Eine Rauchwolke über der Krim am Dienstag nach Explosionen.
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Explosionen auf der Krim am Dienstag: Wer steckt dahinter?

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Notstand nach Explosionen auf der Krim ausgerufen

Notstand nach Explosionen auf der Krim ausgerufen

War es ein Angriff der Ukraine? Russland versucht, die Explosionen auf einer Militärbasis der annektierten Halbinsel Krim herunterzuspielen. Dennoch riefen die Behörden örtlich den Notstand aus. Aus Kiew heißt es: "Wir werden die Krim zurückerobern."

Nach den schweren Explosionen auf einem russischen Militärstützpunkt auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim haben die Behörden in der Region den Notstand verhängt. Bei den Explosionen am Dienstag auf der Basis in Saki nahe dem Kurort Nowofjodorowka wurde ein Mensch getötet, wie Krim-Verwaltungschef Sergej Aksjonow mitteilte. Es gab demnach auch 14 Verletzte.

Es seien mindestens zehn russische Flugzeuge zerstört worden, erklärte der Sprecher des ukrainischen Luftwaffenstabs, Jurij Ihnat, am Mittwoch im Fernsehen. Russland bestritt dies.

Örtlicher Notstand auf der Krim - Umsiedlung in Notunterkünfte

Der Krim-Verwaltungschef sagte der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge, dass mindestens 252 Bewohner des benachbarten Kurorts in Notunterkünfte umgesiedelt werden. Die Gasversorgung zweier Ortschaften wurde demnach vorübergehend abgestellt.

Schon am 31. Juli schlug bei der russischen Schwarzmeerflotte in der Hafenstadt Sewastopol nach Behördenangaben eine ukrainische Drohne ein. Auch damals gab es Verletzte. Beide Zwischenfälle werfen bei russischen Beobachtern inzwischen Fragen auf, wie gut die militärisch hochgerüstete Halbinsel, die sich Moskau 2014 einverleibte, tatsächlich geschützt ist. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte immer wieder angekündigt, dass die Sicherheit der Krim noch weiter verstärkt werden solle.

Wer ist für die Explosionen auf der Krim verantwortlich?

Laut Aksjonow laufen strafrechtliche Ermittlungen zu den Explosionen. Das russische Verteidigungsministerium nennt bisher einen Verstoß gegen die Brandschutzregeln als wahrscheinlichste Ursache des Vorfalls. Experten vermuten, dass diese Version aus Imagegründen präsentiert wird. Moskau wolle seine Verletzlichkeit durch ukrainische Waffensysteme nicht eingestehen, hieß es. Zahl und Wucht der Explosionen legten dagegen einen gezielten Angriff der Ukraine nahe - offiziell räumte das die ukrainische Führung nicht ein. Überprüfbar von unabhängiger Seite ist nicht, wer genau die Attacken verübt. In der Ukraine wird darauf hingewiesen, dass Russland sie selbst inszenieren könnte, um einen Vorwand für neue Schläge zu schaffen.

Am Mittwoch versuchten russische Behörden, die Detonationen herunterzuspielen. Sie erklärten, kein Hotel und kein Strand auf der Halbinsel, die ein beliebtes Reiseziel für russische Touristen ist, seien betroffen gewesen.

Angespannte Lage im Russland-Ukraine-Krieg

Auch andere russische Regionen im Grenzgebiet zur Ukraine berichten von einer extrem gespannten Lage im Zuge angeblicher Angriffe aus dem Nachbarland. Die Gouverneure von Brjansk, Kursk und Belgorod klagen über Verletzte und schwere Zerstörungen. Aber bisher hat Russland seinen Drohungen, Kommandozentralen in Kiew zu bombardieren, wenn der Beschuss nicht aufhöre, keine Taten folgen lassen.

Die Krim gehört völkerrechtlich zur Ukraine, doch Russland sieht sie wegen der strategisch wichtigen Lage im Schwarzen Meer traditionell als seinen Einflussbereich. Der ukrainische General Dmytro Martschenko stellte eine militärische Rückeroberung der Krim in Aussicht. "Wir werden die Krim zurückerobern, genauso wie wir Cherson, Luhansk und Donezk zurückerobern werden", sagte er in einem Interview.

Streit und Sorge um ukrainisches AKW Saporischschja

Nicht nur über die Explosionen auf der Krim streiten Russland und die Ukraine: Auch nach dem Beschuss von Europas größtem Atomkraftwerk Saporischschja im von Russland besetzten Süden der Ukraine ist ein Streit über die Sicherheit des Kraftwerks ausgebrochen.

