Christoph Heusgen, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz
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Heusgen: Scholz soll in China auf Druck gegen Russland pochen

Nach der folgenschweren Abhängigkeit von Russland rückt nun China in den Fokus. Kanzler Scholz plant einen Kurztrip. Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Heusgen sieht darin eine Gelegenheit, die Russland-Position beim G20-Gipfel abzuklären.

Die anstehende China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist schon jetzt brisant. Viele Forderungen werden an ihn herangetragen, manche finden die Reise aktuell ganz falsch. Nach Ansicht des Chefs der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, muss Scholz beim chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping auf Druck gegen Russland pochen.

Heusgen: Putin darf bei Gipfel nicht ungeschoren davonkommen

"Es ist richtig, vor dem G20-Gipfel mit dem chinesischen Präsidenten und anderen Teilnehmern über die dortige Agenda zu reden und den Punkt zu machen, dass ein Wladimir Putin, der wahrscheinlich zu dem Gipfel kommt, dort nicht ungeschoren davonkommen darf", sagte er den russischen Präsidenten betreffend zum "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Mitte November treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten auf der indonesischen Insel Bali. Zuvor, am 4. November, ist Scholz für einen "Tagesausflug" in China.

Russland als "Tankstelle Chinas"

Wenige Chancen sieht Heusgen im Hinblick auf die Rolle Pekings im Russland-Ukraine-Krieg: "Die Hoffnung aber, China aus dem russischen Feld herauszuholen, ist eine Illusion." Denn Russland sei für China ein sehr wichtiger Rohstofflieferant. Moskau wiederum sei abhängiger von China geworden, nachdem sich das Land durch den Angriffskrieg isolierte. "Das passt Präsident Xi Jinping", sagte Heusgen. Russland schlüpfe zunehmend in die Rolle der "Tankstelle Chinas".

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt an einer Sitzung des Bundestags teil.
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Bundeskanzler Olaf Scholz will demnächst nach China reisen. Vorab werden mehrere Forderungen artikuliert.

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Angesichts einer möglichen Teilnahme Putins beim G20-Gipfel diskutierten Politiker immer wieder, das Treffen zu boykottieren. Davon hielt Heusgen aber nichts, für einen Boykott seien die Themen zu wichtig. Aber: "Gleichzeitig sollte Putins Isolation deutlich werden: Also kein Händeschütteln, kein harmonisches Familienfoto." Auch inhaltlich sollten Differenzen klar gemacht werden.

Bandbreite an Themen - Wirtschaftsdelegation dabei

Bei den Gesprächen werde es "um die gesamte Bandbreite unserer Beziehungen zu China gehen", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit im Vorfeld. Zudem würden internationale Themen wie der Kampf gegen den Klimawandel, der Krieg in der Ukraine und Spannungen in Ostasien behandelt.

Der Regierungssprecher verwies darauf, dass Scholz immer wieder gesagt habe, er sei kein Freund davon, sich von China abzuwenden. Der Kanzler sage aber auch, es gehe darum, Abhängigkeiten zu verringern und Risiken zu minimieren, etwa mit Blick auf Lieferketten oder die Rohstoffversorgung. Eine Wirtschaftsdelegation wird Scholz begleiten.

  • Zum Artikel: "Chinas Machtverhältnisse - Ändert sich Beziehung zu Deutschland?"

Abhängigkeiten lösen, aber Wirtschaft im Blick haben

Politiker der Ampel-Koalition forderten bereits eine klare Positionierung in Bezug auf die Volksrepublik. Im Umgang mit China dürfe Deutschland "nicht die gleichen Fehler wiederholen, die wir mit Russland gemacht haben", warnte beispielsweise Juso-Chefin Jessica Rosenthal. Auch die deutsche Wirtschaft dringt auf ein robusteres Auftreten gegenüber Peking.

"Einseitige Abhängigkeiten müssen wir rasch abbauen", sagte der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie, Siegfried Russwurm. Doch angesichts der aktuellen Bedeutung Chinas für Deutschland steht Scholz vor einer schwierigen Aufgabe: Denn laut Statistischem Bundesamt war China 2021 nach vorläufigen Ergebnissen mit 246,1 Milliarden Euro erneut wichtigster Handelspartner. "Politisch und wirtschaftlich ist eine Entkopplung von der Volksrepublik weder wünschenswert noch sinnvoll", hieß es daher auch von BDI-Chef Russwurm.

Merz kritisiert Zeitpunkt der Reise

CDU-Chef Friedrich Merz mahnte zuletzt eine Überprüfung des deutschen Verhältnisses zu China an. "Zu einem schlechteren Zeitpunkt könnte er gar nicht fahren", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" darüber hinaus.

Mit Blick auf die Entscheidung der Bundesregierung zu einem chinesischen Einstieg bei einem Containerterminal des Hamburger Hafens meinte Merz, offenbar glaube der Kanzler noch immer an die Theorie vom Wandel durch Handel. "Und ausgerechnet jetzt fliegt er auch noch nach China, eine Woche nach diesem Parteitag der Kommunistischen Partei, wo offen mit militärischer Gewalt gegen Taiwan gedroht und der Vorgänger von Xi Jinping unter den Augen der Weltöffentlichkeit aus dem Saal abgeführt wurde."

Mit Informationen von AFP und dpa

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