Der Bundesnachrichtendienst trägt Außenminister Heiko Maas (SPD) zufolge eine erhebliche Mitverantwortung für die jüngsten Probleme beim Afghanistan-Einsatz. "Der BND hat offensichtlich eine falsche Lageeinschätzung vorgenommen, so wie andere Dienste auch", sagte Maas dem "Spiegel" einem Vorabbericht zufolge. Die Entscheidungen, die aufgrund fehlerhafter Berichte getroffen worden seien, seien nach bestem Wissen und besten Gewissen gefallen, im Ergebnis aber falsch gewesen. Maas hatte eine Fehleinschätzung der Bundesregierung eingeräumt.
Die Dienste hätten falsche Einschätzungen voneinander übernommen. Das könne nicht ohne Konsequenzen für die Arbeitsweise der deutschen Nachrichtendienste bleiben. Zudem sollten Erkenntnisse anderer Dienste künftig vor einer Übernahme intensiv geprüft werden.
Nicht an Rücktritt gedacht
Auf die Frage, ob er wegen des Afghanistan-Debakels an Rücktritt gedacht habe, sagte der SPD-Politiker dem Magazin: "In den vergangenen Tagen habe ich nur an eines gedacht, nämlich aus den Fehlern, die wir alle gemacht haben, die Konsequenz zu ziehen und dafür zu sorgen, so viele Leute aus Afghanistan rauszuholen wie möglich." Das sei die Pflicht von jedem, der an der Entwicklung der letzten Tage und Wochen beteiligt gewesen sei.
Forderung nach Debatte über Bundeswehreinsätze
Nach Aussage Maas' brauche eine Debatte über den Sinn von Bundeswehr-Einsätzen. "Das Scheitern in Afghanistan darf nicht dazu führen, dass wir uns außen- und sicherheitspolitisch komplett der Verantwortung auf der Welt verweigern", sagte der Minister. "Aber Afghanistan darf sich auch nicht noch einmal wiederholen", sagte Maas. Die Nato-Partner müssten diskutieren, ob das Verteidigungsbündnis überhaupt geeignet sei, Einsätze außerhalb des eigentlichen Auftrags zu führen. "Ist es unsere Aufgabe, für Frieden zu sorgen? Für die Einhaltung der Menschenrechte? Gehört es auch dazu, unsere Staatsform zu exportieren? Das ist in Afghanistan auf jeden Fall gescheitert", sagte der SPD-Politiker.
Mehr Unabhängigkeit von den USA
Maas forderte, den europäischen Pfeiler der Nato zu stärken und sich unabhängiger von Washington zu machen. "Die Realität ist die, dass die Amerikaner vieles entscheiden und wir folgen, weil wir überhaupt nicht in der Lage sind, ohne die USA schwierige internationale Missionen durchzuführen", sagte der Außenminister. Es müsse "viel politischer" diskutiert werden, ehe Deutschland Soldaten irgendwo hinschicke. "Sonst besteht die Gefahr, dass wir immer nur die Entscheidungen Washingtons nachvollziehen, egal, wer dort Präsident ist", sagte Maas.
Rücktritt von Maas gefordert
In den vergangenen Tagen hatte es von verschiedenen Seiten Forderungen nach einem Rücktritt des Außenministers gegeben. CSU-Chef Markus Söder sprach sich dafür aus, dass Maas nach der Bundestagswahl im September nicht mehr dem Kabinett angehört. Dazu sagte der SPD-Politiker, dass er erst mal erstmal abwarten würde, welche Partei der nächsten Bundesregierung überhaupt angehöre. Das sei ja offener als viele dachten. "Und wie meine berufliche Zukunft aussieht, ist wirklich das Letzte, woran ich im Moment einen Gedanken verschwende", so Maas.
Augenzeugen: Weiter chaotische Szenen am Flughafen in Kabul
In Frankfurt ist wieder eine Maschine mit Geflüchteten aus Afghanistan gelandet. Augenzeugen berichten noch immer von chaotischen Szenen am Flughafen in Kabul.
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