Ein Fahrzeug vom Typ "Hägglund" wird Mitte Januar in Bad Reichenhall verladen. Mit der Bahn wird es nach Norwegen transportiert.
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Ein Fahrzeug vom Typ "Hägglund" wird in Bad Reichenhall verladen.

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Großmanöver "Quadriga": Bundeswehr übt im Nato-Rahmen

Großmanöver "Quadriga": Bundeswehr übt im Nato-Rahmen

Das Nato-Großmanöver "Steadfast Defender" beginnt im Februar. In dessen Rahmen übt auch die Bundeswehr mit der Manöverserie "Quadriga". Dafür werden Soldatinnen und Soldaten aus Bayern verlegt. Die ersten sind bereits unterwegs.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Das Brummen von Dieselmotoren liegt über dem Bahnhofsgelände im oberbayerischen Bad Reichenhall. Ein Soldat in orangefarbener Warnweste steht auf einem flachen Eisenbahnwaggon, reckt beide Arme nach oben. Meter für Meter dirigiert er den Fahrer eines Kettenfahrzeugs nach vorne. Er gibt ihm per Handzeichen zu verstehen, wenn er zu weit nach links oder rechts abweicht. Als der Einweiser das Signal zum Halten gibt, nähern sich andere Soldatinnen und Soldaten. In ihren Händen klirren Metallketten. Sie verzurren Fahrzeug für Fahrzeug. Es sind die letzten Vorbereitungen für eine lange Reise.

Die Bilder dieses Morgens: Sie taugen zum Symbol für das, was die Nato in den kommenden Wochen plant. Das Militärbündnis will üben, Tausende Soldatinnen und Soldaten mit ihrem Material zu verlegen - also auf der Straße oder auf der Schiene dorthin zu transportieren, wo ein Angriff Russlands drohen könnte. Ihre Ziele sind deshalb die nördlichen wie auch östlichen Grenzen des Bündnisgebietes in Europa. Aus Bayern sind schon jetzt erste Soldaten unterwegs, etwa Gebirgsjäger aus Bad Reichenhall. Sie müssen vorher noch andere Übungen absolvieren.

Für ihn fühle sich all das richtig an, sagt Oberstleutnant Michael. Die Bundeswehr gebe es schließlich, um Deutschland und seine Bündnispartner zu verteidigen. Die Rückbesinnung auf diesen Kernauftrag: Für Michael ist es der richtige Weg. Seinen Nachnamen dürfen wir auf Geheiß der Bundeswehr nicht nennen. Die Vorgabe gilt für die meisten Soldatinnen und Soldaten. Mehrere Wochen wird der Oberstleutnant in Norwegen verbringen.

Aus den Alpen nach Norwegen

Dorthin geht es für die Gebirgsjäger, die in diesen Tagen auch von anderen bayerischen Standorten aus aufbrechen. Die meisten Soldatinnen und Soldaten stellt das Mittenwalder Bataillon.

Das Gelände in Norwegen ähnele dem der bayerischen Alpen, erklärt Hauptmann Thomas Schmaus. Er ist Presseoffizier der Gebirgsjägerbrigade 23. Die Soldaten seien ausgebildet für den Einsatz in der Kälte und entsprechend ausgerüstet. Die Kettenfahrzeuge auf dem Zug: Spezialgerät, damit sich Einheiten auch im Schnee fortbewegen können. Der Vergleich mit einer Pistenraupe in Tarnfarben liegt dem Beobachter auf der Zunge. An jedem Fahrzeug hängt ein Anhänger, der sich je nach Untergrund auf Rädern oder Kufen ziehen lässt.

Manöverserie "Quadriga" Teil von Nato-Großmanöver

Neben der Übung in Norwegen beteiligt sich die Bundeswehr an weiteren Manövern. Insgesamt sollen rund 12.000 Soldatinnen und Soldaten teilnehmen. "Quadriga" heißt diese Übungsserie. Geplant wird sie einem Bundeswehrsprecher zufolge bereits seit über zwei Jahren.

