Polizeiwache in einem Stadtgebiet
Bildrechte: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres
Videobeitrag

Schild, das auf eine Polizeiwache hinweist

Videobeitrag
>

Gewaltopfer: Die Angst der Frauen vor einer Anzeige

Gewaltopfer: Die Angst der Frauen vor einer Anzeige

Gewaltopfer leiden oft doppelt: Wegen der Tat und wegen der Anzeige. Die Vernehmungen können extrem belastend sein - deswegen schrecken viele vor einer Anzeige zurück. Dabei könnte es helfen, wenn möglichst viele Frauen ihr Recht einklagen.

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Antje Brandes aus München kämpft für die Rechte von Frauen, denen Gewalt angetan wurde. Mehr als 6.000 Frauen hat die Rechtsanwältin bereits vor Gericht vertreten. "Ich möchte gerne so viele Übergriffe wie möglich verhindern", sagt sie. Dafür brauche es zum einen Spezialprävention, damit "Täter kapieren, dass das, was sie getan haben, falsch ist." Außerdem würden höhere Strafen und mehr Verurteilungen zur Abschreckung helfen. Darum will sie betroffene Frauen bestärken, vor Gericht zu gehen. Das Problem: Noch immer schrecken viele Frauen vor diesem Schritt zurück.

Verbesserte Bedingungen für Gewaltopfer

Dabei hat sich einiges beim Schutz von Gewaltopfern verbessert, sagt Antje Brandes. Für Vernehmungen setzt die Polizei vermehrt Beamtinnen ein, sie werden in kleinen geschützten Räumen und im Vorfeld zur Hauptverhandlung auf Video aufgezeichnet. "Sodass dann eine vollständige Aussage in der Gerichtsverhandlung gar nicht mehr erforderlich ist, sondern dass man dieses Video anschauen kann und die Opfer höchstens noch ergänzende Fragen beantworten müssen."

Kriminalhauptkommissarin Esther Papp vom Kommissariat für Prävention und Opferschutz beim Polizeipräsidium München kümmert sich seit 36 Jahren um Opfer von häuslicher Gewalt, Stalking und Misshandlung. Sie erlebt eine große Veränderung bei der Polizei, immer mehr Beamtinnen nehmen inzwischen die Anzeigen auf und sind für den Opferschutz sensibilisiert.

Auch bei der Strafverfolgung stellt sie Verbesserungen fest, etwa durch die Strafrechtsreform von 2016; bekannt unter der Kurzformel "Nein heißt nein". Esther Papp hält es für wichtig, dass sexuelle Belästigung und Übergriffe in Partnerschaften inzwischen strafrechtlich verfolgbar sind. Dabei wünscht sie sich "definitiv mehr Täterarbeit", sagt die Kriminalhauptkommissarin. "Ich bin der Meinung, wir werden häusliche Gewalt nur in den Griff bekommen, wenn wir beim Täter ansetzen."

Frauen ziehen Anzeigen oft zurück

Weniger als ein Drittel der polizeilich erfassten Gewaltdelikte in Partnerschaften werden überhaupt vor Gericht verhandelt. Oft ziehen Frauen ihre Anzeige auch wieder zurück. Esther Papp erklärt das Problem in diesem Deliktsfeld: Bei Partnerschaftsgewalt gibt es meist nur zwei Beteiligte, und damit steht häufig Aussage gegen Aussage. Das dürfe aber kein Grund sein, Gewalttaten nicht anzuzeigen. "Wir vergessen immer wieder, dass es gerade bei sexueller Gewalt immer auch um Macht, um Dominanz, um Kontrolle und Erniedrigung geht, und das müssen wir mit allen Mitteln unterbinden", sagt die Kriminalhauptkommissarin.

Die Polizei arbeitet mit der Staatsanwaltschaft zusammen. Aber auch die hat das Problem, dass die Beweislage für eine Verurteilung oft zu schwach ist. Hinzu kommt die lange Prozessdauer, die Frauen fürchten. Und am Ende werden viele Verfahren eingestellt. "Das heißt aber nicht, dass wir den Frauen nicht glauben, sondern das heißt nur, ihre Aussage hat nicht ausgereicht, um zwingend zu einer Verurteilung des Täters zu führen", erklärt Susanne Grasser von der Staatsanwaltschaft München I, Abteilung für Sexualstrafsachen. In die Einstellungsverfügungen würde darum ausdrücklich hineingeschrieben, "dass wir nicht davon überzeugt sind, dass der Täter unschuldig ist, sondern dass schlicht und ergreifend die Angaben nicht ausgereicht haben, um den Täter der Tat zu überführen."

"Ich habe nichts falsch gemacht"

Trotz solcher Schwierigkeiten will Rechtsanwältin Antje Brandes möglichst viele Opfer ermutigen, ihr Recht einzuklagen. Sie ist überzeugt, dass es für betroffene Frauen schier unmöglich ist, abzuschließen, wenn sie nicht aus ihrer Opferrolle herauskommen. Dafür müssen sie die Täter in die Schranken weisen und sich darauf besinnen "dass nicht sie diejenigen sind, die etwas falsch gemacht haben, sondern dass sie ihr Recht bekommen".

Bildrechte: BR
Bildbeitrag

Rechtsanwältin Antje Brandes aus München kämpft für die Rechte von Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben.

Hilfsangebote für Betroffene

- Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen 116 016

- Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch 0800 / 22 55 530

- Frauenhilfe München 089 / 354830

- Wildwasser e.V. Würzburg 0931 / 13287

- Opfer-Telefon Weißer Ring 116 006

- Hilfetelefon Gewalt an Männern 0800 / 1239900

Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung

Mehr zum Thema "Liebe, Macht, Gefahr · Tabu Partnerschaftsgewalt" in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.