Querdenker interpretieren Krankenhaus-Abrechnungen aus 2021 falsch - sie weisen keine ungewöhnlich hohe Zahl von Impfschäden nach. (Symbolbild)
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Querdenker interpretieren Krankenhaus-Abrechnungen aus 2021 falsch - sie weisen keine ungewöhnlich hohe Zahl von Impfschäden nach. (Symbolbild)

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#Faktenfuchs: Krankenhausabrechnungen belegen keine Impfschäden

#Faktenfuchs: Krankenhausabrechnungen belegen keine Impfschäden

Im Jahr 2021 tauchten in Krankenhaus-Statistiken rund 24.000 Mal Diagnosen zu Nebenwirkungen einer Impfung auf. Impfskeptiker nehmen dies als Beweis, dass es häufig Impfschäden nach Corona-Impfungen gebe. Doch die Daten sind falsch interpretiert.

  • Es kursiert die Behauptung, dass Krankenhausabrechnungen angeblich Tausende Impfschäden belegen.
  • Diese Daten sind aber falsch interpretiert und in einem falschen Kontext präsentiert.
  • Diagnosen sind kein letztgültiger Beweis für Nebenwirkungen und Experten bezeichnen viele Fälle als erwartbare Impfreaktionen.

Wer ins Krankenhaus geht, der hat meistens Beschwerden – doch was der Grund für den Klinikbesuch ist und wie gefährlich die Beschwerden sind, das ist nicht immer auf einen Blick nachzuvollziehen. Seit einigen Wochen präsentieren Impfskeptiker Krankenhausabrechnungen aus dem Jahr 2021 als angeblichen Beweis dafür, dass Corona-Impfungen gefährlich sein sollen.

Diese Abrechnungsdaten sollen angeblich zeigen, dass es seit Beginn der Corona-Impfungen mehr Impfnebenwirkungen und -schäden gebe, als von offiziellen Stellen erfasst wurden. Medien wie der russische Staatssender RT sowie der Blogger Boris Reitschuster greifen das Thema auf. Beide sind in der Vergangenheit durch die Verbreitung von Corona-Desinformation aufgefallen.

Der #Faktenfuchs hat zu diesen Abrechnungen recherchiert und ihre Aussagekraft von Expertinnen und Experten aus Krankenhäusern, Fachverbänden und Bundesbehörden einordnen lassen.

Was ist der Unterschied zwischen Impfreaktionen und Impfschäden?

Bevor wir auf die eigentliche Behauptung schauen, zunächst ein paar Definitionen. In Deutschland werden gesundheitliche Folgen einer Impfung in drei Kategorien eingeteilt. Den Begriff "Impfschaden" legt das Infektionsschutzgesetz fest, für die anderen beiden Kategorien wird hier die Definition des für die Seuchenbekämpfung zuständigen Robert Koch-Instituts (RKI) zitiert:

1) Impfreaktionen: Typische Beschwerden nach einer Impfung, wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen.

2) Impfkomplikationen/Impfnebenwirkungen: Das sind Fälle einer über das "übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung". Diese sind meldepflichtig und der Verdacht auf einen solchen Fall wird vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erfasst. Das PEI überwacht die Sicherheit der Impfstoffe in Deutschland.

3) Impfschäden: Ein Impfschaden ist "die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung". Die Abgrenzung zu Impfkomplikationen/-nebenwirkungen wird vor allem über die Dauer der Beschwerden vorgenommen, dazu später im Text mehr.

Krankenhaus-Diagnosen sollen "Impfschäden" beweisen

Die Behauptung, mit Krankenhausabrechnungen aus dem Jahr 2021 ließen sich angeblich "Impfschäden" belegen, geht zurück auf ein Interview von Ende Januar. Ein - nach eigenen Angaben - Informatiker und Datenanalyst sagt darin, dass es eine "dramatisch hohe Zahl" von Nebenwirkungen und Schäden nach der Corona-Impfung gebe, die im Krankenhaus behandelt werden müssten.

Als angeblichen Beleg für seine These zieht er Daten des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) heran. Das InEK ist eine gemeinnützige GmbH, deren Träger die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der Privaten Krankenversicherung sind.