Eingebettet ist sie in das noch größere Nato-Manöver "Steadfast Defender24", das von Februar bis Mai stattfinden soll. Frei übersetzt heißt das so viel wie "standhafter Verteidiger". Offiziellen Angaben zufolge sollen rund 90.000 Soldatinnen und Soldaten aus verschiedenen Staaten teilnehmen. Trainiert wird die Reaktion auf einen Angriff auf die Allianz, so will es das Übungsszenario.

Manöver wie an der Perlenschnur

Der deutsche Anteil gliedert sich dabei in vier verschiedene Teilabschnitte, an denen jeweils unterschiedliche Verbände der Bundeswehr teilnehmen. Neben der Verlegung nach Norwegen wird auch der Transport in Länder wie Polen, Litauen oder Rumänien trainiert. Anschließend finden vor Ort Gefechtsübungen statt. Bei einigen davon handelt es sich um Manöver, die bereits in den vergangenen Jahren routinemäßig durchgeführt wurden.

Als Vorbild und Namensgeber dient Angaben der Bundeswehr zufolge ein antikes Viergespann, genannt "Quadriga". Der Name verweise zudem auf die Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin, die symbolisch für Freiheit, Einigung und Stärke stehe.

Soldaten aus Bayern beteiligt

Neben den Gebirgsjägern nehmen aus Bayern schwerpunktmäßig Soldatinnen und Soldaten der 10. Panzerdivision teil. Im Wesentlichen wird es sich um Kräfte der Panzerbrigade 12 handeln, die in Niederbayern und der Oberpfalz stationiert ist. Nach offiziellen Angaben werden für das Manöver etwa 3.200 Soldatinnen und Soldaten der Division nach Litauen verlegt. Diese stammen allerdings auch aus den anderen Brigaden der Division und somit nicht alle aus Bayern.

Die Division spielt innerhalb des deutschen Heeres derzeit eine besondere Rolle. Sie soll als erstes vollausgestattet sein. Künftig soll ihr auch die Brigade unterstellt sein, die Deutschland in Litauen stationieren will.

Bundeswehr will Auswirkungen für die Bevölkerung gering halten

Ein Sprecher des eigens eingerichteten Medienzentrums der Bundeswehr erklärte auf BR-Anfrage, die Bundeswehr beabsichtige mögliche Einschränkungen für die Zivilbevölkerung gering zu halten. Ohnehin dürften vermutlich nur Transporte auf bayerischen Straßen oder Schienen zu sehen sein. Das Übungsgeschehen findet schwerpunktmäßig im Ausland statt.

"Amateure sprechen über Taktik, Profis über Logistik"

Sowohl für die Nato als auch für die Bundeswehr stellt die Manöverserie in den Augen von Beobachtern einen Test dar, wie es um die eigenen Fähigkeiten zur Truppenverlegung bestellt ist. Den Spruch "Amateure sprechen über Taktik, Profis über Logistik", bekommt man dieser Tage in deutschen Heereskreisen häufig zu hören. Denn anders als zu Zeiten des Kalten Krieges liegen die Einsatzräume deutscher Soldatinnen und Soldaten nicht mehr vor dem Kasernentor, sondern viele hundert Kilometer entfernt: Im Mittelpunkt steht vielmehr die Bündnis- als die Landesverteidigung.

Was das bedeuten kann, bekommen auch die Reichenhaller Gebirgsjäger zu spüren. 280 Kilometer müssen sie mit ihren Überschneefahrzeugen auf dem "Landmarsch" zurücklegen, bevor sie ins Übungsgebiet gelangen. Das berichtet ein Offizier bei der Verladung am Bahnhof. Eigentlich hätten es nur rund 180 Kilometer sein sollen, doch die Zugfahrt endet früher als geplant: Die Strecke sei gesperrt, weil sich dort ein Unfall ereignet habe, schildert er. Unwägbarkeiten werden somit Teil der Übung. Dazu kommt: Hier ist alles von langer Hand geplant, im Ernstfall müsste es aber gerade für Einheiten wie Fallschirm- oder Gebirgsjäger sehr schnell gehen. Gemäß den Planungen für das deutsche Heer sollen sie in der Lage sein, als Erste in etwaige Einsatzräume zu verlegen.

