Bei ihrem Parteitag am Wochenende haben sich die Grünen unter anderem mit dem Thema Missbrauch in der Seelsorge befasst. Denn, so das Credo, beiden großen Kirchen sei es bisher nicht gelungen, sexualisierte Gewalt durch Mitarbeitende vollständig aufzuarbeiten und Betroffene auf allen Ebenen einzubeziehen. Die Partei sprach sich in einem am Samstagabend verabschiedeten Antrag dafür aus, Missbrauch in religiösen und weltanschaulichen Institutionen in den entsprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuches aufzunehmen.
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Grüne wollen Paragraf 174c des Strafgesetzbuches ergänzen
Freude und Zustimmung gibt es auf Seiten der Opferverbände. Der Antrag sei "tatsächlich ohne Gegenstimme mit einer einzigen Enthaltung angenommen worden", sagt Sabine Otto, Sprecherin der Betroffeneninitiative Ost im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Da die Grünen Regierungspartei sind und auch das Bundesfamilienministerium inne haben, hofft Otto, dass aus dem Parteitagsbeschluss noch in dieser Legislaturperiode geltendes Recht werden könnte.
In dem Antrag zum Umgang mit Missbrauch in der Seelsorge heißt es: "Wir erkennen die Bemühungen derjenigen an, die sich innerhalb ihrer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften für Prävention, Bekämpfung, Aufklärung und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen einsetzen." Bisher seien die Anstrengungen allerdings nur teilweise erfolgreich gewesen. Paragraf 174c des Strafgesetzbuches solle deshalb entsprechend ergänzt werden.
Betroffene Seelsorger würden Berufszulassung verlieren
Bislang umfasst der Paragraf explizit Missbrauch durch Ärzte und Therapeuten. In dem Antrag der Grünen sollen ebenso Menschen bestraft werden, die sexuelle Handlungen an einer Person, "die ihnen zur Beratung oder Begleitung im institutionell religiösen oder weltanschaulichen Kontext anvertraut ist", unter Missbrauch des Beratungs- oder Begleitungsverhältnisses vornehmen oder an sich vornehmen lassen.
Das führe üblicherweise dazu, dass der Betroffene oder die Betroffene die Berufszulassung verliere und darüber hinaus natürlich auch noch strafrechtlich belangt werden kann, erklärt Sabine Otto. Analog dazu solle dies auch in "professionellen seelsorglichen Verhältnissen" gehandhabt werden. "Wir reden hier nicht von irgendwelchen spontanen Gesprächen auf dem Pfarrhof", präzisiert Otto, "sondern wir reden hier von Exerzitien, von vereinbarter geistlicher Begleitung oder auch von zum Beispiel Wallfahrten oder Ausfahrten mit Gruppen".
"Katholische Kirche hätte mit Änderung kein Problem"
Ob die Kirchen bei so einer Gesetzesänderung Widerstand leisten würden? Was die katholische Kirche angeht, sei diese Regelung im Sinne der deutschen Bischöfe, sagt Sabine Otto. In ihrem im Frühjahr verabschiedeten Papier "In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche", gebe es ein Kapitel über Missbrauch in der Seelsorge. "Und in diesem Kapitel - weit vor dem der Parteitag der Grünen - haben die deutschen Bischöfe in Bezug auf sexuelle Handlungen unter Ausnutzung einer seelsorglichen Beziehung genau auf diesen Paragraf 174 C schon hingewiesen und gesagt, das müsste eigentlich in Analogie dazu gehandhabt werden."
Die Grünen würden in ihrem Antrag auch explizit auf dieses Papier der deutschen Bischöfe zurückgreifen und es sogar zitieren, sagt die Sprecherin der Betroffeneninitiative. Von katholischer Seite würde einer Änderung des Strafgesetzbuches also nichts im Wege stehen.
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