Angesichts der vielfach geringen Schneedecke in den Alpen und des regenarmen Februars droht laut Experten bald massive Trockenheit. In Frankreich, der Schweiz, Italien und in Teilen Österreichs liege aktuell viel weniger Schnee als sonst üblich zu dieser Jahreszeit, sagte der Meteorologe Klaus Haslinger von Geosphere Austria.
Viel weniger Regen im Becken des Po
In Italien schlug die Umweltorganisation Legambiente Alarm und warnte, dass in den dortigen Alpen in den vergangenen Monaten 53 Prozent weniger Schnee als im langjährigen Mittel gefallen sei. Das Problem ist nicht nur der Mangel an Schnee, sondern auch der ausbleibende Regen. Im Becken des Po, des größten Flusses Italiens, sind die Niederschläge um 61 Prozent gesunken.
- Zum Artikel: "Italien auf dem Trockenen - Wassermangel und Dürre im Winter"
Der Wassermangel setzt auch Venedig zu. Viele Gondeln liegen im Schlamm. Wegen des niedrigen Wasserstandes sind die kleineren Kanäle nicht mehr befahrbar. Bei Ebbe wurde zuletzt ein Wasserstand von mehr als 65 Zentimetern unter dem normalen Niveau gemessen. Ganz Norditalien leidet unter langanhaltender Trockenheit. Nach dem regenfreien Februar im italienischen "Food Valley" drohe ein Minus bei der nationalen Lebensmittelproduktion um 40 Prozent, schrieb die Zeitung "La Repubblica". Niemand könne sich dort an eine schlimmere Trockenheit erinnern.
Niedrige Wasserstände in italienischen Seen
Der Lago Maggiore ist laut Presseberichten nur noch zu 38 Prozent gefüllt, beim Comer See sieht es nicht besser aus. Aber auch weiter südlich in Italien macht sich die Trockenheit bemerkbar. Am Tiber in Rom sei der Wasserstand schon um 1,50 Meter gesunken, meldete die Hauptstadtzeitung "Il Messaggero".
Gemeinden in der Schweiz rufen zum Wassersparen auf
In der Schweiz riefen kürzlich erste Gemeinden ihre Einwohnerinnen und Einwohner zum Wassersparen auf. Landesweit fiel dort laut Bundesamt für Metorologie und Klimatologie in den vergangenen zwölf Monaten weniger Niederschlag als in der Norm 1991 bis 2020 über den gleichen Zeitraum.
Niedrige Grundwasserspiegel in Frankreich
In Frankreich wird nach mehreren praktisch regenfreien Wochen schon jetzt ein zweiter Dürre-Sommer in Folge befürchtet. In Frankreich weisen nach aktuellen Daten des nationalen Wassermonitorings von 422 beobachteten Grundwassergebieten schon jetzt 125 ein sehr niedriges Niveau, 120 ein niedriges Niveau und 97 ein mäßig niedriges Niveau auf.
Dürre - Bäume sterben im Winter ab
Zudem drohen im Südwesten Frankreichs in diesem Jahr besonders frühe und schlimme Waldbrände. "Die Feuer könnten intensiver sein, weil sie mehr Nahrung bekommen", sagte Stéphane Clerc vom Département Pyrénées-Orientales in der vergangenen Woche mit Blick auf die vielen vertrockneten Bäume und Büsche. Selbst Eichen, Olivenbäume und Aleppo-Kiefern, die als besonders resistent gegen Dürre gelten, würden mitten im Winter absterben, sagte er.
In dem Département, das an das Mittelmeer und an Spanien grenzt, zeugen aufgesprungene Böden und ausgetrocknete Wasserläufe von dem dramatischen Wassermangel, einer Folge des menschengemachten Klimawandels. In ganz Frankreich hatte es zuletzt landesweit 32 Tage am Stück keinen nennenswerten Niederschlag gegeben, ein historischer Höchststand.
Pegel des Neusiedler Sees so niedrig wie nie
Wegen Rekord-Tiefstständen beim Grundwasser südlich von Wien müssten sich viele Landwirte auf Einschränkungen bei der Bewässerung der Felder einstellen, meint der Agrarmeteorologe an der Universität für Bodenkultur in Wien, Josef Eitzinger. Der Pegel des ökologisch besonders wertvollen Neusiedler Sees an der Grenze zu Ungarn - er wird vor allem von Regenwasser gespeist - ist so niedrig wie nie.
Blockierende Hochdruckgebiete über Westeuropa
Verantwortlich für den geringen Niederschlag sind blockierende Hochdruckgebiete über Westeuropa, die Regenfronten abdrängen. Es sei nicht das erste Mal, dass solche Wetterlagen für extrem regenarme Jahre sorgten, sagte Haslinger. Schon vor 60 Jahren habe es über Jahre wegen einer bestimmten Temperaturverteilung über Land und Meer sehr wenig geregnet. "Damals fiel der Pegel der Donau auf ein Rekord-Tief", so der Meteorologe. Es gebe Indizien, dass die globale Erwärmung diese Temperatur-Muster begünstigen könnte.
"Wenn im Frühjahr das Wetter so ähnlich ist wie 2022 wird sich die Trockenheit deutlich verschärfen", warnt auch Eitzinger. Es zeichne sich ab, dass die Flüsse viel weniger Schmelzwasser transportieren werden. "Damit fehlt die Frühjahrsspitze, die auch wichtig für das Auffüllen von Grundwasser wäre."
Schneedefizit von heute ist Trockenheit von morgen?
"Das Schneedefizit von heute ist potenziell die Sommertrockenheit von 'morgen'", sagt Manuela Brunner, Leiterin Hydrologie und Klimafolgen in Gebirgsregionen beim WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos. Das setze aber voraus, dass das Schneedefizit vom Winter nicht durch Niederschläge im Frühling kompensiert wird, präzisiert die Professorin.
Die Auswirkungen haben über die Jahrzehnte deutlich zugenommen. Sie hat in einer Studie festgestellt, dass die Zahl der Dürren, die durch Schneeschmelzdefizite ausgelöst wurden, im Zeitraum 1994 bis 2017 um 15 Prozent höher war als in den Jahren 1970 bis 1993. Sie geht davon aus, dass der Trend sich fortsetzt, weil die Schneefallgrenze steige. Damit sinke die Menge an Wasserreserven, die im Schnee gespeichert seien.
Mit Informationen von dpa und AFP
Transparenzhinweis: Wir haben das Zitat und die Präzisierung von Manuela Brunner im letzten Absatz nach Nachfrage durch BR24 bei der Expertin verändert und ergänzt. In der ursprünglichen Version lautete das Zitat - auf Basis einer Meldung der dpa: "Das Schneedefizit von heute ist die Trockenheit im nächsten Sommer".
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