Es ist eine Nachricht, die der Welt die Brutalität des iranischen Regimes vor Augen führt: Gestern wurde der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd im Iran hingerichtet. 1955 im Iran geboren und in Deutschland aufgewachsen, zog Sharmahd Anfang der 2000er Jahre in die USA, wo er sich in der iranischen Opposition engagiert hat. Schon dort hat der Iran 2009 versucht, ihn zu ermorden. Auf Geschäftsreise in Dubai 2020 wurde Sharmahd dann vom iranischen Geheimdienst entführt und im Iran inhaftiert. Im Frühjahr dieses Jahres folgte das Todesurteil.
Geständnisse unter Folter
Jamshid Sharmahd sei ein Kritiker des iranischen Regimes gewesen, erklärt die deutsch-iranische Journalistin und Autorin Gilda Sahebi die Motive hinter der Tat. "Er hat in den USA eine oppositionelle Website gegründet und war sehr laut und engagiert." Das Regime lebe von der Angst der Iranerinnen und Iraner und deswegen sei es "sehr wichtig, dass es gerade laute Stimmen zum Schweigen bringt – und Jamshid Sharmahd war so eine Stimme."
Sharmahd wurde Terrorismus vorgeworfen, im Fernsehen ausgestrahlte Geständnisse sind mutmaßlich unter Folter entstanden. Das habe Methode, so Gilda Sahebi, denn "das iranische – in Anführungszeichen – Rechtssystem basiert allein auf Gewalt. Politische Gefangene werden durch Folter und Gewalt zu Geständnissen gezwungen und diese Geständnisse sind dann wiederum Grundlage für Verurteilungen." Die Richter seien keine Juristen, sondern Kleriker, die nur ausführen würden, was ihnen gesagt wird.
Bundesregierung bestellt Irans Botschaftsleiter ein
Die Hinrichtung von Jamshid Sharmahd sei "ein Skandal", den er "auf das Schärfste verurteile", schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf X, und weiter: "Die Bundesregierung hat sich immer wieder intensiv für Herrn Sharmahd eingesetzt. Mein tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie."
Ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/ Die Grünen) auf X (externer Link). Das Außenministerium habe sich "unermüdlich für Jamshid Sharmahd eingesetzt" und "mehrfach ein hochrangiges Team" nach Teheran entsandt. Das Auswärtige Amt bestellte zudem den Leiter der iranischen Botschaft ein und behält sich weitere Maßnahmen vor. Auch die EU erwäge Maßnahmen als Reaktion auf die Hinrichtung, erklärte EU-Chefdiplomat Josep Borrell.
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), der eine politische Patenschaft für Sharmahd übernommen hatte, sprach auf X von einem "scheußlichen Verbrechen" und nannte den Prozess einen "Hohn für die internationalen Maßstäbe an rechtsstaatliche Verfahren."
Kritik an Bundesregierung
Jamshid Sharmahds in den USA lebende Tochter Gazelle hingegen klagte die Bundesregierung – sowie die Regierung der USA – auf X an: "Was haben sie (#USA & #Deutsche) vier Jahre lang getan, als ihr deutsch-amerikanischer Staatsbürger in Dubai entführt und gewaltsam in den Iran verschleppt wurde? Was können sie vorweisen, außer der Tatsache, dass sie dich [Jamshid Sharmahd, Anm. d. Red.] bei jeder #Geiselverhandlung im Stich gelassen haben?"
Auch Gilda Sahebi wirft der Bundesregierung mangelndes Engagement für Jamshid Sharmahd vor: "Dass die Bundesregierung sich unermüdlich eingesetzt habe, ist nachweislich nicht richtig", so die Journalistin. Andere europäische Regierungen hätten mehr Engagement für politische Gefangene ihrer jeweiligen Staatsangehörigen gezeigt. "Die haben diese politischen Gefangen ganz offen als politische Geißeln bezeichnet. Das hat die Bundesregierung nie getan."
Gazelle Sharmahd fordert eine Überweisung des Leichnams ihres Vaters in die USA und eine Bestrafung der Verantwortlichen im Iran. Sie fühle sich ignoriert von der US-amerikanischen und der deutschen Regierung. "Die Tochter von Jamshid Sharmahd hat heute morgen auf Instagram geschrieben", so Gilda Sahebi, "dass es nicht mal einen Anruf gab von der Bundesregierung – wenn der eigene Staatsbürger ermordet wird. Und das, finde ich, spricht schon Bände."
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!