geistig möglich ist", sagt Philip Abels, der beim DAV für den Bereich Leistungssport zuständig ist
Erfolge klar kommunizieren
Ob einwöchige Flash-Expedition oder klassischer Ansatz - für Achttausender-Kenner Stefan Nestler ist entscheidend, dass die Erfolge klar kommuniziert werden. "Mit welchen Mitteln wurde ein Berg bestiegen? Es macht einen Unterschied, ob ich ohne Flaschensauerstoff oder mit einen Achttausender besteige. Es macht einen Unterschied, ob ich ohne Sherpa, oder mit mehreren Trägern hochsteige." Wenn das vernünftig kommuniziert werde, könnten alle Formen nebeneinander bestehen.
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