Die Kritik an den geplanten Maßnahmen gegen Medikamentenknappheit von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält an. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wurde nach eigenen Angaben von Lauterbachs Vorstoß überrascht, wonach die Krankenkassen künftig bis zu 50 Prozent mehr für bestimmte Medikamente zahlen sollen. Damit sollen vor allem Kindermedikamente wirtschaftlich attraktiver werden.
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GKV-Sprecher: Pharmaindustrie greift "gerne in Portemonnaies"
Florian Lanz, Sprecher der GKV, forderte im Interview mit Bayern 2 von Minister Lauterbach mehr Transparenz. Die Ankündigung sei ein "Weihnachtsgeschenk an die Pharmaindustrie". Es handle sich um ein Signal an die Branche, deutlich mehr Geld verdienen zu können – und widerspreche den Rabattverträgen mit den Krankenkassen. Die Pharmaindustrie gehöre zu den lukrativsten Branchen weltweit und greife "gerne in die Portemonnaies der Beitragszahler".
Mit Blick auf den aktuellen Medikamentenmangel betonte Lanz, er rechne nicht damit, dass sich die Situation bald bessere. "Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass wir dadurch auch nur einen Hustensaft schneller in die Apotheke bekommen."
Apotheker sehen Medikamenten-Pläne kritisch
Auch der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands, Hans-Peter Hubmann, sieht die von Gesundheitsminister Lauterbach geplanten Änderungen bei Medikamentenpreisen kritisch. Im BR äußerte er Zweifel, dass diese schnell Wirkung zeigten – auch wenn höhere Preise einen Anreiz böten, die Medikamente schnell nach Deutschland zu liefern. Als Grund führte er an, dass die Verfügbarkeit nicht nur vom Preis abhänge, sondern auch davon, ob es genügend Rohstoffe und Verpackungsmaterial gebe.
Hubmann plädierte außerdem für eine verstärkte Medikamentenproduktion in Deutschland. Das müsse sich aber für die Hersteller auch lohnen.
Ärzte: Lieferengpässe in Praxen deutlich spürbar
Auch der Deutsche Hausärzteverband ist skeptisch, dass die angekündigten Maßnahmen kurzfristig helfen. "Die Lieferengpässe sind in den Hausarztpraxen sehr deutlich zu spüren", sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende Nicola Buhlinger-Göpfarth der "Rheinischen Post". Sie betonte: "Die Hausärztinnen und Hausärzte müssen inzwischen sehr viel Zeit investieren, um, sofern dies überhaupt möglich ist, Medikationen umzustellen."
Lauterbach: "Da hilft nur der Zwang"
Lauterbach hält derweil an seinen Plänen fest. Im ZDF-"heute journal" sagte der Minister am Dienstagabend: "Wir sehen das Problem schon lange. Wir müssen einen Teil der wichtigen Wirkstoffe wieder in Europa produzieren lassen. Und da hilft nur der Zwang, dass die Krankenkassen dann auch aus Europa kaufen müssen."
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sieht einen Grund der aktuellen Knappheit darin, dass sich manche Apotheken und Großhändler das Lager zu voll machten und die Arzneien andernorts fehlten. Es sei von einer Verteilproblematik auszugehen, teilte es vor einigen Tagen mit. Eine weitere Ursache sei, dass es derzeit so viele Atemwegsinfektionen bei Kindern gebe, wodurch die Nachfrage steige. Apotheken und Gewerkschaften sehen zudem wirtschaftlichen Druck und die Produktion in kostengünstigen Ländern als Faktoren.
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