Bundesaußenministerin Annalena Baerbock beim informellen Treffen der EU-Außenminister in Prag.
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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock beim informellen Treffen der EU-Außenminister in Prag.

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#Faktenfuchs: Baerbock-Zitat verfälscht und instrumentalisiert

#Faktenfuchs: Baerbock-Zitat verfälscht und instrumentalisiert

Im Netz kursiert die Behauptung, Bundesaußenministerin Baerbock habe gesagt, ihr sei egal, was die Wähler denken. Das Zitat, das auch Medien zunächst falsch abbildeten, ist verkürzt und wird häufig ohne Kontext geteilt. Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Preclaimer: Dieser Artikel hat in seiner ursprünglichen Version eine Diskussion ausgelöst. Offenbar hatten wir nicht ausreichend erklärt, warum wir die gezielte Verbreitung des verkürzten Baerbock-Zitats als Desinformation einordnen. Wir haben deshalb auch im Team diskutiert und am 02.09.2022, 15:46h manche Sätze präzisiert und den Artikel um einige Absätze ergänzt.

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Ein verkürzter Ausschnitt von Baerbocks Aussage wird über Telegram und Twitter mit einem falschen Kontext verbreitet, das Zitat verfälscht.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/ Die Grünen) sprach am Mittwoch auf dem “Forum 2000”, einer Konferenz in Prag, bei der es um Bedrohungen der Demokratie und vor allem um den Krieg in der Ukraine ging und in deren Rahmen sich die EU-Außenminister informell treffen.

Bei einer Podiumsdiskussion der Eröffnungsveranstaltung sprachen neben Baerbock auch andere Außenminister, wie der Ukrainer Dmytro Kuleba. Unter anderem ging es bei der auf Englisch geführten Diskussion um die Frage, wie lange europäische Länder die Unterstützung der Ukraine sowie die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten können oder sollten.

Nach Podiumsdiskussion: Video-Ausschnitt kursiert in prorussischen Telegram-Gruppen

Am Abend nach der Veranstaltung kursiert ein kurzer Ausschnitt von Baerbocks Aussage in einigen Telegram-Gruppen, die russische Propaganda verbreiten. Der Ausschnitt zeigt nicht Baerbocks gesamte Antwort; beim Weiterleiten wurde ihre Aussage häufig um eine irreführende Behauptung ergänzt. Unter dem Videoclip heißt es in einer Gruppe: “Die deutsche Außenministerin verspricht, dass die Ukraine an erster Stelle komme ‘egal, was deutsche Wähler denken’ oder wie hart ihr Leben wird.” (aus dem Englischen übersetzt)

Im Detail wird die Aussage Baerbocks falsch wiedergegeben. Tatsächlich sagte Baerbock: “egal, was meine deutschen Wähler denken”. Einige Sätze später erwähnt sie auch, dass die Sanktionen gegen Russland für deutsche Bürger zu Belastungen führten und sagt, es müsse soziale Maßnahmen zur Entlastung geben.

Der Halbsatz über die Wähler wird aus dem Kontext - einer sehr langen Antwort - gerissen. Teilweise wird dieser Halbsatz auch verändert, indem ein Wort - nämlich “meine” - ausgelassen wird. So entsteht der Eindruck, Baerbock habe von allen deutschen Wählern gesprochen.

Dadurch, dass das Zitat aus dem Kontext gerissen und in einen neuen gestellt wird, wird ihr unterstellt, dass ihr die deutschen Bürger egal seien. Der Kontext, der oft weggelassen wird: Baerbock spricht in mehreren Sätzen über die Entlastungen, die gerade für die deutschen Bürger geschaffen werden sollen. Dass ein Politiker abgewählt wird, wenn die Bürger nicht zufrieden seien, thematisiert sie ebenfalls. (Das vollständige Zitat können Sie weiter unten in diesem #Faktenfuchs-Artikel lesen.)

Es handelt sich um eine typische Strategie von politischer Desinformation. Durch die Verbreitung des Videoclips mit diesem Narrativ hat die Aussage Baerbocks überhaupt erst Aufmerksamkeit bekommen. Angefangen bei prorussischen Accounts, hat er sich dann in den sozialen Netzwerken verbreitet und wurde unter anderem von politischen Gegnern aufgegriffen, etwa der AfD.

Artikel der “Welt” verbreitet zunächst falschen Zitatausschnitt

Häufig wurde im Netz ein Artikel der “Welt” geteilt, in dem das verkürzte bzw. falsch übersetzte Zitat zu den Wählern zunächst in der Überschrift stand. Nach einiger Zeit änderte das Medium die Überschrift, entsprechend dem, was Baerbock tatsächlich gesagt hatte.

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Der Artikel der "Welt" verbreitete das Zitat zunächst mit einem falschen Zitatausschnitt, korrigiert das Zitat aber einige Stunden später.

