Die Proteste gegen Rechtsextremismus ebben nicht ab. Auch in Bayern zieht es an diesem Wochenende wieder tausende Menschen auf die Straßen. Einer, den man auf den Großdemonstrationen bisher nicht antreffen konnte, ist Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Eher im Gegenteil, der stellvertretende Ministerpräsident Bayerns kritisierte im Kurznachrichtendienst X, Teile der Demonstration seien von Linksextremisten unterwandert gewesen. Er erwarte eine "Distanzierung aller Demokraten und der Bundesregierung vom Linksextremismus".
Friedman: Aiwangers Aussage ist Gift in bayerischer Debatte
Diese Einordnung kritisiert Michel Friedman scharf. "Ich glaube, dieses Spiel im Zwischengeschoss – zwischen dem Geschoss Demokratie und dem Geschoss AfD, dieses Zwischengeschoss ist hochgefährlich". Aiwanger glaube, dass man ihn für dieses Spiel nicht greifen könne, so Friedman, "aber das Gift, dass er ausspritzt, das beeinflusst die Debatte in Bayern. Irgendwann muss er sich entscheiden. Irgendwann muss auch Bayern und auch Herr Söder sich entscheiden".
Der Philosoph sagte, er wünsche Bayern einen "demokratischen stellvertretenden Ministerpräsidenten". Und weiter: "Man müsste als demokratischer Vertreter die Demonstrationen loben. Aber die Unterstellung, dass die Demos aus einer linksextremen Organisation kommen, ist AfD-Niveau. Wir wollen nicht die Methoden der AfD übernehmen", so Friedman.
Ampelregierung nicht allein für starke AfD verantwortlich
Michel Friedman widersprach auch den Aussagen Markus Söders und Hubert Aiwangers, dass das Erstarken der AfD mit der schlechten Arbeit der Ampel-Koalition zusammenhänge. "Wir machen es uns zu leicht, wenn wir den Erfolg der AfD kausal auf schlechte Regierungspolitik beziehen", so der Publizist.
Deligöz: "Wer rechte Parolen kultiviert, unterstützt rechte Parolen"
Auch Ekin Deligöz, parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium, wies diese Kritik zurück. "Wer rechte Parolen kultiviert, unterstützt rechte Parolen und tut nicht unbedingt was dagegen", sagte die Grünenpolitikerin und betont dabei den Druck auf die Ampelregierung. Diese müsse so viel in kurzer Zeit umsetzen, weil die vorherige Regierung zu wenig getan hätte: "Diese Ampel muss ein paar Entscheidungen jetzt fällen und das ist nicht angenehm", so Deligöz beim "Sonntags-Stammtisch".
"Wenn wir jetzt nichts tun, verändert sich die Welt trotzdem". Gleichzeitig übte die Politikerin Selbstkritik an der Kommunikation der Ampel: "Wir können darüber reden, dass wir es vielleicht noch besser und deutlicher kommunizieren müssen, auch der Kanzler", meint Deligöz.
"Es kostet viel mehr Kraft, für etwas zu kämpfen als gegen etwas zu kämpfen"
Unabhängig von den aktuellen politischen Herausforderungen zeigten sich sowohl Ekin Deligöz als auch Michel Friedman angetan von den großen Demonstrationen für die Demokratie. "Meine größte Freude der Woche waren die Hunderttausende Menschen, die friedlich auf die Straße gegangen sind und gesagt haben: Wir wollen Demokratie", lobte Friedman. Und auch Deligöz unterstrich: "Es kostet viel mehr Kraft, für etwas zu kämpfen als gegen etwas zu kämpfen".
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