Viel hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der Vorstellung der jüngsten Pläne zur Cannabis-Legalisierung nicht dabei: Lediglich ein Eckpunktepapier stellt er vor. Dieses war zuvor vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Doch allein dieses Eckpunktepapier sorgt für kontroverse Diskussionen.
Cannabis kein Betäubungsmittel mehr?
Bis der Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt, wird es noch dauern. "Die Materie ist komplex", unterstreicht der Bundesgesundheitsminister. Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.
Die EU muss den Plänen zustimmen
Lauterbach rechnet frühestens im Jahr 2024 mit einer Legalisierung. Vorausgesetzt, es läuft alles gut – und das ist durchaus ungewiss. Zunächst gehen die Pläne der Bundesregierung an die Europäische Kommission. Noch heute würden sie an Brüssel übermittelt, so der Gesundheitsminister. Dort müsse nun geprüft werden, ob die Pläne nach Völkerrecht und europäischen Recht umsetzbar sind.
Er ist der Ansicht: "Dass die Ziele der UN- und der europäischen Verträge mit einer solchen Vorgehensweise besser umgesetzt werden." Nämlich den Jugend- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten und zu verbessern.
Gesetz könnte Vorbild für Europa werden
Erst wenn die EU grünes Licht gibt, will Lauterbach einen Gesetzentwurf vorlegen. Der SPD-Minister sagt: Kommt das Gesetz, wäre es einerseits das liberalste Legalisierungsprojekt in Europa, andererseits wäre es der am stärksten regulierte Cannabis-Markt in Europa. "Das könnte ein Modell für Europa werden", zeigt sich Lauterbach optimistisch.
Cannabis-Konsum ist deutlich gestiegen
"Wir müssen etwas tun", mahnt der Bundesgesundheitsminister. Der Ist-Zustand sei nicht gut und Cannabis oft eine Einstiegsdroge. Der Konsum sei in der Vergangenheit deutlich gestiegen, auch der Wirkstoff- beziehungsweise THC-Gehalt. Die psychoaktive Substanz trägt vor allem zur berauschenden Wirkung bei. Rund vier Millionen Erwachsene haben im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert, so Lauterbach. Bei manchen lässt sich ein "problematisches Suchtverhalten" beobachten. Sogar 25 Prozent der 18- bis 24-Jährigen greifen regelmäßig zu.
Wir haben keine Konzepte, die diese Entwicklung stoppen, erklärt Lauterbach. Einfach so weitermachen sei für ihn keine Option. "Wir wollen nicht den Cannabis-Konsum ausdehnen, sondern wir wollen einen besseren Kinder- und Jugendschutz sowie einen besseren Gesundheitsschutz."
Legalisierung soll Schwarzmarkt eindämmen
Deshalb wolle man jetzt etwas Neues auf den Weg bringen, eben die Legalisierung von Cannabis. Sie soll helfen, den Schwarzmarkt und den Verkauf von gestrecktem, gefährlichem Cannabis einzudämmen.
Das sind die Eckpunkte:
Nach dem Eckpunktepapier, das BR24 vorliegt, soll Cannabis künftig in lizenzierten Fachgeschäften verkauft werden, eventuell auch in Apotheken. Der Verkauf dürfe aber beispielsweise nicht in der Nähe von Schulen stattfinden und nur an Volljährige erfolgen. Die Menge, die verkauft werden darf, werde begrenzt. Der Erwerb und der Besitz von 20 bis 30 Gramm "Genusscannabis" soll für den Eigenbedarf straffrei sein. Geprüft wir noch, ob für unter 21-Jährige nur Cannabis mit einer Wirkstoffobergrenze verkauft werden darf.
Auch der private Eigenanbau soll in begrenzten Umfang erlaubt werden. Von "drei weiblich blühenden Pflanzen pro volljähriger Person" ist in dem Papier des Gesundheitsministeriums die Rede. Generell soll Cannabis in Deutschland aber durch staatlich lizenzierte und kontrollierte gewerbliche Anbauer angepflanzt und vertrieben werden.
Cannabis-Steuer soll kommen
Lauterbach schlägt vor, eine Cannabissteuer für den Verkauf einzuführen. Mit den Steuereinnahmen sollen Aufklärungs-, Präventions- und Jugendschutzkampagnen finanziert werden.
Kritik aus der Opposition
Während die Ampel-Parteien geschlossen hinter diesen Plänen stehen, lehnen Teile der Opposition eine Cannabis-Legalisierung ab. Vor allem von der CSU kommt Kritik. "Cannabis besitzt eine starke stimmungs- und wahrnehmungsverändernde Wirkung", mahnt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU).
Sorge vor gesundheitlichen Folgen
Der Konsum berge wesentliche und teils unwiderrufliche gesundheitliche und soziale Risiken. Jede Form der Verharmlosung sei völlig unverantwortlich. Der CSU-Politiker warnt des Weiteren vor einem Drogentourismus. "Es ist zu befürchten, dass eine Legalisierung in Deutschland auch Cannabis-Fans aus anderen europäischen Ländern anlockt."
Lauterbach hält dagegen
Dieses Argument lässt Karl Lauterbach jedoch nicht gelten. In vielen Ländern blühe der Schwarzmarkt, und er könne sich nicht vorstellen, dass Cannabis in Deutschland interessanter sei als im Ausland. Und sollte es Probleme geben, könne man flexibel reagieren – indem der Wohnort zur Voraussetzung für den Kauf von Cannabis werde.
Auch unter vielen Medizinern und Apothekern ist eine Legalisierung umstritten. Sie warnen vor den gesundheitlichen Gefahren des Cannabiskonsums und sorgen sich, dass ein straffreier Verkauf, Erwerb und Eigenanbau falsche Signale senden.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!