Schild mit Aufschrift Erdgasförderung vor Wellen,
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Hochsee-Schutzabkommen: Deutschland unter ersten Unterzeichnern

Hochsee-Schutzabkommen: Deutschland unter ersten Unterzeichnern

Nach langem Ringen liegt das erste internationale Hochsee-Schutzabkommen vor. Deutschland will zu den ersten Staaten gehören, die das Abkommen unterzeichnen. Doch es sind noch viele Fragen ungeklärt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Nach jahrelangem Ringen liegt das erste internationale Hochsee-Schutzabkommen vor. Ab Mittwoch steht das UN-Abkommen zur Unterzeichnung bereit und Deutschland will zu den ersten Staaten gehören, die beitreten. An der Unterzeichnungszeremonie in New York nehmen Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) teil.

  • Zum Artikel: Verschmutzte Weltmeere: Plastik fressende Bakterien als Retter?

Schutzgebiete außerhalb der Wirtschaftszonen

Für den Schutz der Artenvielfalt und des Klimas ist das Abkommen von besonderer Bedeutung. Erstmals sind Schutzgebiete außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen einzelner Länder vorgesehen. In diesen Zonen, die sich maximal 200 Seemeilen weit ins Meer erstrecken, hat der jeweilige angrenzende Küstenstaat exklusive Rechte bei Fischerei und an den Bodenschätzen. Dass die Schutzgebiete nun auch außerhalb dieser Zonen vorgesehen sind, ist deshalb wichtig, weil sich dort mehr als 60 Prozent der Meeresgebiete befinden. Die Meeresökosysteme erzeugen etwa die Hälfte des Sauerstoffs, den die Menschen zum Atmen brauchen, und absorbieren massenhaft klimaschädliches Kohlendioxid.

Mindestens 60 Staaten müssen das Hochsee-Schutzabkommen ratifizieren. 120 Tage später tritt es in Kraft. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte des Abkommens - und weiterhin ungeklärte Fragen:

Ökosystem der Meere soll geschützt werden

Das Abkommen erkennt die Notwendigkeit an, gemeinsam und abgestimmt "den Verlust der Artenvielfalt und die Schwächung der Ökosysteme der Meere" zu bekämpfen. Dabei geht es unter anderem um die Erwärmung der Meere, ihren Verlust an Sauerstoff und ihre Versauerung. Auch die Plastikmüllflut in den Weltmeeren und das Einleiten anderer Verunreinigungen sowie die Überfischung sollen bekämpft werden.

Das Abkommen sieht Schutzgebiete für marine Ökosysteme vor, die bedeutend sind für bedrohte Arten. Aus den Schutzgebieten soll ein Netzwerk entstehen, das Korridore für die sichere Wanderung von Tieren wie etwa Walen erlaubt. Wissenschaftler und Umweltorganisationen haben bereits ein Dutzend potenzieller Hochsee-Schutzgebiete identifiziert.

Für die Umsetzung des neuen Abkommens müssen auch regionale Fischereibehörden und die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) mit ins Boot geholt werden. Die ISA vergibt für bestimmte Meeresgebiete Genehmigungen für Tiefseebohrungen etwa nach Erdgas.

Mehr Schutzgebiete: Bis wann - und wie kontrollieren?

Derzeit liegen alle Meeresschutzgebiete in nationalen Gewässern. Bis zur Schaffung der ersten Schutzgebiete außerhalb dieser Meeresgebiete auf Vorschlag von einem oder mehreren Staaten dürften Jahre vergehen. Leitlinie ist das Ziel, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Erd- und Meeresflächen als Schutzgebiete auszuweisen.

Eine Schwachstelle in dem neuen Abkommen ist, dass es nicht festhält, wie die Schutzmaßnahmen überwacht oder gar gegen Widerstand durchgesetzt werden. Patrouillen in riesigen Meeresgebieten fernab der Küsten scheinen unrealistisch. Manche Experten schlagen vor, Satelliten zu nutzen. Wer die Überwachung bezahlen soll, ist ebenfalls noch ungeklärt.

