Jean-Pierre Ricard, ehemaliger Erzbischof von Bordeaux segnet seine Titularkirche - Sant' Agostino - während einer Zeremonie zur offiziellen Übernahme seiner Kirche.
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Jean-Pierre Ricard leitete von 2001 bis 2008 die Bischofskonferenz. Sein Amt als Erzbischof von Bordeaux legte 2019 nieder. (Archivbild)

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Ex-Chef von Frankreichs Bischofskonferenz gesteht Missbrauch

Der französische Kardinal Jean-Pierre Ricard hat schriftlich erklärt, in den 1980er Jahren ein Mädchen missbraucht zu haben. In diesem Zusammenhang zieht er sich von allen Ämtern zurück. Das Geständnis hat jedoch noch weitere Folgen für ihn.

In einem Schreiben an die derzeit tagende Vollversammlung der Bischöfe hat der französische Kardinal Jean-Pierre Ricard gestanden, vor 35 Jahren ein 14-jähriges Mädchen missbraucht zu haben. Mit dem Geständnis lege der ehemalige Vorsitzende von Frankreichs katholischer Bischofskonferenz auch seine kirchlichen Ämter und Pflichten nieder, teilte der 78-Jährige am Montag mit.

Er bezichtigte sich selbst, sich als Pfarrer dem Mädchen gegenüber "auf verwerfliche Weise verhalten" zu haben. "Mein Verhalten hat unweigerlich schwere und bleibende Konsequenzen für diese Person gehabt", schrieb Ricard in einer schriftlichen und von Éric de Moulins-Beaufort verlesenen Erklärung dem Vorsitzenden der französischen Bischofskonferenz.

Ricard habe mit dem Opfer gesprochen

In einer Zeit, in der die katholische Kirche in Frankreich begonnen hat, Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche finanziell zu entschädigen, habe er entschieden, "nicht mehr länger zu schweigen". Er stehe den weltlichen und kirchlichen Behörden zur Verfügung. Zudem wolle er nun eine "Zeit in Rückzug und Gebet" verbringen. Ricard sagte, er habe mit seinem Opfer gesprochen und sie um Vergebung gebeten. Wann dieses Gespräch stattgefunden hat, sagte er nicht. Er bitte alle, "die ich verletzt habe", um Vergebung.

  • Zum Artikel: "Kirchenjahr 2021: Missbrauch – das lange Ringen um Aufarbeitung"

Ricard war bis 2019 Erzbischof von Bordeaux. In den 1980er Jahren war er Priester in der Diözese von Marseille. Seit 2019 diente er in seiner Heimatdiözese Dignes-les-Baines. Die Bischofskonferenz leitete er von 2001 bis 2008. 2019 nahm Papst Franziskus seinen Amtsverzicht als Erzbischof von Bordeaux aus Altersgründen an.

Missbrauchsvorwürfe gegen insgesamt elf amtierende und frühere Bischöfe

Ricards Mitteilung erfolgte auf einer Pressekonferenz des Vorsitzenden der französischen Bischofskonferenz, Éric de Moulins-Beaufort. Die Konferenz habe den Fall Ricards unterdessen bei der Generalstaatsanwaltschaft und bei der zuständigen vatikanischen Glaubensbehörde angezeigt. De Moulins-Beaufort bezeichnete das Geständnis am Montag als "Schock".

Auf der Pressekonferenz ging es auch um Missbrauchsvorwürfe gegen insgesamt elf amtierende und frühere Bischöfe, die sowohl von den kirchlichen als auch den staatlichen Justizbehörden untersucht würden. Es handele sich um "äußerst unterschiedliche Situationen mit Blick auf begangene Taten oder Vorwürfe", sagte der Vorsitzende de Moulins-Beaufort. Details nannte er nicht.

Schätzung von Untersuchungskommission: 330.000 Minderjährige missbraucht

Zu den Betroffenen zählt den Angaben zufolge auch der Ex-Bischof von Créteil, Michel Santier, der sexuellen Missbrauch von zwei Männern gestanden hatte. Der Fall hatte in Frankreich Aufsehen erregt, weil erst kürzlich bekannt geworden war, dass der Vatikan Santier wegen seiner Vergehen stillschweigend sanktioniert hatte. Öffentlich war sein vorzeitiger Rücktritt zunächst mit gesundheitlichen Problemen begründet worden. In diesem Zusammenhang wurde auch kritisiert, dass die Kirchenleitung damals nicht über den Vorgang informiert hatte.

Vor gut einem Jahr hatte eine Untersuchungskommission geschätzt, dass seit 1950 in Frankreich etwa 330.000 Minderjährige von Priestern, Ordensleuten oder Mitarbeitern katholischer Einrichtungen sexuell missbraucht worden waren. Es habe eine systemische Vertuschung durch Kirche gegeben, hieß es. Der Bericht hatte Schockwellen in der katholischen Kirche ausgelöst.

Vorwürfe der Opferverbände gegen die Kommission

Die Bischofskonferenz hatte anschließend einen Fonds für die Entschädigung der Opfer eingerichtet, für den unter anderem Immobilien der Kirche veräußert werden sollten. Anfang des Jahres umfasste er etwa 20 Millionen Euro. Bis Ende September hatten etwa tausend Menschen Ansprüche angemeldet - es waren bis dahin allerdings lediglich 23 Opfer finanziell entschädigt worden. Opferverbände werfen der Kommission vor, zu langsam voranzugehen.

Mit Informationen von dpa, AP, KNA und AFP

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