Wenn Gerichte die Bundespolitik regulieren, dann kann das dramatische Folgen haben. Dies zeigt der Richterspruch aus Karlsruhe zum Klima- und Transformationsfonds und die daraus folgenden Haushaltsdebatte. Nicht ganz so dramatische, aber weitreichende Folgen hat ein Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts. Die Juristen haben die Politik vergangene Woche dazu verdonnert, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr aufzulegen.
Besser in politischen Programmen aufgehoben
Gerade dieses Berliner Urteil sei ein Beispiel dafür, wie gesetzlich geregelte Details irgendwann lästig sein können, meint Bernhard Wegener, Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. In der Annahme, man könne Klimaziele besser erreichen, wenn man die Vorgaben per Gesetz für jeden Sektor genau vorgibt, wurde dies so geregelt. Anschließend wurde der Bundesregierung diese kleinteilige Regelung aber lästig. Jetzt soll auf Detailvorgaben wieder verzichtet werden, denn die Vorgaben für den Verkehr sind ohne Tempolimit nicht zu erreichen. "Es wäre intelligenter", so Wegener weiter, "wenn solche Details gleich in politischen Programmen festgeschrieben würden, statt sie zu verrechtlichen".
"Sehr ambitioniert", nennt der Jurist Gesetze, die detailreich beispielsweise bestimmte Tier- und Pflanzenarten unter Schutz stellen. "Oft hegt der Gesetzgeber die heimliche Hoffnung, niemand werde diese Vorgaben so richtig ernst nehmen." Es ist aber die Aufgabe der Gerichte, diese gesetzlichen oder – wie bei der Schuldenbremse – sogar verfassungsrechtlichen Vorgaben ernstzunehmen.
Verwaltungsgericht stoppte Bergbahn-Neubau
Auch in Bayern urteilten Gerichte schon in Klimafragen: Im November kippte das Verwaltungsgericht München die Genehmigung zum Neubau der Kampenwandbahn. Die Bahn ist 65 Jahre alt, der Betreiber wollte sie erneuern. Doch der Bund Naturschutz klagte gegen die Genehmigung des Landratsamtes Rosenheim – und gewann. In der Begründung des Gerichts hieß es, es sei unklar, welche Bäume konkret für die breitere Trasse gefällt werden müssten und ob diese im Schutzwald oder im Naturwald liegen. "Die Fällung von Bäumen im Naturwald zur Ermöglichung des Betriebs der neuen Bahn ist aber unzulässig", so das Verwaltungsgericht.
Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz Bayern (BN), freut sich über solche Urteile: Umweltpolitisch gehe es bergab, meint er. Aber: "Inzwischen sind Gerichte mit uns auf einer Linie", sagt der BN-Vorsitzende. "Das gibt uns bei unserem Kampf gegen den Ausbau der Bundesstraße 25 bei Dinkelsbühl oder der Inntalautobahn Auftrieb."
Klagen blockieren Ausbaupläne
Seit Mai 2019 klagte der BN gegen den Ausbau der bisher zweispurigen B 25 zu einer dreieinhalb Kilometer langen Ortsumfahrung von Dinkelsbühl. Die Trasse würde – so die BN-Argumentation – einen als Naherholungsgebiet dienenden Wald östlich der Stadt stark schädigen und Lebensräume zerstören. Bisher hat die Klage einen Baustart verhindert. Im Inntal wehren sich BN und Bürgerinitiativen gegen mehr Lärm und Verkehr auf der Hauptroute von und nach Italien und den Anschluss an den Brenner-Basistunnel.
Zurück nach Berlin: Das dort gefällte Urteil zu den Klimazielen wirkt sich direkt auf die Bundespolitik aus. Vor allem betroffen vom Urteil des Oberverwaltungsgerichts in der Hauptstadt vergangene Woche ist das Verkehrsministerium. FDP-Verkehrsminister Volker Wissing wollte in einer ersten Reaktion auf den Richterspruch sofort in Revision gehen. Die Bundesregierung bremst jetzt ein bisschen: In der Frage, ob Revision oder nicht, müsse man noch Geduld haben.
Sofortprogramme – Fehlanzeige
In den Bereichen Verkehr und Gebäude hätten die Treibhausgasemissionen 2021 und 2022 über den laut Bundes-Klimaschutzgesetz zulässigen Werten gelegen. Deshalb seien die zuständigen Ministerien zur Vorlage eines Klimaschutz-Sofortprogramms verpflichtet gewesen. Wissing hatte sich der Erarbeitung eines solchen Sofortprogramms verweigert. Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) legte daraufhin keines vor.
Trotzdem soll aber an den Klimazielen festgehalten werden: CO₂-Ausstoß bei null "bis 2045 oder 2050", sagt der Münchner FDP-Bundestagsabgeordnete Lukas Köhler. Die Liberalen favorisieren einen sogenannten CO₂-Deckel, der jedes Jahr strenger wird. Alles, was über den Deckel hinaus ausgestoßen wird, muss über den Emissionshandel bezahlt werden. Das heißt, das wird jedes Jahr teurer. Dies werde überall da erreicht, wo es "am schnellsten und kosteneffizientesten reguliert und reduziert", so Köhler weiter.
CO₂-Preis macht vieles teurer
Durch die CO₂-Bepreisung werde vieles teurer, räumt Köhler ein. Allerdings sollen die Bürger über das sogenannte Klimageld wiederum entlastet werden. "Das heißt", so Köhler weiter, "günstiger wird, was kein CO₂ verbraucht. Und das kann man dann auch nutzen. So sorgen wir dafür, dass das reduziert wird, was wir reduzieren wollen, nämlich Treibhausgase."
Nach dem großen Wurf hört sich das alles noch nicht an. Weder nach Tempolimit, noch nach Abschaffung des Dienstwagenprivilegs, weder nach klimafreundlichem Bauen noch nach Ausbau des Nahverkehrs- und des Schienennetzes. Immerhin, so Stand der Haushaltsdebatte jetzt, daran soll nicht gespart werden.
Im Audio: Klimaschutz - Gericht verurteilt Regierung zu Sofortmaßnahmen
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