Das InEK sammelt vereinfacht gesagt alle Daten der Behandlungen, die in deutschen Krankenhäusern abgerechnet werden. Über die Webseite der InEK kann man diese Daten nachlesen. Sie zeigen unter anderem die Diagnosen, die bei einer Behandlung im Krankenhaus gestellt wurden. Die Diagnosen werden nach einem weltweit gültigen Muster codiert.

Dieses Muster, in dem alle Codes verzeichnet sind, heißt ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO herausgegeben. Am 01. April 2021 wurde in die ICD der neue Schlüssel U12.9 aufgenommen. Der Text zu diesem Schlüssel lautet: "Unerwünschte Nebenwirkungen bei der Anwendung von COVID‐19‐Impfstoffen, nicht näher bezeichnet".

Zahlen kommen aus öffentlicher Datenbank

Der Informatiker nimmt im verbreiteten Video nun den neuen ICD-Schlüssel U12.9 und die ICD-Schlüssel Y59.9, T88.0 und T88.1. Diese Schlüssel wurden vor April 2021 für Impfnebenwirkungen verwendet und auch jetzt noch für Nicht-Corona-Impfungen. Innerhalb der Datenbank kann man sich anzeigen lassen, wie oft diese Diagnoseschlüssel vergeben wurden.

Er liest die InEK-Datenbank jeweils für die Jahre 2019, 2020 und 2021 aus, immer für den Zeitraum Jahresanfang bis Ende September. In 2019 tauchen bei seiner Auswertung für alle diese ICD-Schlüssel 903 Impfnebenwirkungen auf, in 2020 879 Fälle und in 2021 18.625 Fälle. Diese Steigerung bezeichnet er als "dramatisch hohe Zahl". Außerdem wurden laut ihm 2.153 Fälle mit diesen ICD-Schlüsseln auf Intensivstationen behandelt, 221 Fälle mit dem Schlüssel U12.9 seien verstorben.

Er spricht bei seinen Ausführungen immer wieder von "Impfschäden" und sagt: "In dem Moment, wo eine Hospitalisierung erfolgt, kann man davon ausgehen, dass es eine schwerwiegende, unerwünschte Reaktion auf Impfstoff ist."

  • Aktuelle Zahlen zur Corona-Impfung in Bayern und Deutschland

Experten: Interpretation der Daten ist nicht korrekt

Dass die Fallzahl so gestiegen sei, so behauptet er, erkläre sich nicht mit einem Anstieg der Gesamtzahl der Impfungen. Medien wie RT nehmen die Ausführungen des Informatikers als Beleg dafür, dass viele Menschen schwerwiegend durch die Impfung geschädigt werden.

Die Zahlen, die in der Analyse betrachtet werden, sind nicht falsch. Überprüft man die InEK-Datenbank auf die Daten aller vier ICD-Schlüssel für das gesamte Jahr 2021, dann wurden 23.951 Fälle mit einer Nebendiagnose für unerwünschte Nebenwirkungen bei Impfstoffen abgerechnet (Stand 21.03.2022). Nebendiagnose bedeutet bei diesen Fällen die vermeintliche Ursache, Hauptdiagnose ist die körperliche Beschwerde, wie zum Beispiel Kopfschmerzen.

Die Corona-Impfungen starteten nach Weihnachten 2020. Bis Ende 2021 – also in einem Jahr – wurden 148,8 Millionen Impfungen durchgeführt. In den Jahren 2002 bis 2020, vor der Corona-Pandemie, wurden pro Jahr zwischen 35 und 47 Millionen Impfungen durchgeführt.

Betrachtet man nur die Zahlen, dann ist rechnerisch korrekt, dass die Anzahl der Diagnosen stärker angestiegen ist als die Gesamtanzahl der Impfungen. Die Schlussfolgerung, dass dies die angebliche Gefährlichkeit der Corona-Impfung beweise, ist laut Experten aber nicht richtig. Konkret liegen zwei Fehler zugrunde: Die Annahme, diese Diagnosen seien automatisch nachgewiesene Nebenwirkungen, ist falsch. Ebenso wie jene, Menschen gingen nur mit schwerwiegenden Nebenwirkungen ins Krankenhaus.

