Wer führt die Union in den Bundestagswahlkampf? Am Sonntag wollte sich Markus Söder noch nach der Entscheidung der CDU richten, seit gestern lieber nach der CDU-Basis oder der Bevölkerung, sprich Umfragewerten. Fragen, damit bereits innerhalb der ersten 24 Stunden nach Bekanntgabe seiner Ambitionen Wortbruch begannen zu haben, will der CSU-Chef nicht gelten lassen und beschwört damit womöglich einen handfesten Streit innerhalb der Union herauf.
Am Montag hatten sich die CDU-Führungsgremien Präsidium und Vorstand für eine Kandidatur von Armin Laschet ausgesprochen. Das Thema Kanzlerkandidatur dürfte heute Nachmittag bei der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion in Berlin zu einigen Diskussionen führen.
- Vor der Sitzung gibt es Statements von Ralph Brinkhaus (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) in einem BR24Live ab 14.30 Uhr
Während Laschet bei der Thematik aufs Tempo drücken will, betonte Söder zuletzt, dass man keine Eile habe. "Söder verspricht sich von diesem Hinauszögern mehr Unruhe innerhalb der CDU – die CSU hat er ohnehin auf seiner Seite", erklärt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Laut Münch hoffe Söder, dass sich in der Zwischenzeit noch mehr aus der CDU zu seinen Gunsten äußern, weil die Nervosität in beiden Schwesterparteien groß sei.
Spannung vor Sitzung der Unionsfraktion in Berlin
In der Bundestagsfraktion gibt es unter den CDU-Abgeordneten indes zahlreiche Befürworter einer Kandidatur Markus Söders. Zudem fordern mehrere Dutzend Abgeordnete in einem Offenen Brief, die Bundestagsfraktion an der Entscheidung zu beteiligen.
Die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende im Bundestag, Gitta Connemann (CDU), appellierte an die beiden möglichen Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet (CDU) und Söder, eine verantwortungsvolle Entscheidung für das Land zu treffen. "Am Ende zählt nur der Erfolg. Der Maßstab muss sein: Mit wem können wir die Wahl im September gewinnen? Denn Deutschland braucht eine starke Union", sagte Connemann der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Dass Armin Laschet von selbst auf seine Kandidatur verzichtet, scheint derzeit allerdings ausgeschlossen.
Junge Union Bayern ruft zur Unterstützung Söders auf
Die Zahl der öffentlichen Unterstützer Söders aus der CDU heraus wächst langsam. Am Montag hatte der CDU-Landesverband Berlin für den CSU-Chef geworben. CDU-Spitzenpolitiker halten sich indes weiter zurück. Unterstützung bekommt Söder immer wieder aus Bayern. Neben dem eindeutigen Votum des CSU-Präsidiums für ihn, spricht sich auch der Vorsitzende der Jungen Union Bayern, Christian Doleschal, pro Söder aus und warnt vor einem drohenden Absturz der Union in die Bedeutungslosigkeit unter einem Kanzlerkandidaten Laschet.
"Es geht nicht nur um den drohenden Verlust der Kanzlerschaft", sagte Doleschal der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf die Bundestagswahl im September. "Am Ende geht es darum, ob wir uns als Union selbst in die Bedeutungslosigkeit führen." Die Unterstützung der CDU-Spitzengremien für die Kanzlerkandidatur Laschets bewertete er als wenig überzeugend: Diese stehe im Widerspruch zur in den Umfragen breiten Unterstützung für eine Kanzlerkandidatur Söders. "Klar ist auf jeden Fall, dass das Meinungsbild der Funktionärsebene der CDU nicht in Übereinstimmung mit der Meinungsbildung in der Bevölkerung und in der CDU ist", betonte der Chef der JU Bayern.
Der für die CSU im Europaparlament sitzende Doleschal forderte die CDU auf, dieses Dilemma jetzt aufzulösen und fordert zur öffentlichen Unterstützung Söders auf: "Jetzt wäre ein geeigneter Zeitpunkt für die CDU-Landesverbände zu sagen, wenn sie für Söder sind", sagte Doleschal. Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, hatte sich am Montag allerdings für Laschet ausgesprochen.
Ziemiak: Umfragen spielen nicht die Hauptrolle
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat den Hinweis von CSU-Chef Markus Söder auf die Umfragewerte beider Kontrahenten derweil zurückgewiesen. Diese sind für Söder selbst weit besser als für den CDU-Vorsitzenden Laschet.
"Umfragen spielen natürlich immer eine Rolle, aber nicht die ausschließliche", sagte Ziemiak am Montagabend im ZDF-"heute journal". "Sondern es geht auch noch um andere Fähigkeiten, wenn man später eine Regierung führen will und eine Partei zusammenhalten möchte. Und diese Fähigkeiten bringt Armin Laschet mit."
Münch: Laschet hat größere Chancen
Ursula Münch von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing glaubt, dass der CDU-Vorsitzende am Ende Kandidat der Union wird: "Ich gehe davon aus, das Laschet die größeren Chancen hat". Münch meint allerdings auch, dass das Söder und der CSU nicht schaden werde, "weil man gesagt hat, 'Wir sind kampfeswillig und wir hätten das stemmen können'". Wenn die Bundestagswahl im Sinne der Union ausginge, wären alle zufrieden, so Münch. "Und wenn sie nicht im Sinne der Union ausgeht, dann wird man aus Bayern hören: 'Wir hätten es besser gemacht.'"
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