Der Vorstand der niederbayerischen Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf, Robert Betz, ist davon überzeugt: "Wir haben unsere Patienten bis dato bestens behandelt." Doch er befürchtet eine Verschlechterung – für Kliniken und Patienten. Der Grund: die jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Krankenhausreform. Im BR24-Interview bezeichnet er die Reform als "Mogelpackung, die als Allheilmittel verkauft wird".
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Seinen Kliniken würden dadurch bisher erbrachte Leistungen weggenommen: beispielsweise Herzkatheter. Und: "Wir werden keine Schlaganfälle mehr behandeln dürfen – Herzschrittmacher ist auch ein Thema. Wir gehen davon aus, dass wir im zweistelligen Prozentbereich Fälle verlieren werden."
Krankenhausreform: Weg von Fallpauschalen
Krankenhausreform: andere Finanzierung, mehr Qualität? Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hingegen spricht von einer "Revolution in unserem Krankenhaussektor". Die geplante Reform basiert auf zwei wesentlichen Säulen: Erstens sollen die Krankenhäuser künftig anders finanziert werden. Bisher erhalten Kliniken pro Behandlung Geld: sogenannten Fallpauschalen. Viele Eingriffe – wie Knie- oder Hüftoperationen – würden dadurch vorgenommen, "die gar nicht notwendig sind", meint Lauterbach.
Das soll sich ändern. Künftig soll es daher sogenannte Vorhaltepauschalen geben. Das bedeutet: Wenn Kliniken Personal oder medizinische Geräte bereithalten, bekommen sie dafür Geld. Der Gesundheitsminister ist davon überzeugt: "Dann bestimmt der medizinische Bedarf die Behandlung, nicht die Ökonomie."
Spezialisierung von Kliniken gewollt
Der zweite Punkt: Die Qualität der Behandlungen soll verbessert werden. Daher wird künftig nicht mehr jede Behandlung in jeder Klinik möglich sein. Im Kern geht es um die Spezialisierung: Je häufiger spezielle Operationen an einer Klinik durchgeführt werden, desto mehr Routine entsteht und somit auch Qualität. So das Argument von Lauterbach. Dafür sollen strenge Vorgaben gelten: Geld gibt es nur, wenn eine bestimmte Anzahl an Fachärzten vorhanden ist. Erfüllt ein Krankenhaus das nicht, gibt es auch keine Mittel mehr für bestimmte Eingriffe.
Deutschland habe nicht "den medizinischen Bedarf, nicht das ärztliche Personal und auch nicht das pflegerische Personal für 1.700 Krankenhäuser. Wir haben auch nicht die finanziellen Mittel dafür", so Lauterbach. Die Struktur müsse sich ändern, damit Leistung und Qualität zähle.
Kliniklandschaft in Bayern wird sich verändern
Das würde auch Kliniken in Bayern treffen. "Für Herzkatheter muss man fünf Kardiologen in Vollzeit beschäftigen. Die haben wir nicht – in Mallersdorf haben wir zwei", so Vorstand Robert Betz. Durch die Reform könnten sie wohl keine Herzkatheter mehr machen.
Die Krankenhausreform hat zur Folge, dass sich die Kliniklandschaft generell verändert – vor allem im ländlichen Raum. Es geht um Schließungen und Zusammenlegungen. Einige der kleineren Kliniken könnten in Zukunft auch eher als Gesundheitszentren fungieren, in denen Ärzte weniger komplexe Eingriffe vornehmen. Für die Patienten kann das längere Fahrtzeiten für spezielle Operationen bedeuten.
Robert Betz macht sich Sorgen: Ob die Patienten dann überhaupt in den größeren Kliniken alle untergebracht werden können? Ob da das Personal ausreicht? Lauterbach hingegen stützt sich auf Studien und argumentiert: Dadurch verbessert sich die Behandlung für Patienten. In spezialisierten Krankenhäusern mit routiniertem Personal steige die Überlebenswahrscheinlichkeit – beispielsweise, wenn Schlaganfallpatienten behandelt werden. Der SPD-Politiker verspricht, dass die schnelle Erreichbarkeit von Kliniken und die wohnortnahe Grundversorgung weiterhin gesichert bleiben.
Krankenhausreform: Bayern droht mit Klage
Auch die Bundesländer sind der Meinung: Es braucht eine Krankenhausreform. Den Plan von Lauterbach aber kritisieren sie in einer Stellungnahme, die dem BR vorliegt. Mehr Geld komme demnach durch die Reform nicht ins System. Fraglich bleibe auch, ob die Einführung der Vorhaltepauschalen zu einer verbesserten finanziellen Lage der Krankenhäuser führen. Und: Sie fürchten, in ihrer Planungshoheit beschnitten zu werden. Denn die Länder sind für die Krankenhausplanung verantwortlich, das heißt: Sie entscheiden, wo es welches Krankenhaus gibt.
Die Länder sehen sich in ihrer Kompetenz beschnitten, indem der Bund strenge Voraussetzungen vorgibt, die darüber bestimmen, welche Klinik künftig welche Leistung anbieten darf. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) teilt BR24 mit, gegebenenfalls rechtliche Schritte zu gehen: "Wir haben ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das uns in dieser Einschätzung den Rücken stärkt. Als letztes Mittel bleibt für Bayern das Instrument der Verfassungsklage eine Option. Wir werden prüfen, ob wir diesen Weg gehen müssen."
Wie geht es jetzt weiter?
Die erste Hürde hat die Krankenhausreform jetzt genommen – sie wurde vom Bundeskabinett verabschiedet. Karl Lauterbach hat das Gesetz so formuliert, dass die Bundesländer der Reform nicht zustimmen müssen. Sie können die Reform im Bundesrat aber verzögern – indem sie sie in den Vermittlungsausschuss schicken oder tatsächlich klagen.
Die Reform gilt als das größte Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Lauterbach in dieser Legislaturperiode. Obwohl innerhalb der Ampel-Regierung oft Streit dominiert, steht die Ampel hinter den Plänen des SPD-Politikers.
Ganz anders als Robert Betz, Vorstand der Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf. Wie es für seine Kliniken weitergeht? Abzusehen sei das noch nicht wirklich. Klar ist aber: Bis die Reform greift, wird es noch Jahre dauern. Auch kleinere Kliniken werden daher nicht sofort schließen müssen.
Im Video: BR24live – Krankenhausreform und was sie für Bayern bedeutet
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