Diagnosen sind nicht automatisch bewiesene Nebenwirkungen

Der erste Fehler in der Argumentation des Informatikers ist die Annahme, dass alle Fälle mit einem solchen ICD-Schlüssel im Datensatz tatsächlich Impfnebenwirkungen sind. Er sagt dazu: "Wir reden hier nicht über Verdachtsfälle". De facto können sie das aber sein, sagen Experten.

Der Informatiker mache bei seiner Datenbetrachtung einen grundlegenden Fehler, erklärt ein Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) auf #Faktenfuchs-Anfrage: Die Daten des InEK bildeten nämlich erste Verdachtsdiagnosen beim Eintreffen im Krankenhaus ab und nicht zwangsweise den eigentlichen Grund für die Hospitalisierung.

Der Urheber der Behauptung widerspricht auf #Faktenfuchs-Anfrage. Der ICD-Code sei belastbar, da er bei der Abrechnung des Falles festgelegt werde, wenn die Ärzte und Ärztinnen die Diagnose bestätigen würden: "Es ist also immer eine bewusste Entscheidung, die sich natürlich auch aus dem Behandlungsverlauf und allen Dokumenten erschliessen sollte. Das macht die Diagnose sicherer als die selbst gemeldeten Verdachtsfälle ohne ärztliche Meldung."

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft ist hier anderer Auffassung: Man könne nicht sagen, "dass alle U12.9-Codes tatsächlich auch nachgewiesene Impfnebenwirkungen sind", schreibt der DKG-Sprecher dem #Faktenfuchs. "Dabei lässt sich eben schwer abschließend diagnostizieren, ob beispielsweise Kopfschmerzen dann tatsächlich eine Folge der Impfung waren", so der DKG-Sprecher.

U12.9 werde zwar abschließend codiert, "wenn nach medizinischem Ermessen eine Impfnebenwirkung festgestellt wird", präzisiert die DKG auf erneute Nachfrage. "Allerdings sagt die Nebendiagnose U12.9 noch nichts über die Schwere der Nebenwirkung aus und ob es sich um eine übliche Impfreaktion oder eine ernstzunehmende Impfnebenwirkung handelt." Ein Wert, um den Schweregrad einer Patientenbehandlung im Krankenhaus zu berechnen, ist der Patient Clinical Complexity Level (PCCL) - dies erläutern wir im weiteren Verlauf des Textes.

Der DKG seien ebenso "keine Berichte aus Krankenhäusern über gehäufte Behandlungen wegen Impfnebenwirkungen bekannt. Das trifft auch auf die Belegschaft der Krankenhäuser zu, die schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt und zu einem großen Anteil geimpft war".

Zusammenhang ist medizinisch nicht immer sicher festzustellen

Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) schreibt auf #Faktenfuchs-Anfrage, die InEK-Daten seien nicht geeignet, "eine tatsächliche Häufigkeit von Nebenwirkungen zu zeigen". Denn bei diesen Zahlen handele es sich nicht um bestätigte Impfnebenwirkungen. Das PEI ist die Behörde, die in Deutschland die Sicherheit von Impfstoffen laufend überprüft. Wenn es einen Verdacht auf eine schwere Reaktion gebe, die einen Klinikaufenthalt nach sich zieht, dann müsse eine Verdachtsmeldung an das PEI erfolgen: "Im Paul-Ehrlich-Institut erfolgt dann die Bewertung, ob es einen Zusammenhang mit der Impfung gegen könnte."

Die Auffassung von DKG und PEI, dass der im Krankenhaus diagnostizierte ICD-Code Impfnebenwirkungen oder -schäden nicht automatisch nachweist, wird von Katharina Dechant bestätigt. Die Ärztin leitet die internistische Notaufnahme der Uniklinik Erlangen und stellt solche Diagnosen. "Es wird eben mitcodiert, wenn der Verdacht besteht, dass das so sein könnte", sagt Dechant über die Fälle, die in ihre Klinik kommen.

Zum Beispiel, wenn ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Beschwerden bestehe. Es könne aber genauso gut sein, dass von all diesen codierten Fällen ein Teil gar nicht auf Impfnebenwirkungen zurückzuführen sei. Der Code bleibe aber im Datensatz stehen. Dechant sagt, in der Medizin habe man das Grundproblem: "Einen Kausalzusammenhang kann man bei manchen Sachen eben einfach schlecht nachweisen."

