Lange haben SPD und CDU/CSU darum gerungen, ab 2021 soll sie kommen: die Grundrente, die Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen zugutekommt. Noch liegt der endgültige Gesetzesentwurf nicht vor, und ob es die Grundrente tatsächlich geben wird, hängt auch von der Zukunft der Großen Koalition ab. Unter Landwirten auch in Bayern kursiert allerdings schon jetzt der Vorwurf, Bauern seien von der Grundrente ausgeschlossen.
"Die Große Koalition hat bei der Grundrente die Bauern vergessen", heißt es auf dem Fachportal agrarheute des Deutschen Landwirtschaftsverlags. Auch dem Deutschen Bauernverband fehlen im Gesetzesentwurf zur Grundrente Regelungen für die Alterssicherung der Landwirte. Für Landwirte kommt das zu einer Zeit, in der sie ohnehin schon nicht gut auf die Bundesregierung zu sprechen sind: Seit Monaten demonstrieren sie deutschlandweit immer wieder gegen das Agrarpaket der Bundesregierung und gegen die angebliche "Stimmungsmache" gegen Bauern. Der #Faktenfuchs prüft, was an den Behauptungen zur Grundrente dran ist.
Haben Landwirte und andere Selbstständige keinen Anspruch auf Grundrente?
Die erste Voraussetzung dafür, die Grundrente bekommen zu können, ist: Man muss über die gesetzliche Deutsche Rentenversicherung versichert sein. Die Grundrente soll eine Leistung daraus sein und bezieht sich deshalb nur auf deren Beitragszahler.
Die gesetzliche Versicherungspflicht gilt aber nicht für die meisten Selbstständigen sowie Beamte, Richter und Soldaten. Auch Bauern sind - anders als beispielsweise selbstständige Handwerker, Hebammen oder Erzieher - nicht bei der Deutschen Rentenversicherung pflichtversichert.
Bauern sind im Normalfall über die landwirtschaftliche Alterskasse pflichtversichert, ein Sondersystem für selbstständig tätige landwirtschaftliche Unternehmer, deren Ehepartner und mitarbeitende Familienangehörige.
Zweite Voraussetzung für die Grundrente: Nur wer mindestens 35 Jahre in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt hat, wird laut Arbeitsministerium bei der Einkommensprüfung für den Anspruch darauf berücksichtigt. "Ausgeschlossen sind unabhängig vom ausgeübten Beruf diejenigen, die die erforderlichen Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht aufweisen", schrieb ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums an BR24.
Das heißt, dass ohnehin nicht alle Menschen in Deutschland Grundrente bekommen können. Anspruch hätten nach Schätzungen des Arbeitsministeriums bis zu 1,5 Millionen Menschen in Deutschland, viele davon Frauen.
Beitragsjahre von Bauern bei der landwirtschaftlichen Alterskasse zählen bei den erforderlichen 35 Versicherungsjahren für die Grundrente aber nicht mit, weil es ein von der gesetzlichen Rentenversicherung getrenntes Sondersystem ist. Dadurch erfüllen viele Bauern die Voraussetzungen nicht, um die geplante Grundrente zu erhalten. Das geht aus einem Statement des Arbeitsministeriums an BR24 hervor.
Welche Landwirte können trotzdem Anspruch auf Grundrente haben?
Allerdings gibt es Ausnahmen: Langjährige Nebenerwerbslandwirte können einen Anspruch auf die Grundrente haben, wenn sie lange genug Beiträge aus ihrem Hauptberuf in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Das bestätigte das Arbeitsministerium BR24.
Wer Nebenerwerbslandwirt ist, kann nämlich die Befreiung aus der landwirtschaftlichen Alterskasse beantragen und sich auf Antrag über die gesetzliche Rentenkasse pflichtversichern. Entscheidend für die Befreiung aus der Kasse der Landwirte ist die Einkommensprognose aus ihren unterschiedlichen Arbeitsbereichen, wie das Bundessozialgericht im März 2019 entschied. Und wer die Vorgaben der landwirtschaftlichen Alterskasse nicht erfüllt, weil er zu wenig Fläche bewirtschaftet und nur geringen Viehbestand hat, ist dort gar nicht erst pflichtversichert. Auch dann ist es möglich, sich über die gesetzliche Rentenkasse zu versichern.
