Wird es wirklich regnen? Oder zieht das Gewitter weiter? In weiten Teilen Italiens sehnen sich die Menschen sehnsüchtig nach Regen, so dramatisch ist die Trockenheit. Die Pegel aller Seen und Flüsse sind bereits jetzt, vor der sommerlichen Trockenheit, so niedrig wie lange nicht mehr. Am Gardasee ist der Wasserstand auf ein historisches Tief gefallen, nach Angaben der zuständigen Comunità del Garda liegt er momentan bei 47 Zentimetern – vor einem Jahr waren es fast doppelt so viele!
Wassersparen bereits im Februar
Dabei ist bereits im Februar die Notbremse gezogen worden, am Gardasee haben sie Maßnahmen zum Wassersparen eingeleitet: Die Zufuhr für einige Kanäle wurde gedrosselt, der Abfluss in den Fluss Mincio ist auf das gesetzliche Minimum zurückgefahren worden. So soll das Wasser für den Sommer aufgespart werden, für den Tourismus, für die Fischerei, für die künstliche Bewässerung.
Der Gardasee ist nicht nur ein Urlaubsparadies, sondern auch das größte Wasserreservoir des Landes. Doch im Winter hat es in den Alpen um etwa die Hälfte weniger geschneit als sonst, deshalb konnten sich die Wasserspeicher nicht ausreichend füllen. Daneben fiel viel zu wenig Regen, in der Po-Ebene um rund 60 Prozent weniger als üblich.
Po-Ebene bangt um Frühjahrsaussaat
Im April gingen bisher zwar an zahlreichen Orten Gewitter nieder – wie etwa in Südtirol, in der Lombardei oder auch in der Hauptstadt Rom. Aber die Mengen reichen nicht aus, um den Mangel auszugleichen.
Besonders stark getroffen ist das sogenannte Food-Valley Italiens, die fruchtbare Po-Ebene, wo es die meiste Produktion im Land gibt. In der weiten Ebene ist man auf künstliche Bewässerung angewiesen und damit eben auch auf das Wasser aus dem Norden. Momentan, so der Landwirtschaftsverband Coldiretti, gelte SOS für die Frühjahrsaussaat von Mais, Soja, Sonnenblumen, Reis und Tomaten. Gleichzeitig führen Extremereignisse wie heftige Unwetter oder Hagel zu Einbußen, laut Coldiretti machten die Schäden, die durch Dürre und Unwetter verursacht worden sind, im vergangenen Jahr mehr als sechs Milliarden Euro aus.
Comer See nur zu einem Viertel gefüllt
Trotz der jüngsten Regenfälle, so meint die Behörde des Po-Distrikts in einem aktuellen Bericht, melden alle Stationen an Italiens größtem Fluss extreme Trockenheit. So waren überall, wie etwa bei Piacenza oder Cremona, die Abflusswerte niedriger als im letzten Jahr im gleichen Zeitraum.
Auch die Seen haben sich nicht erholt. Der Comer See ist nicht mal zu einem Viertel gefüllt, der Iseosee in der Lombardei zu knapp 34 Prozent, der flächenmäßig zweitgrößte See Italiens, der Lago Maggiore, zu weniger als die Hälfte. Auf Satellitenbildern ist das Ausmaß der gefährlichen Lage zu sehen, am Gardasee kann die Insel San Biagio zeitweise über einen dünnen Streifen Land erreicht werden.
Mit Sonderkommissar gegen Wasserknappheit
Die Regierung in Rom hat beschlossen, einen Sonderkommissar einzusetzen, der mit weitreichenden Befugnissen das Problem angehen soll. Laut einem Dekret von Anfang des Monats sind verschiedene Maßnahmen gegen die Wasserknappheit und die Wasserverschwendung geplant: Gereinigtes Abwasser in der Landwirtschaft soll stärker wiederverwendet werden; Stauseen und Regenwasser-Sammelbecken sollen effizienter genutzt, Entsalzungsanlagen gebaut werden.
Überdies will das Team um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Gelder freigeben, um die maroden Leitungen in Italien zu reparieren. Schätzungen zufolge gehen durch Lecks rund 40 Prozent des Trinkwassers verloren, die Vorgängerregierung unter Mario Draghi hatte bereits ein Milliarden-Programm verabschiedet, um die Wasserleitungsnetze zu sanieren.
"Made in Italy" - von Wassermangel bedroht
Verbraucher merken die Auswirkungen der extremen Trockenheit bereits jetzt am Kühlregal: Der Milchgigant Granarolo hat beschlossen, keine frische Milch mehr zu produzieren; künftig gibt es nur noch eine neu-pasteurisierte Milch mit einem Verfallsdatum von zehn Tagen. Zum einen würden die Kunden immer mehr zu Produkten greifen, die länger haltbar sind. Zum anderen könnte es künftig zu einem Milchmangel kommen. Denn wenn es weniger regnet, fehlt es an Futter, die Kühe geben weniger Milch. Das wirkt sich auch auf die Produktion von Käse aus, wie etwa den berühmten Parmesan. Schon im vergangenen Sommer befürchteten die Bauern einen starken Rückgang.
In diesem Jahr könnte die Dürre weitaus schlimmer ausfallen als 2022. Und damit auch die Folgen für Käse, Wurst, Pasta oder Tomatensauce "Made in Italy".
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!