Rauchender Reaktor vom Kernkraftwerk Isar 2 in Niederbayern
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Die deutsche Bundesregierung kritisiert die Einstufung von Atomstrom als grünes Investment

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EU-Kommission entscheidet über grünen Atomstrom

Die EU-Kommission will Atomstrom und Erdgas als klimafreundlich einstufen. Hintergrund ist die sogenannte Taxonomie, die Investitionen in grüne Projekte lenken soll. Die Bundesregierung, aber auch andere Länder kritisieren das Öko-Label scharf.

Die EU-Kommission unter der Leitung von Präsidentin Ursula von der Leyen legt heute ihren endgültigen Vorschlag zur Einstufung von Gas und Atomkraft als nachhaltige Energiequellen vor. Ein entsprechender Beschluss gilt als sehr wahrscheinlich und kommt einer Empfehlung gleich, in diese Bereiche zu investieren. Besonders aus Deutschland hagelt es massive Kritik an den Plänen der Brüsseler Behörde.

Die Grünen sind gegen das Öko-Label für Atomstrom

Gegen das Öko-Label für Atomkraft stemmen sich vor allem die Grünen in der Ampel-Koalition, aber auch in der SPD gibt es Widerstand. Die Bundesregierung warnte in ihrer offiziellen Stellungnahme vom Januar vor Atomunfällen, den hohen Kosten der Kernenergie sowie der ungelösten Atommüll-Frage. Erdgas hingegen ist der Ampel-Regierung zufolge dagegen als "Brücke" nötig, um den Kohleausstieg zu ermöglichen und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu begleiten. Diese Haltung kritisieren insbesondere Anhänger der Grünen. Umweltschützer lehnen das Vorhaben insgesamt ab. Sie verweisen auf die CO2-Emissionen von Gas und der ungelösten Frage des radioaktiven Abfalls bei der Kernkraft.

Kritik kommt auch aus Österreich

Neben Deutschland haben sich auch Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal gegen ein grünes Siegel für die Atomkraft ausgesprochen. Österreich droht der EU-Kommission sogar mit einer Klage. Auch die Gas-Frage spaltet die EU: Österreich, Dänemark, die Niederlande und Schweden sind gegen die Aufnahme des fossilen Energieträgers in die grüne Klassifizierung. Denn dadurch erhöht sich der Ausstoß von Kohlendioxid, also CO2.

Vor allem Frankreich hält die Atomenergie hingegen für unerlässlich, um die Klimaziele der EU zu erreichen und Europa unabhängiger von russischem Erdgas zu machen. Die Atommacht Frankreich bezieht derzeit rund 70 Prozent ihres Stroms aus Kernkraftwerken, das ist der höchste Anteil weltweit. Aber auch Polen und weitere östliche EU-Staaten wollen neue Atomkraftwerke bauen, um ihre stark von Kohle abhängigen Volkswirtschaften nachhaltiger zu gestalten.

EU-Taxonomie: Investments in klimafreundliche Technologien

Hintergrund der EU-Entscheidung ist die sogenannte Taxonomie - eine Liste, die Bürger und Anleger dazu bringen soll, in klimafreundliche Technologien zu investieren, um die Klimawende voranzubringen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen Finanzdienstleister künftig ihre Produkte auf Taxonomie-Konformität und somit auf ein grünes Label überprüfen.

Betroffen von dieser Regelung sind beispielsweise Investment- und Aktienfonds, Immobilienfonds, aber auch Rentenfonds und versicherungsbasierte Anlageprodukte wie etwa indexgebundene Lebensversicherungen. Außerdem sollen Privatanleger bei einem Anlagegespräch künftig verpflichtend zum Investment in nachhaltige Anlagen beraten werden. Orientieren sich Großanleger wie beispielsweise Versicherungen künftig tatsächlich an dem grünen Gütesiegel, wird sich der Finanzmarkt neu strukturieren.

Beschluss pro Atomkraft sehr wahrscheinlich

Ein Beschluss pro Atomkraft gilt als sehr wahrscheinlich, denn die EU-Kommission hat für die Entscheidung die Form eines sogenannten delegierten Rechtsakts gewählt. Um diesen aufzuhalten gibt es sehr hohe Hürden: Entweder stimmen die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit dagegen - also 20 EU-Länder, die zusammen 65 Prozent der europäischen Bevölkerung umfassen - oder aber das Europaparlament stimmt mehrheitlich dagegen.

Nach der Vorstellung durch die Kommission haben die EU-Staaten und das Parlament maximal sechs Monate Zeit zur Stellungnahme. Kommt keine Sperrmehrheit zusammen, tritt der Rechtsakt zum 1. Januar 2023 unverändert in Kraft.

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