Menschen gehen auch mit leichten Impfreaktionen ins Krankenhaus

Der zweite logische Fehler der Behauptung ist laut Experten die Interpretation, dass eine Hospitalisierung immer eine "schwerwiegende, unerwünschte Reaktion auf den Impfstoff" anzeige.

Diese Argumentation ist nicht haltbar, sagen die vom #Faktenfuchs befragten Expertinnen und Experten. "Dieses Argument ist realitätsfremd", sagt zum Beispiel die Notaufnahme-Ärztin Katharina Dechant. "Gerade in der Notfallmedizin beobachten wir, dass es einen Zuwachs an Vorstellungen in der Notaufnahme gibt, auch wegen banalerer Erkrankungen."

Einige Menschen seien im vergangenen Jahr durch negative Berichte von Impfgegnern in den sozialen Medien verunsichert gewesen. Dann achte man mehr auf seine Reaktionen und beziehe Symptome auf die Impfung, die nichts mit ihr zu tun hätten. "Und deswegen haben sich schon auch sehr viele Menschen vorgestellt mit Symptomen, mit denen man normalerweise noch nicht mal zum Hausarzt gehen würde", sagt Dechant.

Der #Faktenfuchs hat dem Datenanalysten Aussagen der Experten vorgelegt. Er bekräftigt auf Nachfrage seine Behauptung und bleibt dabei, dass die InEK-Daten eine "dramatisch hohe Zahl" an "Impfschäden" zeigen würden. "Denn eine Hospitalisierung ist per Definition (IfSG, gemeint Infektionsschutzgesetz, die Redaktion) ein Impfschaden, da eine Hospitalisierung IMMER über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgeht. (Auch über das Erwartbare Maß)", schreibt er.

Ein Aufenthalt im Krankenhaus ist nicht automatisch ein Impfschaden

Die DKG schreibt auf erneute #Faktenfuchs-Anfrage: Allein ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus sei "kein ausreichendes Kriterium, um einen schweren Fall festzustellen". Denn: "Stationäre Behandlungen können auch Krankenhausaufenthalte zur absichernden Beobachtung sein – also z.B., ob es sich bei einem Symptom um eine normale vorübergehende Impfreaktion oder um ernsthafte Folgen einer Impfung handelt."

Das hätten die Kliniken angesichts der sehr seltenen Nebenwirkungen von Vaxzevira/AstraZeneca zum Beispiel bei jüngeren Frauen mit Kopfschmerzen nach einer Impfung gemacht - diese hätten ein Hinweis auf Thrombosen sein können.

Die DKG weist darauf hin: "Ernstzunehmende und folgenschwere Hauptdiagnosen nehmen hingegen nur einen sehr geringen Anteil der stationären Behandlungen ein." Die beiden häufigsten Hauptdiagnosen zu diesen Impfnebenwirkungen sind nach den InEK-Daten Kopfschmerzen (3.205 Fälle) und Kreislaufkollaps (1.041 Fälle).

Nach der Argumentation des Informatikers würde aber automatisch jede Person, die mit Beschwerden nach der Impfung ins Krankenhaus kommt, als Impfgeschädigter zählen. Die Art der Beschwerden fiele gar nicht ins Gewicht. Der Informatiker bringt auf #Faktenfuchs-Anfrage das Beispiel von Schmerzen an der Einstichstelle. Wenn hier eine Aufnahme in eine Klinik erfolgen würde, "dann ist auch hier die Hospitalisierung per Definition eine schwerwiegende Impfnebenwirkung und geht über das übliche Ausmaß hinaus, ist mit stationärem Aufenthalt auch nicht erwartbar und ist dann per Definition ein Impfschaden".

Vor allem während der Nachrichtenlage über Nebenwirkungen bei AstraZeneca seien viele Menschen aber schon bei erwartbaren Impfreaktionen ins Krankenhaus gekommen, erklärt der Sprecher der DKG. Wie zum Beispiel: "Für all jene Fälle, die mit Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Unwohlsein oder auch nur blauen Flecken aus Vorsicht ins Krankenhaus gegangen sind, wird U12.9 codiert."

