Die Vorfreude auf Fußball-Weltmeisterschaften ist normalerweise bei den meisten Fans sehr groß. Doch in diesem Jahr ist das anders. Bei einer Umfrage Würzburger Fanforscher unter mehr als 5.700 Fußball-Begeisterten gaben gut 70 Prozent an, sie wollten die Spiele diesmal nicht live sehen. Und mehr als jeder Zweite plant, den Fernseher dafür überhaupt nicht einzuschalten. Grund ist die umstrittene Vergabe der Weltmeisterschaft durch den Weltfußballverband FIFA und das negative Image des Gastgeberlandes Katar, wo es nach wie vor schlecht um die Lage der Menschenrechte bestellt ist.
Auch Prof. Harald Lange, Fan- und Fußballforscher an der Universität Würzburg, erklärt im BR24 Interview der Woche, dass er als Fan im Grunde "gar keine Vorfreude" verspüre. Andererseits freue er sich als Forscher aber auf viele wichtige und spannende Projekte in diesem Zusammenhang.
WM in Katar: Für Fan-Forscher "einzigartig seltsames Ereignis"
Es sei ein einzigartig seltsames Ereignis, mit dem er sich als Fan-Forscher beschäftigen könne, so Lange. Zu einer WM gehörten spätestens seit dem Sommermärchen 2006 – also der Weltmeisterschaft in Deutschland, bei der das eigene Team bis ins Halbfinale stürmte – immer auch Public Viewings, Partys und Autokorsos nach erfolgreichen Spielen. All das werde diesmal voraussichtlich nicht oder kaum stattfinden, auch weil diese WM im November und Dezember stattfindet.
Kaum Public Viewing
Volkswirtschaftlich gesehen seien eine WM oder eine Europameisterschaft gerade auch in Deutschland immer ein Meilenstein gewesen und hätten für volle Kassen gesorgt, so Lange. Bei den Veranstaltern von Public Viewing und den Verkäufern von Merchandising seien solche Großereignisse immer ein Garant für viel Umsatz gewesen. "Diese Bereiche, die brechen jetzt natürlich ein, weil inzwischen, glaube ich, fast alle großen Städte angekündigt haben, dass sie auf Public Viewing verzichten."
- zum Artikel: Katar: Wenn Fußballfans die WM boykottieren
Kluft zwischen Fans und Verbänden immer größer
Die Spaltung zwischen den Fans an der Basis und den Strategen, die die Fußgallgeschicke leiten, werde immer größer. Diese Entfremdung sei auf nationaler Ebene zu spüren, und auch auf internationaler. Für fußballbegeisterte Fans gebe es keine Möglichkeit, demokratisch mitzuwirken oder teilzunehmen. Das habe eine Studie ergeben, so Lange. Und der Unmut wird größer, je internationaler die Verbände seien, so wie bei der UEFA und der FIFA, so Lange weiter.
Fairplay - Fußball mit "Werten" verbunden
In vielen Kommentaren hinsichtlich der WM wird über "Werte" im Fußball geschrieben und gesprochen. Laut Prof. Lange ist im Sport aber eine ganz besondere Wertigkeit, Moral und Ethik verankert. Fairplay, Solidarität, Freundschaft und Gerechtigkeit seien Slogans, die in diesem Zusammenhang schnell fallen würden, so Lange.
Man müsse sich aber jetzt wieder vergegenwärtigen, ob noch nach diesen Maßstäben gehandelt werde und auch wirtschaftliche Abhängigkeiten erfragen, so der Fußballforscher. Weil niemand im Vorfeld wisse, wie ein Spiel ausgeht, weil alle die gleichen Chancen und Bedingungen hätten, sei die "Gerechtigkeit" im Sport und die Erwartungshaltung an den Sport besonders hoch.
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