Warum gibt es keine Ersatzregelung für Landwirte?
Walter Heidl, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands, sagt, er vermisse bei der Grundrente "entsprechende Regelungen für die im Sondersystem der Alterssicherung der Landwirte pflichtversicherten Bauernfamilien". Auch Otmar König vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband kritisiert, dass bislang eine entsprechende Aufstockungsregelung für Rentner der landwirtschaftlichen Alterskasse fehle. Braucht es also Sonderregelungen für Bauern und andere Selbstständige, die nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und somit nicht die nötigen Beitragsjahre sammeln können?
Laut dem Bundesarbeitsministerium könne die Grundrente aus zwei Gründen nicht auf das System der Alterssicherung der Landwirte übertragen werden:
Die Alterskasse der Landwirte erhebt anders als die gesetzliche Rentenversicherung einen einkommensunabhängigen Einheitsbeitrag. Einkommensschwächere Landwirte erhalten gestaffelte Beitragszuschüsse. Es bestehe daher aus Sicht des Arbeitsministeriums kein Bedarf, unterdurchschnittliche Einkommen bei der Rente durch einen Zuschlag aufzuwerten. "Dies wäre letztlich auch eine doppelte Begünstigung der Landwirte", sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Außerdem sei die Rentenkasse der Landwirte – anders als die gesetzliche Rentenversicherung – nur eine Teilsicherung für das Alter. So ist es auch bei den Rentenversicherungen vieler anderer Selbstständiger. Bauern müssten in noch höherem Maße als gesetzlich Versicherte privat vorsorgen, vor allem indem sie ihren Betrieb verpachten. "Darauf konnten und mussten sich die aktiven Landwirte und mitarbeitenden Familienangehörigen einstellen", so ein Sprecher des Ministeriums.
Wird sich daran noch etwas ändern?
Zurzeit arbeitet die Regierung noch am Gesetzesentwurf, in dem sie die geplanten Regelungen zur Grundrente festlegt. Nach einem Referentenentwurf des Arbeitsministeriums vom Mai vergangenen Jahres einigte sich die Regierung im November auf Kompromisse und es stehen noch Änderungen an: Zum Beispiel wollte die SPD eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, womit die Union nicht einverstanden war. Nun ist für die Grundrente eine Einkommensprüfung geplant. Statt 2,5 Millionen Rentnern könnten so laut Arbeitsministerium zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Menschen die Grundrente erhalten.
Landwirtschaftsministerium prüft ergänzende Maßnahmen für Landwirte
Otmar König vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband sprach in einer Stellungnahme davon, dass für die Landwirte nun noch angepasste Lösungen gefunden werden sollten, da es in der Alterskasse der Landwirte auch "vergleichbare Personengruppen mit Unterstützungsbedarf" gebe.
Abgesehen vom Standpunkt des Arbeitsministeriums sagte eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums BR24 allerdings, dass das Landwirtschaftsministerium derzeit prüfe, ob "andere flankierende Maßnahmen für die Landwirte in diesem Bereich möglich sind".
Ganz anders könnte es wieder aussehen, falls künftig auch Selbstständige in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen sollen. Der Koalitionsvertrag nennt als ein Ziel die "Einbeziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung mit Opt-out-Lösung und Altersvorsorgepflicht". Wenn das umgesetzt wird, könnten in Zukunft auch Selbstständige als Beitragszahler Anspruch auf die Grundrente haben.
Fazit:
In den aktuellen Plänen der Bundesregierung ist laut Arbeitsministerium keine Grundrente für selbstständige hauptberufliche Bauern und ihre Familien vorgesehen. Der Grund ist, dass sie normalerweise in der landwirtschaftlichen Alterskasse rentenversichert sind und nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen – genau wie der Großteil der Selbstständigen in Deutschland. Nur wer 35 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlt und dem Einkommen nach als bedürftig eingestuft wird, kann die Aufstockung der Grundrente erhalten.
Das Arbeitsministerium verweist darauf, dass einkommensschwächere Bauern bereits Beitragszuschüsse zur Rentenversicherung in der landwirtschaftlichen Alterskasse erhalten würden. Die Grundrente für Landwirte wäre aus seiner Sicht eine "doppelte Begünstigung". Das Landwirtschaftsministerium will aber laut einer Sprecherin "flankierende Maßnahmen" für die Landwirte prüfen.
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