Wahlhelfer mit Briefwahl-Stimmzetteln für die US-Präsidentschaftswahl.
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Auszählung von Briefwahlstimmen der US-Präsidentschaftswahl.

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#Faktenfuchs: Nein, in den USA haben nicht Tausende Tote gewählt

#Faktenfuchs: Nein, in den USA haben nicht Tausende Tote gewählt

Nach seiner Niederlage bei der Präsidentschaftswahl beharren Donald Trump und seine Anhänger darauf, es habe Wahlbetrug gegeben. Angebliche Wasserzeichen auf den Stimmzetteln sollen dies beweisen. Doch die gibt es nicht. Ein #Faktenfuchs.

Die Welt brauchte diesmal Geduld. Es hat gedauert, bis die Stimmen in den USA nach dem Schließen der Wahllokale so weit ausgezählt waren, dass ein eindeutiger Gewinner feststand. Dass bei der Auszählung alles mit rechten Dingen zuging, haben Wahlbeobachter der OSZE bestätigt. Sie kritisieren Trump scharf für dessen Behauptung, es sei bei der Wahl betrogen worden.

Der deutsche Leiter der OSZE-Wahlbeobachtermission in den USA, der Bundestagsabgeordnete Michael Link, sagte in einem Zeitungsinterview: "Bei der Briefwahl gab es, anders als von Präsident Trump behauptet, nach unseren Erkenntnissen keine Probleme."

Und doch streuen Anhänger von Amtsinhaber Donald Trump - und auch er selbst - Gerüchte, es habe Wahlbetrug gegeben.

Fälschungsmythen trotz offensichtlich korrekter Wahl

Tote hätten ihre Stimme abgegeben, behaupten Donald Trump und sein persönlicher Anwalt Rudy Giuliani. Und im Netz kursiert zusätzlich die Behauptung, Trumps Regierung habe heimlich Wasserzeichen auf die Stimmzettel drucken lassen - und könne so den Wahlbetrug belegen.

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Tweet mit der Falschbehauptung, es gebe heimliche Wasserzeichen auf den Stimmzetteln.

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Auch deutschsprachige Twitternutzer verbreiten das Narrativ

Eine angebliche Mitteilung des US-Heimatministeriums soll dies beweisen. Darin wird behauptet, 80 Prozent der angeblich untersuchten Stimmzettel hielten der "Integritätsprüfung" nicht stand. Die Faktenchecker der Nachrichtenagentur Reuters machen deutlich: Eine offizielle Mitteilung des US-Heimatministeriums mit entsprechendem Inhalt gibt es nicht. All die genannten Behauptungen sind falsch. Die US-Regierung hat keine Wasserzeichen auf US-Stimmzettel gedruckt, wie nicht nur Reuters, sondern auch die Faktenchecker des US-Netzwerks Politifact sowie von factcheck.org darlegen.

Der Direktor der für Cybersicherheit zuständigen US-Behörde CISA stellt klar: Weder die US-Regierung noch seine Behörde seien für die Gestaltung der Stimmzettel zuständig - es handele sich um eine Desinformation.

Fakt ist: Die US-Regierung ist nicht für den Druck von Stimmzetteln zuständig. Diese Aufgabe obliegt den Regierungen der jeweiligen Bundesstaaten. Diese arbeiten mit mehreren Druckereien und der US-Postbehörde zusammen. Immer wieder haben US-Medien über den Prozess des Stimmzettel-Druckens berichtet.

Offizielle Wasserzeichen auf kalifornischen Stimmzetteln

Manche Staaten, wie Kalifornien, drucken tatsächlich Wasserzeichen auf ihre Stimmzettel, dies geschieht jedoch nicht heimlich, sondern steht in Kapitel 4, Artikel 9 der kalifornischen Verwaltungsregeln.

Wie genau dieses Wasserzeichen bei den US-Präsidentschaftswahlen 2020 beschaffen sein soll, hat der Secretary of State von Kalifornien, also der oberste Wahlleiter, Alex Padilla, in einem Papier festgehalten, das Verschwörungserzählern nun als angeblicher Beleg für heimliche Wasserzeichen dient. Die Wasserzeichen auf kalifornischen Stimmzetteln sind aber, wie erwähnt, offiziell.

Laut Politifact und factcheck.org geht das Gerücht der Wasserzeichen auf die Verschwörungsbewegung QAnon zurück, über die auch BR24 bereits berichtet hat.

Haltlose Behauptung zu Joe Biden

Eine weitere Falschbehauptung wurde während des US-Wahlkampfs verbreitet - und auch jetzt nach der Wahl noch: Dass Joe Biden pädophil sei. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte, hat Politifact recherchiert. Solche Anschuldigungen sind ebenfalls Teil der Verschwörungserzählung von QAnon.

Politifact kommt in seinem Faktencheck zu dem Schluss: In der mehr als 40-jährigen Karriere Bidens - darunter 36 Jahre als Senator, zwei Bewerbungen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur sowie acht Jahre als Vizepräsident - gab es keine formelle Anklage, keine Strafanzeigen, Inhaftierungen oder Ermittlungen gegen Biden in Zusammenhang mit irgendeiner Form von sexueller Gewalt gegen Kinder.