Andere Daten zeigen ebenfalls keine Anzeichen für mehr Impfschäden

Dass der Informatiker zu dem Schluss kommt, alle knapp 24.000 Fälle seien "Impfschäden", entbehrt der Grundlage, sagen die Experten deswegen. Es werde hier der falsche Begriff verwendet.

Noch einmal die Definition nach dem Infektionsschutzgesetz: Ein Impfschaden ist "die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung". Das heißt, "der gesundheitliche Schaden muss sechs Monate nach der Impfung immer noch vorhanden sein", dann besteht Anspruch auf Entschädigung wird vom Land Berlin auf seinem Serviceportal erklärt. Diese Definition nannte auch der Landschaftsverband Rheinland, der für Entschädigungsanträge in Nordrhein-Westfalen zuständig ist, der Zeitung Tagesspiegel.

"Man muss bei der gesamten Debatte immer beachten, dass wir hier hauptsächlich über Impfreaktionen und nicht über Impfschäden sprechen. Diese Beschwerden hatten sehr viele Menschen nach der Impfung, in fast allen Fällen waren sie nach wenigen Stunden wieder verschwunden", schreibt der DKG-Sprecher dem #Faktenfuchs zu den InEK-Daten.

Schwere einer Klinikbehandlung wird per Index bestimmt

Schaut man sich die InEK-Daten genauer an, dann zeigt sich, dass sich bei der Fallgruppe der Impfnebenwirkungen kein Hinweis auf ungewöhnlich viele schwere Verläufe im Jahr 2021 finden lässt.

Ein Wert, um den Schweregrad einer Patientenbehandlung im Krankenhaus zu berechnen, ist der Patient Clinical Complexity Level (PCCL). Je niedriger er liegt, desto leichter der Verlauf einer Erkrankung. In der Fallgruppe mit den besagten ICD-Codes liegt der PCCL für 75,78 Prozent der Fälle auf dem niedrigsten Grad 0, bei weiteren 9,47 Prozent auf dem zweitniedrigsten Grad 1.

Ein Vergleich mit der Gesamtanzahl aller Behandlungen in deutschen Kliniken im Jahr 2021: Hier weisen 66,12 Prozent den PCCL-Wert 0 auf, 12,29 Prozent den Wert 1. Die Fälle mit der Diagnose "Impfnebenwirkung" weisen also öfter einen leichteren Krankheitsverlauf auf als die Gesamtgruppe aller Hospitalisierten.

Krankenkassen-Daten zeigen keine auffälligen Muster zu Impfschäden

Der #Faktenfuchs hat für eine Stichprobe auch beim Verband der Ersatzkassen (VdEK) angefragt, ob dort Patientendaten mit dem ICD-Schlüssel U12.9 Auffälligkeiten zeigen, die auf eine hohe Anzahl von Impfschäden hinweisen. Die dort vertretenen Krankenkassen versichern nach eigenen Angaben rund 28 Millionen Menschen in Deutschland, rund 38 Prozent aller Versicherten. In den VdEK-Daten zu Nebenwirkungen nach einer Covid-Impfung, zwischen 4.000 und 5.000 Fälle, sei keinerlei Muster oder Trend zu erkennen, so die Auskunft des VdEK.

Ein mögliches weiteres Indiz für einen leichteren Krankheitsverlauf im Vergleich zum durchschnittlichen Klinikaufenthalt ist der sogenannte Case Mix Index (CMI), der im Bundesdurchschnitt bei 1 liegt. Der CMI beschreibt vereinfacht gesagt die durchschnittliche Krankheitsschwere. Bei den Fällen mit der Diagnose U12.9 beträgt der CMI im Durchschnitt 0,6. Das zeige eine geringere Krankheitsschwere dieser Fälle im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt aller Krankenhausfälle, so die VdEK.

Anträge auf Impfschaden-Entschädigung sind aussagekräftiger

In der Uniklinik Erlangen, in der Katharina Dechant die internistische Notaufnahme leitet, werden pro Jahr mehr als 600.000 Patienten ambulant oder stationär behandelt. Von diesen wurden von 01. Januar 2021 bis Mitte Februar 2022 38 Personen mit dem Schlüssel U12.9 diagnostiziert. Von diesen 38 wurden zwei Personen in der Klinik aufgenommen und behandelt.

