Die Maschinen stammen noch aus DDR-Zeiten: Vor fast 20 Jahren hatte Deutschland mehrere sowjetische Kampfjets vom Typ MiG-29 an Polen übergeben, für die symbolische Summe von einem Euro. Nun, so die umstrittene Idee der Regierung in Warschau, könnten die betagten Jets über einen Umweg an die ukrainische Luftwaffe geliefert werden, denn deren Piloten sind für den Flugzeugtyp geschult.
Direkt an Kiew übergeben wollte Warschau die insgesamt 28 Kampfjets nicht, Polen schiebt den Ball ins Spielfeld der US-Regierung und der Nato: Polen sei bereit, alle ihre MiG-29 "unverzüglich und kostenlos" auf den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz zu verlegen und den USA zur Verfügung zu stellen.
Scholz: "Sicherlich keine Kampfflugzeuge"
Polen will nicht als Beteiligter im russisch-ukrainischen Konflikt erscheinen - die USA jedoch auch nicht. Sie zeigten sich überrascht von dem Vorschlag aus Warschau und lehnten ihn umgehend ab. Pentagon-Sprecher John Kirby erklärte, Kampfjets von einem US-Nato-Stützpunkt aus in den umkämpften ukrainischen Luftraum zu fliegen, gebe "dem gesamten Nato-Bündnis Anlass zu ernsten Bedenken". Der Vorschlag sei nicht "haltbar".
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hält gar nichts von der Idee. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau verwies er nun in Berlin auf Finanzhilfen, humanitäre Unterstützung und die Lieferung einzelner Waffensysteme. "Und ansonsten ist es aber so, dass wir sehr genau überlegen müssen, was wir konkret tun. Und dazu gehören ganz sicherlich keine Kampfflugzeuge", sagte Scholz. Eine Sprecherin der Bundesregierung hatte zuvor schon betont, dass ein Überschwappen des Krieges auf die Nato verhindert werden müsse. "Alle Entscheidungen werden in diesem Lichte gesehen."
Kreml: "Potenziell gefährliches Szenario"
Derweil äußerte sich auch die Führung in Moskau zu dem polnischen Vorschlag: "Dies ist ein höchst unerwünschtes und potenziell gefährliches Szenario", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Moskau hatte schon zuvor gewarnt, eine Unterstützung der ukrainischen Luftwaffe könnte von Russland als Beteiligung an dem Konflikt gesehen werden und bringe das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen mit sich.
Der Militärexperte Carlo Masala warnte vor einer Eskalation des Konflikts, sollten die MiG-29 an die Ukraine geliefert werden. Die Maschinen seien zwar militärisch bedeutsam, aber "kein Gamechanger", sagte er in einem Podcast des Magazins "Stern". "Man muss sich gut überlegen, ob man solche Waffen liefert, die das Risiko einer Eskalation bergen", warnte der Politikprofessor von der Bundeswehruniversität München.
Selenskyj: "Schauen Sie, wir sind im Krieg"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den Westen eindringlich gebeten, Kiew bei der Beschaffung von mehr Kampfflugzeugen zu unterstützen. Sie sollen helfen, die russische Invasion abzuwehren und die Kontrolle über den ukrainischen Luftraum zu behalten.
Kiew hat die Hoffnung auf die MiG-29 offenbar noch nicht aufgegeben. "Treffen Sie so schnell wie möglich eine Entscheidung, schicken Sie uns Flugzeuge!", mahnte Selenskyj in einem auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichten Video. Der Vorschlag der polnischen Regierung müsse "sofort bearbeitet" werden.
"Wann wird es eine Entscheidung geben?", fragte der Präsident. "Schauen Sie, wir sind im Krieg!"
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