Tote auf Wahllisten laut Gericht nur eine Unterstellung

Doch nicht nur diese Behauptungen sind falsch. Ebenso wenig stimmt es, dass im US-Bundesstaat Pennsylvania 21.000 Tote abgestimmt haben sollen. Diese Falschinformation verbreitete unter anderem die rechte Plattform "Breitbart"; Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani twitterte den Artikel, und sagte im US-Sender Fox-News, Philadelphia, wo die Mehrheit der Stimmen an Joe Biden ging, sei das "Epizentrum des Wahlbetrugs".

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Trump-Anwalt Giuliani verbreitet Falschbehauptung zu zehntausenden toten Wählern

Auch diese Behauptung haben Faktenchecker in den USA widerlegt. So berichtet die New York Times, die Behauptung stamme aus einem Gerichtsverfahren, in dem der Kläger der Secretary of State in Pennsylvania, Kathy Boockvar, vorwirft, 21.206 angeblich Verstorbene ins Wählerverzeichnis aufgenommen zu haben. Die Kläger wollten dagegen eine einstweilige Verfügung erreichen.

Dem kam der zuständige Richter nicht nach. Die New York Times zitiert ihn mit den Worten: "Wir können nicht und wir werden nicht die Darstellung der Kläger für bare Münze nehmen - in einer Wahl, in der es auf jede Stimme ankommt, werden wir nicht potenziell berechtigte Wähler entrechten, einzig auf Grundlage der Unterstellung einer privaten Stiftung." (Originalzitat: "We cannot and will not take plaintiff’s word for it — in an election where every vote matters, we will not disenfranchise potentially eligible voters based solely upon the allegations of a private foundation.”)

Eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft von Pennsylvania sagte der Zeitung, das Gericht habe keine Missstände darin gefunden, wie Pennsylvania mit seinem Wählerverzeichnis umgehe: "Es gibt derzeit keinen Beweis dafür, dass irgendeine verstorbene Person bei dieser Wahl 2020 eine Stimme abgegeben hat." (“There is currently no proof provided that any deceased person has voted in the 2020 election.”)

Darüber hinaus hat die New York Times im US-Staat Michigan selbst Personen lebend angetroffen, die angeblich als Tote an der Wahl teilgenommen hatten. Die Zeitung schildert in dem Artikel auch, wie es zu der falschen Annahme gekommen war - ein Fehler in den Unterlagen der Behörden.

Die Faktenchecker der Organisation Factcheck.org legen dar, dass es durchaus mal vorkommen könne, dass jemand stirbt, nachdem ihm der Stimmzettel zugeschickt worden sei. Ebenso, dass jemand anderes in betrügerischer Absicht diesen Stimmzettel ausfülle und abschicke. Aber, so der Jura-Professor und Experte für das Thema Wahlbetrug, Justin Levitt, auf Anfrage von factcheck.org, das sei "eine Handvoll Stimmen unter Millionen". Das sei zwar nicht in Ordnung, es beeinflusse aber keine Wahlergebnisse. (“A handful of votes in a sea of millions. It’s not OK, but it doesn’t swing results.”)

Die Behauptungen, eine größere Zahl Verstorbener habe gewählt, stelle sich in der Regel als Missverständnis oder bürokratischer Fehler heraus, berichtet factcheck.org weiter - eine Namensgleichheit etwa.

Dass Trump und seine Anhänger den Vorwurf des Wahlbetrugs erheben, ist nicht neu. Die Medienagentur "pressrelations" hat u.a. auf Basis der Daten von "NewsGuard" (einem Unternehmen, das Nachrichten-Websites nach Glaubwürdigkeit und Transparenz bewertet), untersucht, seit wann Trump das Narrativ des Wahlbetrugs verwendet - und die Medien entsprechend darüber berichten.

Ergebnis: Schon bei der Präsidentschaftswahl 2016, als die demokratische Herausforderin Hillary Clinton gegen ihn antrat, sprach Trump immer wieder von Wahlbetrug im Zusammenhang mit den von Clinton gewonnenen Stimmen. Vor der Wahl 2020 haben die Darstellungen von drohendem oder angeblichem Wahlbetrug zugenommen - entsprechend auch in der US-Berichterstattung.

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Ergebnis einer Untersuchung über die Berichterstattung zu Wahlfälschung in den USA

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung von "pressrelations", das der #Faktenfuchs vorab bekommen hat: Zwischen dem 4. und dem 10. November hat Twitter 38 Prozent der Tweets von Donald Trump als potenziell irreführend geflaggt. In vielen davon geht es darum, dass die Demokratinnen und Demokraten die Wahl "gestohlen" hätten. Belege für diese Behauptung hat Trump jedoch bislang nicht.

Fazit:

Die Vorwürfe, die Donald Trump in Bezug auf die Präsidentschaftswahl erhebt, sind haltlos. Die Wahlbeobachter der OSZE haben bislang keine Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten im Verlauf der Abstimmung. Faktenchecker in den USA konnten Behauptungen widerlegen, es hätten zehntausende Tote an der Wahl teilgenommen. Ebenso ist falsch, Trumps Regierung habe heimlich Wasserzeichen auf die Stimmzettel drucken lassen: Für deren Gestaltung sind die Regierungen der einzelnen Bundesstaaten zuständig.

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