Die dänischen Behörden haben an den aktuell nicht genutzten Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 insgesamt drei Lecks entdeckt. Es sei die Rede von zwei Lecks an Nord Stream 1 nordöstlich der Ostsee-Insel Bornholm sowie einem an Nord Stream 2 südöstlich der Insel, teilte die dänische Energiebehörde mit.
Die Bundesregierung schließt laut dem "Spiegel" offenbar nicht aus, dass es sich um Sabotage handelt. Demnach könnte es sich um einen Anschlag handeln, um Verunsicherung auf den europäischen Gasmärkten zu provozieren. Aktuell werden dem Bericht zufolge "mit Hochdruck" die Sicherheitskonzepte anderer Pipelines und Gasversorgungsanlagen überprüft.
Nord Stream: Behörden schließen Sabotage nicht aus
Bei den bisher drei bekannten Lecks suchen Behörden in Deutschland und Dänemark weiter nach der Ursache. Die dänische Marine und deutsche Spezialisten bemühten sich um Aufklärung, hieß es aus Sicherheitskreisen. Bislang sei die Ursache für die Vorfälle nicht geklärt. Sollte es sich um einen Anschlag handeln, würde wegen des technischen Aufwands eigentlich nur ein staatlicher Akteur infrage kommen.
Messstationen in Schweden und Dänemark verzeichneten vor dem Entstehen der Gaslecks kräftige Detonationen unter Wasser. Es bestehe kein Zweifel daran, dass es sich um Sprengungen oder Explosionen handele, sagte der Seismologe Björn Lund vom Schwedischen Seismologischen Netzwerk (SNSN) dem schwedischen Rundfunksender SVT.
Am Montagabend hatte die dänische Energiebehörde mitgeteilt, südöstlich der Insel Bornholm sei ein Gasleck beobachtet worden. Das Leck sei gefährlich für die Schifffahrt und das Fahren innerhalb von fünf Seemeilen von der besagten Position verboten. Später folgte ein weiterer Warnhinweis, dieses Mal zu einem Gasleck nordöstlich von Bornholm. Innerhalb von 24 Stunden meldeten beide derzeit ohnehin ungenutzten deutsch-russischen Ostsee-Gaspipelines - Nord Stream 1 und 2 - laut Betreiber einen Druckabfall.
Dänemark schließt Anschlag ebenfalls nicht aus
Auch Dänemark schließt angesichts der Lecks an den Nord-Stream-Gaspipelines Sabotage nicht aus. Es sei schwer vorstellbar, dass es sich um Zufall handle. Die drei Lecks befänden sich in einigem Abstand zueinander, sagte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen im polnischen Goleniow bei der Einweihung einer neuen Pipeline für norwegisches Gas, die Polen und andere europäische Länder unabhängiger von russischen Gaslieferungen machen soll.
Nach Ansicht des polnischen Regierungschefs Mateusz Morawiecki sind die Gaslecks auf Sabotage zurückzuführen. "Wir kennen heute noch nicht die Details dessen, was da passiert ist, aber wir sehen deutlich, dass ein Sabotageakt vorliegt", sagte Morawiecki bei der gleichen Veranstaltung in Goleniow. Dieser Sabotageakt sei "wahrscheinlich die nächste Stufe der Eskalation, mit der wir es in der Ukraine zu tun haben".
Moskau wiederum zeigte sich angesichts der berichteten Lecks nach eigenen Angaben "extrem besorgt". Es handle sich um eine "noch nie dagewesene Situation, die dringend untersucht werden muss", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Auf die Frage, ob es sich um einen Sabotageakt handeln könnte, sagte er, es könne keine Option ausgeschlossen werden.
Pipelines ohnehin unbenutzt: Keine Auswirkung auf Versorgung
Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und Bundesnetzagentur teilten mit, man stehe miteinander und mit den betroffenen Behörden im Austausch, um den Sachverhalt aufzuklären. Beide sahen aber erstmal keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland: "Es fließt seit dem russischen Stopp der Lieferungen Anfang September kein Gas mehr durch Nord Stream 1. Die Speicherstände steigen dennoch weiter kontinuierlich an. Sie liegen aktuell bei rund 91 Prozent."
Die Nord Stream 2-Pipeline wurde nach ihrer Fertigstellung wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine nie in Betrieb genommen, sondern nur einmalig mit Erdgas befüllt. Durch die Nord Stream 1-Pipeline floss bis Anfang September Gas nach Deutschland. Nachdem der russische Staatskonzern Gazprom seine Lieferungen durch die Röhre bereits zuvor reduziert hatte, stoppte er sie mit dem Verweis auf technische Probleme komplett. Die Bundesregierung hält die Gründe für vorgeschoben.
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Gaspreise ziehen an
In Deutschland sieht das für die hiesigen Pipeline-Abschnitte zuständige Bergamt Stralsund zumindest keine unmittelbare Gefahr einer Lageverschärfung: "Eine weitere Schadensausbreitung dürfte aus technischer Sicht - nach gegenwärtigem Stand - unwahrscheinlich sein", teilte die Behörde mit. Der Druck in den Leitungen habe sich entsprechend der Wassertiefe auf einem niedrigen Niveau eingestellt.
Neben den direkten Auswirkungen auf die Schifffahrt waren die Folgen auch an den Energiemärkten zu spüren. Der Preis für europäisches Erdgas zog am Dienstag an. Der Terminkontrakt TTF für niederländisches Erdgas stieg bis auf rund 194 Euro je Megawattstunde an. Zuletzt lag er bei rund 188 Euro, das waren etwa 8 Prozent mehr als am Vortag.
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Mögliche Umweltgefahren durch Pipeline-Leck?
Ob wegen der aktuellen Gaslecks in der Ostsee Umweltgefahren drohen, blieb zunächst offen. Kurzfristig sind die Risiken laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gering - weil Erdgas dem Treibhausgas Methan entspreche, das sich teilweise im Wasser löse und nicht giftig sei. Selbst im Falle einer Explosion unter Wasser gäbe es demnach nur lokale Effekte.
Allerdings erklärte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner, der erhebliche Druckabfall lasse eine größere Havarie befürchten. Ihm zufolge könnten "bereits erhebliche Mengen des gefährlichen Treibhausgases Methan" in die Ostsee gelangt sein. Wenn das Methan in die Atmosphäre aufsteige, trage es massiv zum Treibhauseffekt bei.
Betreiber: Kaum noch Personal für Ursachenforschung
Eine weitere Schwierigkeit kommt nach Angaben des Pipeline-Betreibers hinzu: Wegen der Sanktionen gegen Russland sieht die Nord Stream 2 AG ihre Fähigkeiten zur Ursachenforschung eingeschränkt. Man stehe unter Sanktionen, verfüge kaum noch über Personal und Gelder seien eingefroren, sagte ein Sprecher. In Lubmin, wo die Pipeline in Deutschland anlandet, ist laut dem Sprecher kein Personal der Nord Stream 2 AG.
(mit Informationen von dpa, AFP und Reuters)
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