Der linke Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat die Präsidentenwahl in Brasilien hauchdünn gewonnen. Lula kam in der Stichwahl auf 50,84 Prozent der Stimmen, wie das Wahlamt in der Hauptstadt Brasília nach Auszählung von über 99 Prozent der Stimmen bekanntgab. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt demnach 49,16 Prozent. Der frühere Gewerkschafter Lula hatte das mit 210 Millionen Einwohnern größte Land in Lateinamerika bereits von Anfang 2003 bis Ende 2010 regiert.
"Dieses Land braucht Frieden und Einheit," erklärte Lula in São Paulo vor jubelnden Anhängern. Der rechtsradikale Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt 49 Prozent der Stimmen.
Amtsinhaber Bolsonaro hat bisher noch nicht reagiert
Bolsonaro reagierte noch nicht öffentlich auf das Ergebnis - auch nicht in den Online-Netzwerken, wo Bolsonaro für gewöhnlich sehr aktiv ist. Alle Augen richten sich nun auf ihn - viele Brasilianer befürchten, dass Bolsonaro ähnlich wie der abgewählte US-Präsident Trump eine Wahlniederlage nicht akzeptieren wird.
Den Wahlkampf hatten beide Lager mit harten Bandagen geführt und sich mit Anschuldigen, Beleidigungen und im Internet gestreuten Falschinformationen überzogen. Die Brasilianer wurden vor allem in sozialen Medien und Whatsapp-Gruppen von einer Flut von Falschinformationen überschwemmt.
Lula wirbt nach Wahlsieg für Versöhnung
Lula rief nach seinem Erfolg zur Einheit auf. "Die Brasilianer wollen nicht mehr kämpfen", sagte der 77-Jährige in seiner Siegesansprache. "Niemand will in einem gespaltenen Land leben, das sich in einem Zustand des ständigen Krieges befindet." "Heute ist der einzige Sieger das brasilianische Volk", erklärte er in einer Rede in einem Hotel im Zentrum von São Paulo am Abend. Nun sei der Moment gekommen, den Frieden wiederherzustellen und die Waffen niederzulegen. "Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren", sagte der 77-Jährige in São Paulo.
"Dies ist nicht mein Sieg oder jener der Arbeiterpartei, noch jener der Parteien, die mich im Wahlkampf unterstützt haben. Es ist ein Sieg einer demokratischen Bewegung, die über politischen Parteien, persönlichen Interessen und Ideologien hinweg gebildet wurde, auf dass die Demokratie daraus siegreich hervorgehen konnte.", so Lula.
Er versprach, Zentristen und sogar nach rechts tendierende Bürger einzubinden, die erstmals für ihn votierten. Auch eine Rückkehr in die Zeiten des Wirtschaftsbooms unter seiner Ägide stellte Lula in Aussicht. Damals hatte er auch dank der von hohen Rohstoffpreisen angetriebenen Konjunktur gewaltige Sozialprogramme auflegen können, Millionen Menschen gelang der Aufstieg in die Mittelschicht.
Feuerwerke, ein Toter und Proteste
Der Sieg Lulas wurde von den Anhängern des Kandidaten der Arbeiterpartei (PT) in manchen Städten wie Rio de Janeiro und São Paulo mit Feuerwerken und Freudenschreien begrüßt. Wie Reporter beobachteten, feierten Hunderttausende in São Paulos Straßen.
Bei den Feiern wurde nach Medienberichten aber auch ein 27 Jahre alter Mann erschossen. Vier weitere Personen seien in der Stadt Belo Horizonte verletzt worden, berichtete der örtliche Rundfunk. Das Todesopfer habe in einem Lokal den Wahlsieg von Lula da Silva gefeiert. Dort hätten sowohl Anhänger Lulas als auch des abgewählten rechten Amtsinhabers Jair Bolsonaro die Stimmenauszählung verfolgt. Offen blieb zunächst, ob die Tat einen politischen Hintergrund hat. Der alkoholisierte Schütze sei festgenommen worden.
In mehreren Bundesstaaten des südamerikanischen Landes protestierten Lkw-Fahrer gegen den Wahlsieg des Ex-Präsidenten, berichtete die Zeitung "Folha de S. Paulo" unter Berufung auf die Polizei. Auf Videos in den sozialen Netzwerken waren brennende Reifen zu sehen. Bolsonaro-Anhänger mit Brasilien-Flaggen riefen dazu auf, die Autobahnen des Landes zu blockieren, einige forderten ein Eingreifen des Militärs.
Biden gratuliert - Glückwünsche von der EU
Bald nach Bekanntgabe des Ergebnisses trudelten die ersten Glückwünsche internationaler Politiker ein. "Ich gratuliere Luiz Inácio Lula da Silva zu seiner Wahl zum nächsten Präsidenten nach freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen", erklärte US-Präsident Joe Biden. Er freue sich auf die Zusammenarbeit zwischen den USA und Brasilien. Der französische Staatschef Emmanuel Macron beglückwünschte Lula zu seiner Wahl, die "eine neue Seite in der Geschichte Brasiliens aufschlägt".
Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell beglückwünschte Lula zu seiner Wahl. Er freue sich auf "den Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und Brasilien mit Ihrer Regierung", schrieb er auf Twitter. "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen bei der Bewältigung drängender globaler Herausforderungen, von der Ernährungssicherheit über den Handel bis hin zum Klimawandel", schrieb Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Montag auf Twitter. Ratspräsident Charles Michel nannte als Bereiche der Zusammenarbeit Frieden und Stabilität, Wohlstand sowie den Klimawandel.
Scholz freut sich auf Zusammenarbeit
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat dem linksgerichteten Politiker Luiz Inácio Lula da Silva zur Wahl zum brasilianischen Präsidenten auf Twitter gratuliert. Er freue sich auf eine "enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit Brasilien, besonders in Fragen "von Handel und Klimaschutz", erklärte Scholz am Montag.
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Baerbock: Ein Sieg, mehrere Gewinner
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zum Sieg in der Stichwahl gegen Amtsinhaber Jair Bolsanaro gratuliert. "Die Wahl in Brasilien hat einen Sieger, aber mehrere Gewinner", sagte die Grünen-Politikerin am Montag bei einem Besuch in Kasachstan. Größter Gewinner sei die brasilianische Demokratie. "Denn die Wahlen, die ja sehr knapp waren, sind transparent und fair abgelaufen. Gerade in diesen Zeiten ist das so, so wichtig für unser Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit." Ein anderer großer Gewinner sei das Weltklima, sagte Baerbock.
Vom Schuhputzer zum "Präsident der Armen"
Der heute 77-Jährige Lula da Silva war erst Schuhputzer, dann Gewerkschaftsführer, und schaffte es schließlich in den Präsidentenpalast. Während seiner Amtszeit von 2003 bis 2010 modernisierte der "Präsident der Armen" die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas und verbesserte die Lebensbedingungen von Millionen armer Brasilianer mit dem Programm "Fome Zero" (Null Hunger) und der Familiensozialhilfe.
Allerdings blühte während seiner Regierungszeit auch die Vetternwirtschaft. Lula selbst saß über ein Jahr wegen Korruption und Geldwäsche im Gefängnis - das Urteil wurde später aus formalen Gründen aufgehoben. Lula erhielt seine politischen Rechte zurück und kehrte bald auch wieder auf die politische Bühne zurück.
Mit Material von dpa und AFP.