Zum aktuellen Artikel: Türkei: Weiteres Erdbeben in Katastrophenregion
Rund zwei Wochen nach dem Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind die Überlebenschancen noch nicht geborgener Menschen verschwindend gering. Neben der fortschreitenden Zeit sind auch die niedrigen Temperaturen problematisch. Stand Sonntag haben die Einsatzkräfte in den vorangegangenen 24 Stunden keine Überlebenden mehr geborgen.
Die Zahl der Menschen, die in der Türkei durch das Erdbeben getötet worden sind, ist auf 41.156 gestiegen. Das teilte die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad am Montag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit.
Laut Yunus Sezer, Chef des türkischen Katastrophenschutzes, beendete die Behörde nun ihre Einsätze in fast allen der elf betroffenen Provinzen der Türkei. Lediglich an rund 40 Gebäuden in den Provinzen Kahramanmaras und Hatay nahe des Epizentrums des Bebens laufe die Suche nach möglichen Überlebenden weiter, sagte Sezer.
Überlebende nach 296 Stunden geborgen
Vereinzelt gibt es noch kleine Wunder. Einem Rettungsteam war es am Samstag gelungen, zwei weitere Menschen in der Türkei lebend aus den Trümmern zu bergen. Nach 296 Stunden konnten drei Menschen aus einem eingestürzten Gebäuden in Antakya gerettet werden, darunter ein zwölfjähriges Kind, das nach Angaben der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu jedoch nach seiner Rettung starb. Die beiden anderen Überlebenden, die Eltern des Kindes, wurden ins Krankenhaus gebracht.
Unter den vielen Menschen, die in der Stadt Antakya am Samstag tot geborgen wurden, war der frühere ghanaische Fußballnationalspieler Christian Atsu. Atsus Manager bestätigte den Tod des Sportlers in den Trümmern eines Hochhauses, das erst 2013 nach dem Erlass strengerer Bauvorschriften errichtet worden war. Der für das Hochhaus zuständige Bauunternehmer war vier Tage nach dem Beben am Flughafen in Istanbul festgenommen worden, als er versucht hatte, nach Montenegro zu fliehen.
Was ist der Grund für die hohe Opferzahl?
Nach Angaben des türkischen Vizepräsidenten Fuat Oktay hat das Beben mindestens 105.000 Gebäude vollständig oder teilweise zerstört.
Die Wut auf den türkischen Präsideten Recep Tayyip Erdogan ist groß. Internetnutzer erinnern mit Dutzenden alten Tweets und Videos an Erdogans frühere fahrlässige Politik beim Häuserbau. In einem Videoclip von 2018 gratulierte Erdogan Beamten zur Einführung eines Amnestiegesetzes, das sechs Millionen Gebäude mit nachweislichen Sicherheitslücken für bewohnbar erklärte.
Laut Experten kann die Nichtbeachtung von Baustandards die extrem hohe Opferzahl in der Erdbebenregion erklären. In der Türkei alleine stieg die Zahl der Opfer des schweren Erdbebens vom 6. Februar am Wochenende nach offiziellen Angaben auf über 40.000.
Hilfe für Syrien tröpfelt in "zu vernachlässigender Menge ein"
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) forderte am Sonntag, die Hilfen für Syrien "dringend" massiv zu erhöhen. "Die Hilfe tröpfelt momentan in zu vernachlässigender Menge ein", sagte Hakim Khaldi, der Leiter der syrischen MSF-Hilfsmission. "Wir haben unsere Notvorräte in drei Tagen aufgebraucht." Nach Angaben des MSF-Sprechers kommt in Syrien sogar weniger Hilfe an als vor dem Erdbeben. Auch das Welternährungsprogramm WFP schlug Alarm angesichts der verhinderten Hilfen für Erdbeben-Opfer in syrischen Rebellengebieten
Einen Tag nach der Kritik brach ein Konvoi der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in die Region auf. 14 Lkw hätten von der Türkei aus die Grenze passiert und seien auf dem Weg in die Katastrophengebiete im Nordwesten Syriens, teilte die Organisation am Sonntag mit. Die Machthaber in der Region ließen keine Hilfen zu, hatte WFP-Direktor David Beasley am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt. "Das ist ein Engpass für unsere Operationen. Das muss sofort behoben werden."
In Syrien sind bisher rund 5.900 tote Menschen in Zusammenhang mit den verheerenden Beben gezählt worden.
Erdbeben-Hilfe aus Deutschland und den USA
Insgesamt sind in beiden Ländern, also der Türkei und Syrien, mehr als 47.000 Menschen ums Leben gekommen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte nun an, die Hilfen der Bundesregierung für die syrischen Erdbebenopfer um 22,2 Millionen Euro zu erhöhen.
Deutschlands Erdbebenhilfe für Syrien steigt damit laut "Bild am Sonntag" auf knapp 50 Millionen Euro. Den Menschen dort fehle nach zehn Jahren Krieg und dem Erdbeben nun das Allernötigste zum Überleben, sagte sie der Zeitung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich am Wochenende "sehr, sehr dankbar" für die Solidarität, Spenden und privaten Hilfsinitiativen der Bürger.
Auch die USA hatten 85 Millionen Dollar Soforthilfe für die Erdbebenregion bereitgestellt. Am Sonntag traf US-Außenminister Antony Blinken in der Türkei ein und versprach zusätzlich 100 Millionen Dollar. Er überflog gemeinsam mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu das Katastrophengebiet, am Montag wollte er Staatschef Erdogan in Ankara treffen.
Mit Informationen von AFP und Reuters
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