Das russische Außenministerium warf den Vereinten Nationen am Mittwoch erneut vor, eine Inspektion des Kernkraftwerks durch Experten der Internationalen Atombehörde (IAEA) verhindert zu haben. Die Außenminister der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) forderten Moskau auf, das Kraftwerk wieder der Kontrolle der Ukraine zu unterstellen. "Es ist Russlands fortdauernde Herrschaft über das Kernkraftwerk, die die Region gefährdet", kritisierten sie.

Das in der Stadt Enerhodar gelegene Atomkraftwerk wurde am Wochenende beschossen und teils beschädigt. Russland und die Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld. Die kritische Infrastruktur soll aber intakt sein. Nach der Notabschaltung eines Blocks sind zwei Reaktoren weiter in Betrieb.

Ukrainischer Atomkonzern droht mit Zerstörung von Stromleitung

Die Ukraine drohte schon für den Fall eines Anschlusses des AKW Saporischschja an die von Russland annektierte Halbinsel Krim mit einem Kappen der Stromleitungen. "Ich denke, unsere Streitkräfte werden dazu bereit sein, wenn es nötig ist", sagte der Chef des staatlichen Atomkraftwerksbetreibers Enerhoatom, Petro Kotin, der Agentur RBK-Ukrajina. Dazu könne es kommen, bevor das Kraftwerk vom ukrainischen Netz getrennt wird.

Kotin zufolge will Russland seit Langem das AKW mit der Krim verbinden. "Dafür muss das Kraftwerk komplett vom ukrainischen Energiesystem abgeschaltet und an die Leitung angeschlossen werden, welche die Krim mit dem Wasserkraftwerk Kachowka verbindet", erklärte der 61-Jährige. Kotin sagte auch, dass die ukrainischen Truppen die Stromleitungen beschießen würden, wenn Russland das Atomkraftwerk an sein Netz anschließe. Bei einem Ausfall des Kraftwerks wäre die Stromversorgung des gesamten russisch besetzten Südens gefährdet.

Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

Ukrainisches Militär: Brücke am Dnipro "unbrauchbar"

Weniger als 20 Kilometer vom Atomkraftwerk entfernt starben ukrainischen Angaben zufolge mindestens elf Menschen durch nächtlichen Raketenbeschuss. Flussabwärts am Dnipro machte das ukrainische Militär nach eigener Aussage eine Brücke beim Staudamm von Nowa Kachowka unbrauchbar. "Der Treffer war akkurat, aber wirksam", teilte das Armeekommando Süd am Mittwoch per Facebook mit. Die Besatzungsverwaltung äußerte sich dazu zunächst nicht. Mit weitreichenden Raketen versucht die Ukraine systematisch, die drei einzigen Flussquerungen im von Russland eroberten Gebiet Cherson am Unterlauf des Dnipro zu zerstören.

Russland meldet Zerstörung eines deutschen Gepards

Von der Gegenseite kommt derweil die Meldung, bei Luftangriffen im Süden der Ukraine sei auch ein Flugabwehrpanzer Gepard vernichtet worden - so das russische Militär. "Nahe der Ortschaft Nowopawliwka im Gebiet Mykolajiw wurde ein von Deutschland an das Kiewer Regime geliefertes Kampffahrzeug für den Flugabwehrkanonenkomplex Gepard zerstört", sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Unabhängig lassen sich auch diese Angaben nicht überprüfen.

Selenskyjs Stabschef: Ukraine braucht Kriegsende vor Winter

Die Kämpfe in der Ukraine müssen nach Einschätzung des Präsidialamts in Kiew indes dringend noch vor Beginn der nächsten Heizperiode beendet werden. Ansonsten bestehe das Risiko, dass Russland die Infrastruktur für Wärme und Energie zerstöre, sagte der Stabschef von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Andrij Jermak, nach Angaben der Agentur Interfax in Kiew. Die russische Armee greife jetzt schon Infrastruktureinrichtungen an. "Das ist einer der Gründe, warum wir maximale Maßnahmen ergreifen wollen, um den aktiven Teil des Kriegs bis Ende Herbst zu beenden", sagte Jermak. Der Krieg dauert inzwischen fast schon ein halbes Jahr.

Jermak sagte weiter, die ukrainische Armee versuche alles, um die von Russland besetzten Gebiete zurückzuerobern. Je länger sich russisches Militär auf ukrainischem Gebiet verschanzen könne, desto schwieriger werde es. Russland ist am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Inzwischen hält es einschließlich der Halbinsel Krim etwa ein Fünftel des Nachbarlandes besetzt. Auf eine mögliche Lösung am Verhandlungstisch gibt es derzeit keinerlei Hinweise.

Mit Material von dpa und AP.

Anwohner tragen Behälter mit Wasser einen Weg in Richtung eines Autos, dass durch Beschuss des russischen Militärs zerstört wurde (Archivbild).
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Anwohner tragen Behälter mit Wasser einen Weg in Richtung eines Autos, dass durch Beschuss des russischen Militärs zerstört wurde (Archivbild).

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