Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten an Nord Stream 1, die in der Regel zehn Tage dauern. Dann fließt kein Gas durch die Pipeline. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.
Um das Risiko eines Ausbleiben des Gases beziffern zu können, müsste man in den Kopf des russischen Präsidenten Wladimir Putin gucken können, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung "Die Zeit" am Samstag. "Aber man sieht ein Muster, und das kann zu diesem Szenario führen." Man habe es mit "einer quasi wirtschaftskriegerischen Auseinandersetzung" zu tun. Das russische Kalkül sei es dabei, die Preise in Deutschland hochzuhalten, um damit "die Einheit und Solidarität des Landes zu zerstören".
Auf die bisherige Verminderung russischen Gases könne logischerweise der nächste Schritt kommen. Ob Putin tatsächlich das Gas ganz abdrehe, sei aber unklar. "Die Frage ist: Macht er es wirklich?" Ausgeschlossen sei es nicht, bekräftigte Habeck.
Preisexplosion bei einigen Stadtwerken möglich
Mit Blick auf Versorger wie den in Not geratenen größten deutschen Gasimporteur Uniper sagte der Minister: "Die Unternehmen, die jetzt sehr viel russisches Gas haben, die haben ein echtes Problem." Entweder der Staat unterstütze sie mit Steuergeld. "Oder man erlaubt den Unternehmen, die Preise weiterzugeben." Dies sei im Energiesicherungsgesetz vorgesehen. Gespräche über eine wohl nötige Änderung des Gesetzes liefen in der Koalition.
Ein Paragraf, der den Unternehmen erlauben würde, die Preise außerhalb der Vertragsbindung weiterzugeben, sei bisher aber nicht aktiviert worden. Denn dies sei "ein sehr, sehr scharfes Schwert". "Das würde bedeuten, dass man für einige Stadtwerke, die dann mit ihren Kunden zu tun hätten, sofort eine Preisexplosion haben würde." Die Regierung arbeite noch an anderen Möglichkeiten, "die vielleicht den Keil nicht so scharf in die Gesellschaft treiben".
"Viele Verbraucher werden schockiert sein"
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Viele Verbraucher werden schockiert sein, wenn sie Post von ihrem Energieversorger bekommen. Durch das, was Putin uns bei Nord Stream 1 beschert, ist eine Verdreifachung drin." Wenn der Gasfluss aus Russland "motiviert länger anhaltend abgesenkt wird, müssen wir ernsthafter über Einsparungen reden", sagte Müller. Die zwölf Wochen bis zum Beginn der Heizsaison müssten für Vorbereitungen genutzt werden.
Habeck setzt beim Gassparen zunächst weiter auf Freiwilligkeit, wie er sagte. Falls Gassparen vorgeschrieben werden müsste, hänge dies auch von den Netzen ab. Es werde dann wahrscheinlich zu Lasten derjenigen Fabriken geregelt, die nicht in einem gemischten Netz hingen, das auch die geschützten Privathaushalte versorge. Dem Präsidenten der Bundesnetzagentur zufolge würden im Falle eines russischen Gas-Lieferstopps Privathaushalte ebenso wie Krankenhäuser oder Pflegeheime besonders geschützt.
Müssten Industriebetriebe von der Gasversorgung getrennt werden, "orientieren wir uns am betriebswirtschaftlichen Schaden, am volkswirtschaftlichen Schaden, an den sozialen Folgen und auch an den technischen Anforderungen des Gasnetzbetriebs", sagte Müller. Müller rief zum Überprüfen und gegebenenfalls effizienter Einstellen von Gasbrennwertkesseln und Heizkörpern auf.
Aiwanger appelliert an Unternehmen
Zum Gas-Sparen rief auch der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger auf. Er betonte zugleich, es müsse allen bewusst sein, dass Einsparungen beim Gasverbrauch bei vielen Unternehmen, beispielsweise in der Glas- oder chemischen Industrie, nicht oder nur sehr begrenzt möglich seien. "Umso wichtiger ist es, dass alle Unternehmen ihr Möglichstes tun, um Gas zu sparen und dadurch eventuell auch anderen Unternehmen helfen, ihren Geschäftsbetrieb über den Winter aufrechtzuerhalten", sagte Aiwanger und appellierte an die Solidarität der Unternehmen.
- Zum Artikel: "Tipps vom Heizungsbauer: So sparen Sie Geld beim Gas"
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