Den Mount Everest ohne Sauerstoffmaske besteigen, als erster die höchste Steilwand der Welt, die Rupal-Flanke am Nanga Parbat durchklettern, im Alleingang einen Achttausender bezwingen – all diese alpinen Herausforderungen galten als unmöglich, bevor Reinhold Messner kam. Er wagte es, und hatte Erfolg. Grenzen zu verschieben, das war seit jeher Messners Antrieb.
Extrembergsteiger, aber vor allem: Erzähler
Die breite Öffentlichkeit verbindet den Südtiroler bis heute mit seinen großen Leistungen an den höchsten Bergen der Welt. Zwischen 1970 und 1986 stand er auf allen 14 Achttausendern, ohne dabei Flaschensauerstoff zu verwenden.
Dabei wurde Reinhold Messner nicht primär durch das Bergsteigen berühmt, sondern durch das Erzählen. Messner weiß: Wer große Wände klettert, aber nicht davon berichtet, gerät außerhalb der Bergsteiger-Blase schnell in Vergessenheit. Seit seinem Frühwerk begreift er den Alpinismus nicht nur als sportliche Höchstleistung, sondern als "Storytelling", so seine Begrifflichkeit. "Keine Sportart hat derart viel Literatur hervorgebracht wie der traditionelle Alpinismus", sagt er.
Reinhold Messner war nicht immer der beste Bergsteiger. Worin er über Jahrzehnte weltklasse war, ist die Kunst des Erzählens.
Gegnerschaft treibt Messner an
Messner knüpft damit an eines seiner großen Vorbilder an, den österreichischen Alpinisten Paul Preuß. Ihm gelangen vor dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Erstbesteigungen, außerdem war Preuß gefragter Alpin-Autor und Vortragsredner. Seine Lichtbild-Vorträge galten damals als Sensation. Messner perfektionierte dieses Prinzip: Seine Verkörperung als Bergsteiger, freischaffender Autor und charismatische Bühnenperson ist Messners Alleinstellungsmerkmal – bis heute.
Klettern und Schreiben – das gehört für Reinhold Messner seit seiner Jugend zusammen. In beidem ist er begabt, fleißig und ehrgeizig. Dazu kommt seine streitbare Art: Wenig treibt Reinhold Messner derart an wie Gegnerschaft.
Als Oberschüler in dem katholischen Internat in Südtirol Anfang der 60er-Jahre ist Deutsch sein stärkstes Schulfach. Doch statt brav im Studiersaal zu sitzen, klettert er durch die Matterhorn-Nordwand - im Winter. Es kommt zum Konflikt mit den Lehrern, und ausgerechnet in Deutsch fällt der junge Reinhold durchs Abitur. Welche Konsequenzen er daraus zieht, behandelt der BR-Podcast Messner – ein extremes Leben.
"Mord am Unmöglichen"
Neben Versuchen als Aushilfslehrer und Student der Vermessungskunde verdient Reinhold Messner sein erstes Geld mit Zeitungsartikeln über seine Touren in den Dolomiten. "Mord am Unmöglichen" titelt einer von ihnen. Darin kritisiert er die damals moderne Entwicklung, Felswände mit technischen Hilfsmitteln zu durchklettern, also durch das Festhalten an Haken und Strickleitern anstatt am Felsen selbst. "Man nagelt viel zu viel und klettert viel zu wenig", schreibt Messner – und löst damit eine Debatte innerhalb der Kletter-Community aus.
Nach der schicksalhaften Expedition zum Nanga Parbat im Jahr 1970, bei der sein Bruder Günther ums Leben kommt, führt Messner eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Expeditionsleiter Karl Maria Herrligkoffer. Ein Streitpunkt ist der Expeditionsvertrag, der sämtliche Buch- und Vermarktungsrechte Herrligkoffer zuspricht. Messner zweifelt den Vertrag an, veröffentlicht sein eigenes Buch – und verliert. "Die rote Rakete am Nanga Parbat" darf erst Jahrzehnte später wieder verkauft werden.
Leben zwischen Expeditionen, Buchprojekten und Vorträgen
Bis heute hat Messner mehr als 80 Bücher veröffentlicht. Vor allem in den 70er und 80er-Jahren folgt sein Tun einem Kreislauf: Sobald er von einer Expedition zurückkehrt, setzt er sich hin und schreibt ein Buch. Dann geht er auf Vortragsreise, um das Buch zu vermarkten. Mit dem Geld finanziert er die nächste Expedition. Dazu kommt eine Jonglage mit Medien, Sponsoren und der alpinen Industrie. Nach den Achttausendern folgen Expeditionen an die Pole und durch die Wüste Gobi. Später kritisiert Messner den Kommerz in den Alpen ebenso wie den Expeditionstourismus am Mount Everest.
Museumsprojekte in Südtirol
In den 90er Jahren geht Messner den nächsten Schritt: Gegen anfängliche Widerstände gelingt es ihm, mehrere Museen zu eröffnen. Insgesamt sechs davon gibt es heute, verteilt über die italienischen Provinzen Belluno und Südtirol. Sie werden mittlerweile von seiner Tochter Magdalena Messner geleitet. Ein im Bau befindliches siebtes Museum bei Sexten soll nicht im Verbund der Messner Mountain Museen betrieben werden. Wozu es genau dienen soll, ist noch unklar.
Im Video: Reinhold Messner wird 80
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