"Achtung Beladen!", tönt es aus dem Inneren einer Panzerhaubitze. Mit knappen Worten weist der Kommandant seine Besatzung an. Zwei Soldaten wuchten Geschosse heran. Jedes wiegt rund 43 Kilogramm. Der Kommandant meldet per Funk Gefechtsbereitschaft, gibt ein Feuerkommando an die Männer weiter: "Zwo Schuss" solle die Besatzung abfeuern. Dann rummst es. Doch Mündungsblitz und Rauch bleiben aus – der Geschützdonner kommt aus dem Lautsprecher.
Die ersten eines neu aufgestellten Artilleriebataillons
Die Haubitze ist an Computer angeschlossen. Abläufe und technische Störungen lassen sich simulieren. Die Soldaten lernen so, das Geschütz zu bedienen. Sie zählen zu den ersten eines Artilleriebataillons, das in Weiden in der Oberpfalz neu aufgestellt wird. An seiner Spitze steht die erste Bataillonskommandeurin im deutschen Heer: Oberstleutnant Hekja Werner.
Ihre braunen Haare hat sie zu einem Zopf geflochten. Werner trägt dezentes Make-up zur Flecktarnuniform. Das Verbandsabzeichen an ihrem rechten Oberarm zeigt zwei gekreuzte Kanonenrohre. Sie stehen für die Artillerietruppe. Es wirkt brandneu, als hätte es weder den Dreck und Staub eines Übungsplatzes noch die Waschmaschine danach gesehen. Die Einheit ist gerade erst am Entstehen. Werner wirkt glücklich darüber, hier etwas bewegen zu können. Routinen seien noch nicht über Jahrzehnte gewachsen, sie könne Standards selbst definieren.
Erst seit 2001 stehen Frauen alle Laufbahnen offen
Erst seit 2001 können Frauen alles in der Bundeswehr werden. Hekja Werner kam ein Jahr später dazu. Dem Ausprobieren folgten alle Karriereschritte, die es braucht, um einige hundert Soldaten kommandieren zu dürfen.
Nachwuchssorgen gab es damals keine. Werners männliche Kameraden mussten noch zur Musterung. Die Wehrpflicht überzeugte so manchen, zu bleiben.
Heute hingegen muss sich die Bundeswehr aktiv um Personal bemühen. Vor dem Kasernentor in Weiden hängen Werbeplakate. Sie finden sich auch an anderen Stellen in der Stadt. Doch das ist längst nur ein Beispiel: Die Truppe präsentiert sich in aufwendigen Social-Media-Kampagnen, mit eigens gedrehten Youtube-Serien, auf Messen oder in Innenstädten. Es gibt sogar Camps, in denen Interessenten den Alltag in der Truppe kennenlernen können.
Experte: Bundeswehr tut viel, aber erreicht nicht alle
Die Bundeswehr tue sehr viel, um Nachwuchs zu gewinnen, sagt der Verteidigungspolitikexperte Carlo Masala im BR-Interview. Er lehrt und forscht an der Bundeswehr-Uni in München. Allerdings, so Masala, erreiche die Bundeswehr nur diejenigen, die "aus irgendwelchen Gründen ohnehin schon bundeswehraffin sind". In seinen Augen geht die Truppe zu wenig auf Menschen zu. Sie vertrete die Einstellung "die Menschen müssen zu uns kommen". Das sei der falsche Weg.
Masala spricht sich deshalb dafür aus, ganze Jahrgänge anzuschreiben. Er vergleicht diesen Erstkontakt mit der Wehrpflicht: "Bei vielen wurde der Prozess – gehe ich zur Bundeswehr, mache ich Zivildienst – ja überhaupt erst ausgelöst in dem Moment, in dem dieser Brief im Briefkasten lag."
Personal zu gewinnen und zu halten, spielt dabei nicht nur in den Augen des Experten eine Schlüsselrolle für die Bundeswehr. In ihren Reihen dienen aktuell knapp 182.000 Männer und Frauen. Eigentlich soll die Truppe auf etwa 200.000 Soldatinnen und Soldaten anwachsen.
Personal für Pistorius Chefsache
Unter Boris Pistorius wurde das Thema Personal in seinem ersten Amtsjahr zur Chefsache. Pistorius setzte eine Task-Force zum Thema Personalgewinnung ein, die im Dezember ihre Ergebnisse vorgestellt hat. Unter anderem spricht sie sich für monatliche Einstellungen aus, für schnellere Bewerbungsprozesse und Bewerbungsmöglichkeiten am nächsten Standort. Der Bericht listet mehr als 60 Maßnahmen auf. Eine Vielzahl ist Pistorius zufolge bereits angelaufen.
Die Kommandeurin des neuen Weidener Artilleriebataillons, Oberstleutnant Hekja Werner, kann den Vorschlägen der Task-Force viel abgewinnen. Sie findet es gut, wenn Einheiten wieder mehr Verantwortung bekommen. Ihr gebe das die Möglichkeit, Personal auszusuchen, dass sie brauche. Für die Personalbindung sei es ein Vorteil, wenn Menschen dort geworben werden, wo sie Dienst tun, sagt Werner.
Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der BR24 Reportage. Den Podcast zur Sendung finden Sie hier.
Dieser Artikel ist erstmals am 04.02.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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