Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) lehnt einen Rücktritt im Zusammenhang mit der Fördergeld-Affäre ab. "Dazu sehe ich keine Veranlassung", sagte die Politikerin am Montag in Berlin vor Journalisten auf entsprechende Nachfragen. "Ich habe den betreffenden Auftrag, förderrechtliche Konsequenzen prüfen zu lassen, nicht erteilt und auch nicht gewollt", sagte die Ministerin.
Bildungsministerin entlässt Staatssekretärin
Stark-Watzinger hatte sich am Sonntagabend von ihrer Staatssekretärin Sabine Döring getrennt. Hintergrund war der Umgang im Ministerium mit einem offenen Brief von Hochschullehrern zum Krieg in Nahost.
Im Mai hatten mehr als 100 Dozenten mehrerer Berliner Hochschulen einen offenen Brief geschrieben und darin die Räumung eines Protestcamps propalästinensischer Demonstranten an der Freien Universität Berlin kritisiert. "Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt", schrieben sie.
Den Brief hatte wiederum Stark-Watzinger kritisiert. Ihrer Ansicht nach wird darin "der Terror der Hamas ausgeblendet". Die Dozenten hätten pauschal gefordert, "Straftaten an den Universitäten nicht zu verfolgen, während gleichzeitig antisemitische Volksverhetzung und gewalttätige Übergriffe gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu beobachten sind".
Wollte das Ministerium als Strafe Fördergelder streichen?
Die Ministerin geriet selbst in den Fokus, nachdem das ARD-Magazin "Panorama" in der vergangenen Woche E-Mails veröffentlichte. Sie zeigten, dass jemand an hoher Stelle im Ministerium um Prüfung gebeten hatte, inwieweit Aussagen im Protestbrief der Berliner Hochschullehrer strafrechtlich relevant seien – und ob das Ministerium als Konsequenz Fördermittel streichen könnte.
Das Vorgehen löste Proteste aus. Der Vorwurf: Die Wissenschaftsfreiheit werde beeinträchtigt. Stark-Watzinger hatte mitgeteilt, dass Staatssekretärin Döring diesen Prüfauftrag veranlasst habe. Staatssekretäre sind nach den Ministern die ranghöchsten Beamten in Ministerien. Das Bundesbildungsministerium hat vier davon.
Stark-Watzinger: Vertrauensbasis nicht mehr gegeben
Die Ministerin sei im Zuge der noch laufenden Aufklärung des Falles zu der Überzeugung gelangt, dass eine ausreichende Vertrauensbasis zu Döring für die weitere Zusammenarbeit nicht mehr gegeben sei.
Stark-Watzinger hatte mitgeteilt, dass sie Kanzler Olaf Scholz (SPD) gebeten habe, ihre Staatssekretärin in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, das Kanzleramt könne die Begründung der Ministerin nachvollziehen.
Rücktrittsforderungen aus Union und Wissenschaft
Mehrere Politiker der Opposition fordern, dass Stark-Watzinger zurücktritt. "Bundesministerin Stark-Watzinger hat recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen", erklärte Thomas Jarzombek, der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. "Es war ihre Ansage, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden." Damit habe sie die Richtung für das Ministerium vorgegeben.
Ebenso forderten bis Montagnachmittag über 2.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem offenen Brief den Rücktritt Stark-Watzingers. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Lambert Koch, sagte der "Rheinischen Post" über Stark-Watzinger: "Dass ihre Staatssekretärin in einer politisch so sensiblen Angelegenheit ohne ihr Wissen einen Prüfauftrag vergibt, ist wenig glaubwürdig." Das Vertrauen zu Stark-Watzinger innerhalb der Wissenschaft sei erschüttert.
"Gut, dass Stark-Watzinger jetzt aufklärt"
Die Koalitionspartner SPD und Grüne verzichten bisher auf offene Kritik an der FDP-Ministerin. "Es ist gut, dass Bundesministerin Stark-Watzinger jetzt aufklärt und schwerwiegende Konsequenzen zieht», sagte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Oliver Kaczmarek. Jetzt müsse verloren gegangenes Vertrauen zurückerkämpft und sichergestellt werden, dass sich solche Vorgänge nicht wiederholten.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Bundestagbildungsausschusses, Kai Gehring (Grüne). Es sei wichtig, dass sich die Spitze des Hauses klar zur Wissenschaftsfreiheit bekannt habe. "Dieser klare Weg muss nun glaubwürdig fortgesetzt werden", forderte Gehring.
Mit Informationen der AFP und dpa
Im Audio: Eklat im Bildungsministerium – Staatssekretärin soll gehen
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