Olaf Scholz bei der Generaldebatte im Bundestag
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Schlagabtausch bei der Generaldebatte im Bundestag zwischen Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU)

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Generaldebatte im Bundestag: Kann der Kanzler Krise?

Der Kanzler verbreitet Zuversicht, der Oppositionsführer stellt die politische Führung in Frage – unter dem Eindruck der Energiekrise liefern sich die Parteien einen Schlagabtausch im Bundestag.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Schlagabtausch im Bundestag: Blick auf die Regierungsbank
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Schlagabtausch im Bundestag: Blick auf die Regierungsbank

Es ist wahrlich nicht die erste Krise, die Deutschland zu bewältigen hat. Finanzkrise, Eurokrise, Coronakrise, um die wichtigsten Stichworte zu nennen. Als es um die Bewältigung dieser Krisen ging, stand Angela Merkel (CDU) an der Spitze der Bundesregierung. Unvergessen ihre gemeinsam mit dem damaligen SPD-Finanzminister Peer Steinbrück gegebene Zusage, die Deutschen könnten sich darauf verlassen, dass ihre Spareinlagen sicher seien.

Wäre es wirklich zum Äußersten gekommen – wer weiß, ob die Kanzlerin ihre Garantie hätte einlösen können. Doch Merkel hatte sich zum Zeitpunkt der Zusage im Oktober 2008 bereits ausreichend Vertrauen erworben, so dass ihrer Aussage geglaubt wurde – mit einem sich selbst verstärkenden Effekt: Die Sorgen wurden kleiner, die Krise wurde kleiner.

Merz: Es fehlt an politischer Führung

Olaf Scholz (SPD) ist noch nicht mal ein Jahr im Amt – und muss ungleich schneller zeigen, dass er mit Krisen umgehen kann. Kaum im Amt ereilte ihn die Ukraine-Krise, die sich zu einer Energiekrise ausgeweitet hat. Kann der Kanzler Krise?

Nein, so die Einschätzung von Oppositionsführer Friedrich Merz. Der CDU-Vorsitzende hat bei der Generaldebatte im Bundestag daher vor allem eine Botschaft: In Deutschland fehlt es an politischer Führung. Im Ukraine-Krieg könne Deutschland mehr tun, doch die Politik bremse. Olaf Scholz habe zwar zugesagt, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigungsfähigkeit zu stecken, doch das Nato-Ziel werde auch mit dem Bundeshaushalt 2023 verfehlt: "Wir können den von Ihnen gegebenen Zusagen nicht vertrauen", sagt Merz.

Vor allem aber bezweifelt der Oppositionsführer die Führungskraft von Scholz in der Energiekrise. Es herrsche ein Durcheinander in der Koalition. Das jüngst angekündigte Entlastungspaket enthalte zwar einige richtige Ansätze, sei unterm Strich aber nicht mehr als ein Sammelsurium auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners, der die Ampelkoalition noch zusammenhalte. Die Gasumlage sei eine Fehlkonstruktion, die die Inflation weiter nach oben treiben werde. Vor allem aber verfehle die Regierung das Ziel, das Energieangebot zu verbessern.

Streitpunkt Atomkraft-Verlängerung

Womit Merz beim Thema Atomkraft ist, die seiner Meinung nach noch für drei, vier Jahre gebraucht wird. Den Vorschlag von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), zwei Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus lediglich als Reserve vorzuhalten, hält er für absurd. Das koste Geld, sei technisch schwierig, bringe aber nichts. Deutschland habe, anders als Habeck sage, ein massives Stromproblem. An den Kanzler gewandt: "Stoppen Sie diesen Irrsinn, solange wir die Zeit dafür noch haben."

Scholz: "Wir kommen wohl durch"

Der Angesprochene reagiert nicht weniger deutlich. Mehrfach wendet sich Olaf Scholz an Merz mit einer Botschaft: "Wir haben Probleme gelöst, da haben Sie überhaupt noch nicht mitbekommen, dass Probleme existieren." Dabei hebt Scholz, der in der Energiepolitik in den vergangenen Monaten häufig im Schatten von Wirtschaftsminister Habeck stand, seine eigene Rolle hervor.

Er persönlich habe schon vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs die russischen Gaslieferungen hinterfragt. Und bereits in seiner Zeit als Vizekanzler in der Großen Koalition habe er sich für Flüssiggasterminals eingesetzt. Jetzt habe seine Regierung innerhalb von kürzester Zeit für Alternativen zum russischen Gas gesorgt – und dafür, dass die Gasspeicher inzwischen mit mehr als 85 Prozent gefüllt seien. All das helfe, dass Deutschland den "Winter der Herausforderungen" überstehen werde: "Wir kommen wohl durch."

Versäumnisse der Energiepolitik

Die Krise sei bei ihm in besten Händen – das will Scholz vermitteln. Auch indem er einen Kontrast zu den Vorgängerregierungen unter Angela Merkel markiert. An diesen war zwar meist auch seine SPD beteiligt, doch die Versäumnisse der Energiepolitik, so Scholz, habe die Union zu verantworten: "CDU/CSU sind aus allem ausgestiegen, aber in nichts eingestiegen." Mehr noch: "Sie haben Abwehrkämpfe geführt gegen jede einzelne Windkraftanlage", ruft der Kanzler unter tosendem Beifall der Ampelparteien in Richtung Union, das schade Deutschland noch heute.

Doch dann wird Scholz wieder ruhiger. Er appelliert an das Zusammengehörigkeitsgefühl in Deutschland. In schweren Zeiten "wächst unser Land über sich selbst hinaus", Und er wiederholt die Zusage, die Regierung werde niemanden allein lassen.

Die Drohung mit dem "heißen Herbst"

Ob dem Kanzler geglaubt wird? Nicht nur Merz, sondern auch die Vertreter der anderen Oppositionsparteien tun alles, um die Glaubwürdigkeit des Kanzlers zu erschüttern. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel wirft der Regierung vor, das Land in den Ruin zu treiben, vielen Menschen drohe die Verarmung: "Sie haben allen Grund, einen heißen Herbst und Winter zu fürchten", ruft Weidel in das Plenum, es klingt wie eine Drohung.

Im Ton milder, in der Sache aber genauso hart die Kritik von Amira Mohamed Ali von der Linkspartei: "Die Bürger werden weiter von Ihrer Politik abgehängt", wirft sie Scholz vor. Von einem heißen Herbst auf den Straßen will die Fraktionschefin der Linken aber nicht sprechen – nachdem die jüngsten Proteste von links und rechts in Leipzig für viele Diskussionen gesorgt haben.

Wie umgehen mit der Krise? Die Regierungsparteien Grüne und FDP setzen in der Generaldebatte eigene Akzente. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann deutet schon mal an, dass weitere Maßnahmen zur Bewältigung der Krise nötig sein könnten. Die Regierung sei längst nicht am Ende mit ihren Unterstützungspaketen. Anders Christian Dürr, der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion: Er warnt, die Politik könne nicht alle Folgen der höheren Energiepreise abfedern – auch diese Wahrheit müsse man aussprechen.

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