Herausforderungen in Friedenszeiten

Derart große Transporte durchzuführen, das muss nicht nur die Bundeswehr wieder lernen. Jahrelang spielte das eine untergeordnete Rolle. Ohnehin ist die Truppe in Friedenszeiten in hohem Maße abhängig von externen Faktoren: der Transport-Abwicklung an den Europäischen Binnengrenzen etwa – oder aber der Deutschen Bahn. Ein Rahmenvertrag mit deren Tochterunternehmen DB Cargo regelt, auf welche Transportkapazitäten die Bundeswehr zurückgreifen kann, um etwa Panzer auf der Schiene zu transportieren. Kritiker bemängeln die Kapazitäten als unzureichend.

Nach BR-Informationen laufen derzeit Verhandlungen über einen neuen Vertrag. Der alte lief demnach aus und wurde zunächst bis April verlängert. Ein Sprecher von DB Cargo wollte sich dazu nicht äußern. Er verweist auf "strikte Geheimhaltung von Militärlogistik". Auch die Bundeswehr kommentierte den Vorgang auf Nachfrage nicht.

Aus Sicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Andreas Schwarz kommt "Bewegung ins System" und er weist auf die Logistik hin. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kümmere sich "massiv", sagt Schwarz dem Bayerischen Rundfunk. Der oberfränkische Abgeordnete fungiert im Haushaltsausschuss als Hauptberichterstatter für den Haushalt des Verteidigungsministeriums und das Sondervermögen Bundeswehr.

Halten die Brücken?

Der Politikwissenschaftler und Verteidigungspolitikexperte Carlo Masala stellt fest, dass viel unternommen werde. Er sieht aber auch zahlreiche offene Fragen im Hinblick auf Deutschlands Rolle als logistische Drehscheibe der Nato. Diese käme der Bundesrepublik aufgrund seiner geografischen Lage zu.

Masala, der als Professor an der Universität der Bundeswehr in München forscht und lehrt, zählt im BR-Interview unter anderem die unzureichenden Luftabwehrfähigkeiten der Bundeswehr auf. Das heißt, es fehlen unter anderem Waffensysteme zum Schutz vor Drohnen oder Flugkörpern sowie Soldaten, die diese bedienen können.

Diese Systeme bräuchte es, um hierzulande ankommende Truppen zu schützen, unterstreicht Masala. Ebenfalls stellt sich für Masala die Frage nach der Infrastruktur. Etwa die, ob Brücken es aushalten, wenn Panzer darüberfahren. Viele Jahre lang spielten derartige Überlegungen kaum eine Rolle.

Deutschland wird zur Drehscheibe

Auch während des Manövers "Steadfast Defender" wird Deutschland zur Drehscheibe für seine Bündnispartner. Deren Truppen werden hier auf dem Land-, Luft- oder Seeweg ankommen und anschließend weiter verlegt. Neu ist das Szenario dabei keineswegs, wenn auch die Dimensionen ungewohnt wirken.

Übungen zur Verlegung von Truppen sind für die Nato-Mitgliedsstaaten bereits vor einigen Jahren wieder in den Fokus gerückt: 2018 übte die Nato im Rahmen des Manövers "Trident Juncture" mit rund 50.000 Soldatinnen und Soldaten Truppenverlegungen im großen Stil. 2020 stand die Übung "Defender Europe" an. Sie fand aber wegen der Corona-Pandemie nicht wie geplant statt. Im vergangenen Jahr übten die Luftwaffen verschiedener Staaten im Rahmen von "Air Defender" die Verlegung von Flugzeugen nach Deutschland.

Erinnerungen an US-Manöverserie

Insgesamt erinnern die Manöver an die US-amerikanische Übungsserie "REFORGER" (Return of Forces to Germany). Bis kurz nach Ende des Kalten Krieges wurden dafür jährlich Zehntausende Soldaten verlegt, um für den Fall eines Angriffs des Warschauer Paktes "die Rückkehr von Truppen nach Deutschland" zu proben.

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