Bei einem erneuten russischen Angriff auf Wohnhäuser in der ukrainischen Stadt Saporischschja sind nach jüngsten Angaben der örtlichen Behörden mindestens 13 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Zunächst war von 17 Toten die Rede gewesen. Saporischschja liegt im ukrainisch kontrollierten Teil einer Region, die in dieser Woche vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gemeinsam mit drei anderen ukrainischen Gebieten völkerrechtswidrig annektiert wurde.
Der Sekretär des Stadtrats, Anatolij Kurtew, sagte, etwa 20 Privathäuser und 50 Mietshäuser seien beschädigt worden. Mindestens 40 Menschen seien in Krankenhäuser gebracht worden, Dutzende weitere würden wegen leichterer Verletzungen behandelt, schrieb Kurtew auf Telegram.
Das ukrainische Militär bestätigte den Raketenangriff und erklärte, es habe Dutzende Opfer gegeben. Die russische Armee erklärte, sie habe mit Hochpräzisionswaffen "ausländische Söldner" nahe Saporischschja angegriffen.
Saporischschja - wiederholt nächtliche Angriffe
Mindestens ein Wohnhochhaus stürzte teilweise ein. In dem Gebäude klaffte eine mehr als zehn Meter breite Lücke. Rettungskräfte versuchten, in die oberen Stockwerke zu gelangen. Die Stadt wurde in den vergangenen Wochen bereits wiederholt angegriffen. Erst am Donnerstag wurden in Saporischschja bei russischen Raketenangriffen auf Wohnhäuser mindestens 19 Menschen getötet.
"Wieder Saporischschja. Wieder gnadenlose Angriffe auf Zivilisten, Wohnhäuser im Visier, mitten in der Nacht", schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Telegram. "Von demjenigen, der diesen Befehl gab, bis zu demjenigen, der diesen Befehl ausführte: Sie werden sich verantworten. Sie müssen. Vor dem Gesetz und den Menschen", fügte er hinzu.
AKW-Saporischschja vom Stromnetz getrennt
Nach erneuten Bombenangriffen wurde zudem das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja komplett vom Stromnetz getrennt und ist nun auf dieselbetriebene Notstrom-Generatoren angewiesen. Der Chef der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, erklärte, die Angriffe, welche "die einzige externe Stromquelle der Anlage getroffen haben", seien "höchst unverantwortlich". Obwohl die sechs Reaktoren des größten Atomkraftwerks Europas derzeit heruntergefahren sind, sind sie auf Strom unter anderem zur Kühlung angewiesen.
Russland kontrolliert faktisch seit Anfang März das Atomkraftwerk. Die von ukrainischen Einheiten kontrollierte Stadt Saporischschja liegt rund 60 Kilometer nordöstlich der Anlage.
Ermittlungen nach Explosion auf Krim-Brücke
Nach der Explosion und dem Brand auf der für Russland wichtigen Brücke zur annektierten ukrainischen Krim-Halbinsel sucht Moskau unter Hochdruck nach den Verantwortlichen. Russische Taucher sollten das beschädigte Bauwerk am Sonntag untersuchen. Bei der Detonation auf der Zug- und Autobahnbrücke waren am Samstag mehrere Tankwaggons in Brand geraten und Teile der Fahrbahn eingestürzt. Die russischen Behörden erklärten, eine Bombe in einem Lkw sei explodiert. Es habe drei Tote gegeben.
Wer hinter der Explosion stecken könnte, blieb zunächst im Dunkeln. Moskau vermied direkte Schuldzuweisungen an die Ukraine. Der Präsident des von Russland auf der Krim eingesetzten Regionalparlaments, Wladimir Konstantinow, sprach aber von einem Angriff durch "ukrainische Vandalen". Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak betonte dagegen, der explodierte Lastwagen sei aus Russland gekommen, dies weise "eindeutig auf eine Spur nach Russland hin".
Bei dem Besitzer des Lastwagens handelt es sich nach russischen Angaben um einen Einwohner der südrussischen Region Krasnodar. Sein Haus wurde demnach durchsucht.
Putin beruft Sicherheitsrat ein
Über die nach der Annexion der Krim durch Russland gebaute Brücke rollt wichtiger Nachschub für russische Invasionstruppen in der Südukraine. Russische Staatsmedien bezeichneten die Explosion als "Notfall", nicht als Angriff. Die Behörden bemühten sich auch, die Auswirkungen der Schäden an dem Bauwerk herunterzuspielen. Der Auto- und Zugverkehr über die Brücke wurde nach russischen Angaben bereits wieder aufgenommen. Die Passagier-Fernzüge zwischen Russland und der Krim verkehrten demnach am Sonntag "nach Fahrplan".
Präsident Putin verschärfte in einer Reaktion die Sicherheitsmaßnahmen für die Brücke. Der Inlandsgeheimdienst FSB solle sich um den Schutz der Brücke und der Energie-Infrastruktur zwischen der Krim und Russland kümmern, hieß es in einem am Samstagabend unterzeichneten Erlass.
Putin will am Montag nach Angaben des Kreml eine Sitzung des russischen Sicherheitsrates leiten. Ob es dabei um die Brücke gehen wird, ist allerdings unklar. Nach den jüngsten Niederlagen in der Ukraine hatte die russische Armee am Samstag den Kommandeur ihrer Ukraine-Offensive ausgetauscht. Armeegeneral Sergej Surowikin sei zum Kommandeur der Truppen "im Gebiet des militärischen Spezialeinsatzes" in der Ukraine ernannt worden, gab das Verteidigungsministerium in Moskau bekannt.
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Karte: Die militärische Lage in der Ukraine
Mit Material von AP und AFP.
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