Bei den Patienten, die übliche Impfreaktionen zeigten, sei keine aufwendige Behandlung notwendig, sagt Dechant: "Wenn jemand nur leichte Abgeschlagenheit oder Gliederschmerzen hat, dann würden wir den Patient beraten, ihm empfehlen, einen Entzündungshemmer einzunehmen, wie Ibuprofen."

Sehr viel aussagekräftiger für die Häufigkeit von schweren Impfnebenwirkungen oder -schäden sind nach Ansicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft die Anträge auf Entschädigungen von Impfschäden. Von diesen waren bis Ende Januar bundesweit bisher 1.630 gestellt worden, wie der Tagesspiegel bei den zuständigen Ländern erfragte. 1.630 von zu diesem Zeitpunkt circa 62,8 Millionen geimpften Menschen in Deutschland entsprechen einem Anteil von 0,00259 Prozent.

Zahlen werden nicht "verschleiert" und sind öffentlich einsehbar

Der Informatiker erhebt noch weitere Vorwürfe: "Misstrauisch macht ja, dass es absichtlich verschleiert wird. Oder dass die hohen Politiker überhaupt gar nicht in die Kenntnis solcher Informationen kommen", sagt er in dem eingangs erwähnten Interview. Er erwähnt nicht, dass er die Zahlen aus einer frei zugänglichen Datenbank ausgelesen hat.

Auf #Faktenfuchs-Nachfrage antwortet der Informatiker, er habe die Annahme, dass die Presse über die InEK-Daten nicht berichte oder dass diese absichtlich verschleiere: "Die gesamte Presselandschaft berichtet nicht, trotz Gesetz." Als Beleg für seine Annahme erachtet er, dass er im Zuge einer Abfrage bei einer Suchmaschine bei einigen deutschen Medien keine Berichterstattung über die Daten gefunden hat.

Der Informatiker will nicht in Verbindung gebracht werden mit der sogenannten Querdenker-Bewegung. Er erwähnt dies ungefragt und explizit in seiner Antwort an den #Faktenfuchs: "Ich habe auch keinerlei Freunde, die den Querdenkern angehören würden und bewege mich auch nicht im Querdenker Milieu."

Die Anzahl von Impfnebenwirkungen wird in Deutschland nicht systematisch verschleiert oder mit Vorsatz unterdrückt. Das Paul-Ehrlich-Institut, das alle gemeldeten Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen untersucht, veröffentlicht regelmäßig Berichte dazu. Im Sicherheitsbericht, der den Zeitraum von 27.12.2020 bis Jahresende 2021 umfasst, sind die Zahlen frei einsehbar: Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 244.576 Verdachtsfälle einer Nebenwirkung für einen Corona-Impfstoff gemeldet - bei 148,8 Millionen verabreichten Impfdosen. Die Melderate für alle Corona-Impfstoffe zusammen betrug 1,64 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für schwerwiegende Reaktionen 0,2 Meldungen pro 1.000 Impfdosen.

Gemeldet heißt aber auch hier wieder: nicht bewiesen. "Aber nicht jede Reaktion, die nach einer Impfung auftritt und als Verdacht einer Nebenwirkung oder Impfkomplikation gemeldet wird, ist gleichbedeutend mit von dem jeweiligen Impfstoff verursachten körperlichen Beschwerden", schreibt das PEI.

  • Dass auch die Angaben der EMA-Datenbank keine bestätigten Impfnebenwirkungen zeigt, können Sie hier lesen.

Fazit

Die Behauptung, dass Krankenhausabrechnungen Impfschäden belegen, ist falsch. In der Mehrheit der bezeichneten Fälle handelt es sich laut Experten vermutlich um leichte Impfreaktionen. Die 24.000 Diagnosen über "unerwünschte Nebenwirkungen der Corona-Schutzimpfung" sind außerdem kein automatischer Nachweis für einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Beschwerden. Impfung und Klinik-Aufenthalt können zum Beispiel zufällig zeitlich nahe beieinander liegen.

Die vorhandenen Daten geben keinerlei Hinweis darauf, dass Corona-Impfungen häufiger Nebenwirkungen haben als bisher bekannt. Die Verdachtsfälle von Impfnebenwirkungen in Deutschland werden nicht verschleiert, sondern sind in Behördenberichten für jedermann nachzulesen.

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