Wer in letzter Zeit mit einem ICE durchs Land gefahren ist, hat es vielleicht schon mitbekommen: Aus aktuellem Anlass gibt es bei der Bahn im Moment auch Durchsagen auf Ukrainisch. Mehr als 200.000 Menschen aus dem kriegsversehrten Land haben laut Deutscher Bahn seit Anfang März kostenlos Züge des Staatskonzerns genutzt.
Tag für Tag würden Tausende Geflüchtete an ihr vorläufiges Ziel gebracht. Angesichts der Lage in der Ukraine sei es selbstverständlich zu helfen, sagt Bahnchef Richard Lutz zu Beginn der Bilanz-Pressekonferenz in Berlin.
Bahn macht 2021 Milliardenverlust
Und so steht auch dieser Termin zunächst im Zeichen des Ukraine-Kriegs. Dann aber kommt der Manager auf die Zahlen zu sprechen, die Aufschluss über die Lage seines Unternehmens geben. Und die sind nach wie vor durchwachsen.
Der Umsatz stieg im Geschäftsjahr 2021 laut Bahn auf 47,3 Milliarden Euro. Ein Plus von mehr als 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings weist die Bilanz unterm Strich einen operativen Verlust von 1,6 Milliarden Euro aus. Das ist weniger als im Krisenjahr 2020 – aber immer noch ein dickes Minus.
Nach Rückgang durch Corona wieder mehr Fahrgäste
Als Grund dafür sieht das Bahn-Management die Corona-Pandemie. Ein Balkendiagramm, das bei der digitalen Pressekonferenz eingeblendet wird, soll diesen Zusammenhang veranschaulichen.
Es zeigt, wie die Nachfrage während der zurückliegenden Corona-Wellen jeweils eingebrochen ist, um sich dann wieder zu erholen. Zu Beginn der Pandemie führte das zu einem Einbruch der Fahrgastzahlen, inzwischen aber hat sich die Situation stabilisiert, wie aus der Bilanz für 2021 hervorgeht.
Bahn zählt 82 Millionen Fahrgäste im Jahr 2021
Rund 82 Millionen Reisende hat die Deutsche Bahn im Fernverkehr gezählt. Eine Million mehr als 2020 – damals flossen allerdings noch zwei Monate ohne Pandemie und mit Fahrgast-Rekorden in die Bilanz ein. Daran will der Staatskonzern nun anknüpfen, denn: "Die Bahn wird mehr denn je gebraucht", sagt der Bahnchef. "Jeder Fahrgast und jeder Güterzug hilft dem Klimaschutz." Dem Unternehmen zufolge fahren Fernverkehrszüge innerhalb Deutschlands mit 100 Prozent Ökostrom.
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Laut Bahn fast zwei Drittel Ökostrom-Anteil
Insgesamt hätten erneuerbare Energien einen Anteil von fast zwei Dritteln am Strommix bei der Bahn. Dadurch sei der Staatskonzern ein Stück weit von der Entwicklung am Energiemarkt entkoppelt, so Lutz: "Putin hat Gott sei Dank keinen Einfluss auf […] Sonne und Wind." In diesem Jahr komme die Bahn wohl mit den höheren Energiepreisen zurecht. Höhere Ticketpreise sind laut Management zurzeit nicht geplant, langfristig werde man sich aber nicht von der Entwicklung auf den Energiemärkten abkoppeln können.
Ein Viertel der Züge im Fernverkehr unpünktlich
Neben den Ticketpreisen bewegt viele Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer die Frage nach der Pünktlichkeit. Und hier zeigen die Zahlen einen negativen Trend. Zwar erreichten 2021 drei Viertel der Fernverkehrszüge pünktlich ihr Ziel. Das heißt aber auch: Ein Viertel der Züge schaffte das nicht. Im Vorjahr waren die Zahlen besser. Die Bahn erklärt die Entwicklung mit besonderen Ereignissen wie der Flutkatastrophe und den Lokführerstreiks.
Bahn will mehr Kapazität auf der Schiene schaffen
Indirekt räumt der Staatskonzern aber ein, dass der Fehler bisher auch ein Stück weit im System liegt. Fehlende Kapazitäten im Schienennetz und mehr Baustellen blieben die größten Herausforderungen. Lutz vergleicht die Situation auf der Schiene mit der auf der Straße.
Wenn dort wegen einer Baustelle eine Fahrspur wegfalle, dann führe das in der Rushhour eben zu Staus – "das ist bei uns nicht anders". Die Bahn wolle weiterbauen, um mehr Kapazität auf der Schiene zu schaffen. Zugleich müsse man aber das "Spannungsfeld zwischen Fahren und Bauen besser managen und in den Griff bekommen".
Lutz verspricht bessere Pannen-Kommunikation
Auch die Kommunikation im Fall von Verspätungen oder Zugausfällen will der Bahnchef verbessern: "Wir sind auf einem guten Weg, aber nicht am Ziel", sagt Lutz auf Nachfrage des ARD-Hauptstadtstudios. Probleme gebe es vereinzelt bei großräumigen Störungen im Bahnverkehr – und ein Grund dafür sei, dass es an manchen Schnittstellen keine durchgängigen IT-Systeme gebe, sondern Daten dort von Hand eingegeben werden müssten. "Dann gibt es Stau auf der Datenautobahn."
Das heißt konkret: Informationen bleiben in einem System hängen und kommen nicht dort an, wo sie Fahrgäste erreichen – also beispielsweise auf der Anzeige am Bahnhof oder im Navigator, der Bahn-App. "Wir sind da dran", sagt Lutz und verspricht, "dass das in den nächsten Jahren so gelöst ist, wie sich die Kundinnen und Kunden das wünschen".
Bund will Milliarden in Schiene investieren
Geld für Investitionen ist jedenfalls vorhanden: Der Bund als Eigentümer der Bahn hat im Haushaltsentwurf fürs laufende Jahr rund 9,4 Milliarden Euro eingeplant. Damit werde mehr in die Schiene als in die Straße investiert. Ein Ziel, das sich die Ampel-Parteien bei den Koalitionsverhandlungen gesteckt hatten. Politischer Rückenwind also für den Bahnchef. Doch das bedeutet auch: Der Erwartungsdruck steigt, dass der Staatskonzern die Krise im Laufe des Jahres endgültig hinter sich lässt.
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