Pflicht zu Prüfverfahren - Staaten geben selbst Genehmigung

Das Abkommen verpflichtet die Unterzeichner, die Umweltauswirkungen geplanter Aktivitäten auf hoher See vorab zu prüfen. Außerdem sollen sie prüfen, ob Aktivitäten in ihren eigenen nationalen Gewässern eine "substanzielle Verschmutzung" oder anderen Schäden für die Hochsee bedeuten. Anders als von Umweltorganisationen erhofft, obliegt es aber den einzelnen Staaten und nicht der internationalen Gemeinschaft, Nutzungsgenehmigungen zu erteilen.

Die Vertragsstaaten müssen die Daten zu den Auswirkungen ihrer Aktivitäten in den Weltmeeren aktualisieren und veröffentlichen. Auf dieser Grundlage können erteilte Nutzungsgenehmigungen angefochten werden.

Gerechte Verteilung der Hochsee-Nutzung

Das Abkommen sieht vor, dass alle Staaten in der Hochsee tierisches, pflanzliches und mikrobielles Material sammeln dürfen, um dessen Erbinformationen zu nutzen, auch kommerziell. So wurden in Mikroben im Meeressediment, in Schwämmen und Weichtieren bereits Moleküle entdeckt, die bei der Behandlung von Krebs oder anderen Krankheiten helfen könnten.

Dass der Gewinn aus derartiger Hochsee-Nutzung zwischen reichen und armen Ländern gerecht verteilt wird, war ein Knackpunkt bei den Verhandlungen. Das Abkommen enthält nun eine Rahmenvereinbarung über den Transfer entsprechender Technologien an Entwicklungsländer und eine Stärkung ihrer Forschungskapazitäten sowie einen uneingeschränkten Zugang zu Daten über die Hochsee.

Wie genau eventuelle finanzielle Gewinne aus der Nutzung der natürlichen Ressourcen der Hochsee verteilt werden, muss die internationale Gemeinschaft allerdings noch genau festlegen.

Zum Audio vom 13. September: Bundesumweltministerin Steffi Lemke zum Hochsee-Schutzabkommen

16.09.2023, Schleswig-Holstein, Fehmarn: Steffi Lemke hält ein Fernglas.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Georg Wendt
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16.09.2023, Schleswig-Holstein, Fehmarn: Steffi Lemke hält ein Fernglas.

Unesco warnt vor weiterer Öl- und Gasförderung im Wattenmeer

Wie wichtig der Schutz der Meere – auch in Küstennähe – ist, zeigt derweil die jüngste Forderung der Unesco: Die UN-Kulturorganisation drängte Deutschland und die Niederlande, von einer Öl- und Gasförderung sowie der Salzgewinnung im zum Welterbe erklärten Wattenmeer und seiner direkten Umgebung abzusehen. Die Rohstoffgewinnung sei mit dem Welterbe-Status des Wattenmeers unvereinbar, erklärte die Welterbe-Kommission der Unesco während ihrer laufenden Sitzung im saudi-arabischen Riad. Von Probebohrungen und einem weiteren Vorantreiben solcher Projekte solle Abstand genommen werden. Beim Anlegen neuer Stromleitungen zu Offshore-Windparks müssten Maßnahmen zum Schutz des Wattenmeers getroffen werden, mahnte die Unesco an.

Zu den kritisierten Vorhaben gehören mehrere Gas-Förderprojekte im Wattenmeer oder in unmittelbarer Nähe davon, etwa vor der Emsmündung und den Inseln Borkum und Schiermonnikoog.

Umwelthilfe fordert Stopp von umweltschädlichen Projekten

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die niederländische Umweltorganisation Waddenvereniging und World Heritage Watch forderten nach der kritischen Stellungnahme der Unesco den sofortigen Stopp von umwelt- und klimaschädlichen Projekten im Wattenmeer. "Eine weltweit einzigartige Landschaft gerät unter die Füße der fossilen Lobby und die zuständigen Regierungen schauen tatenlos zu", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Unter dem Deckmantel der Energiekrise wolle man neue fossile Bohrungen im Wattenmeer erlauben, die Projekte aber seien für die Energiesicherheit nicht nötig und gefährdeten den Klima- und Artenschutz.

Mit Informationen von AFP und dpa

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