Die vollständige Aussage von Baerbock in Video und Text

Das komplette englischsprachige Original von Baerbocks Aussagen gibt es in diesem Video zu sehen (ab Timecode 01:24:01)

Hier können Sie ein übersetztes Transkript von Baerbocks Aussagen auf der Veranstaltung lesen.

Baerbock gab auf der Veranstaltung folgende, sehr lange Antwort auf die Frage nach dem Ziel, das man nun in der Ukraine verfolge (übersetzt aus dem Englischen, hier vollständig wiedergegeben):

“Wir stehen an der Seite der Ukraine, so lange wie sie uns brauchen. Und weil wir uns da alle einig sind und das auch nichts ist, wofür man applaudieren muss, denn das ist etwas normales, wenn man an Recht und Freiheit in der Welt glaubt. Und da möchte ich auch in eine Diskussion um Ihre Rede einsteigen, die ich sehr geschätzt habe, aber ich widerspreche in einem Punkt, als Sie gesagt haben, wir sollten nicht darüber reden, dass dieser Krieg sich auch noch für längere Zeit hinziehen könnte (Baerbock bezieht sich auf einen Vorredner, der nun im Publikum sitzt, es wird jedoch nicht klar, wer genau gemeint ist, d. Red.).

Denn wenn ich als Politikerin das Versprechen gebe - und glücklicherweise gibt es in einer Demokratie die Möglichkeit, dass die Leute mir widersprechen und in vier Jahren sagen: ‘Sie haben uns nicht die Wahrheit gesagt’ -, aber wenn ich dieses Versprechen an die Ukrainer gebe: ‘Wir stehen so lange an eurer Seite, wie Ihr uns braucht’, dann möchte ich auch liefern, egal was meine deutschen Wähler denken, aber ich möchte für die ukrainische Bevölkerung liefern. Und deshalb ist es mir wichtig, immer sehr offen und klar zu sein. Das bedeutet: Jede Maßnahme, die ich treffe, muss so lange anhalten, wie die Ukraine mich braucht. Und deswegen ist es so wichtig, klar zu sein. Ja, jeder von uns wünscht sich, dass der Krieg morgen stoppt. Aber falls er eben nicht morgen stoppt, werde ich auch in zwei Jahren da sein.

Manchmal klingt das alles ein bisschen schwierig auf der EU-Ebene, und da sind wir uns auch nicht immer ganz einig, denn jedes Sanktionspaket muss so vorbereitet sein, dass es für die nächsten vielleicht zwei Jahre halten würde. Wenn wir es keine zwei Jahre brauchen, ist das großartig, aber wenn wir es eben doch brauchen, muss es so lange halten, wie die Ukraine uns braucht.

Und wir haben nun die Winterzeit vor uns, wo wir als demokratische Politiker vor der Herausforderung stehen, dass die Bürger auf die Straße gehen werden und sagen: ‘Wir können unsere Energierechnungen nicht mehr bezahlen’. Und ich sage: ‘Ja ich weiß, und wir helfen euch mit Sozialmaßnahmen’, aber ich will nicht sagen, ‘Ok, dann stoppen wir die Sanktionen gegen Russland’. Wir stehen an der Seite der Ukraine und das bedeutet, die Sanktionen bleiben auch im Winter, auch wenn es schwierig für uns Politiker werden wird und wir müssen in ganz Europa gute Lösungen finden, um die sozialen Effekte auszugleichen, denn das ist die andere Seite dieses Krieges, es ist ein hybrider Krieg. Die zweite Strategie ist unsere Demokratien zu spalten und zu sagen, die Armen würden zurückgelassen und wir müssen darauf die Antworten geben: Nein, wir bleiben solidarisch mit den Menschen in unserem Land, genau wie wir an der Seite mit jedem in der Ukraine stehen.”

Nicht die erste Desinformationskampagne gegen Baerbock

Die Grünen-Politikerin war bereits häufiger Ziel von Desinformationskampagnen. Im Bundestagswahlkampf 2021 wurde ein erfundenes Zitat von ihr zur Haustierhaltung verbreitet, wie in diesem #Faktenfuchs zu lesen ist.

Auch ein gefälschtes Zitat zur Witwenrente verbreitete sich im Netz, wie dieser Faktencheck von Correctiv zeigt.

In diesem Video vom Mai 2021 checkt der #Faktenfuchs ebenfalls mehrere Behauptungen rund um Baerbock und erläutert, wie gezielt Frauen in der Politik diskreditiert werden sollen:

Fazit

Ein Zitat von Annalena Baerbock wird zum Teil verkürzt und zum Teil falsch wiedergegeben. Pro-russische Kanäle verbreiten einen Videoclip, in dem Teile ihrer Aussage fehlen. Auch ein deutsches Medium nahm einen falschen Teil des Zitats zunächst in die Überschrift, änderte diese aber nach einigen Stunden.

Baerbock war schon häufiger Ziel von Desinformationskampagnen in den sozialen Medien, die dararuf abzielten, sie zu diskreditieren.

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