Für Greenpeace war es ein klassisches Eigentor. Eigentlich wollte die Umweltorganisation vor dem Spiel Deutschland-Frankreich gegen den EM-Sponsor VW protestieren. Der Plan: Ein Aktivist sollte aus der Luft einen Latexball mit dem aufgedruckten Motto "Kick out Oil" auf den Rasen herunterlassen. Stattdessen aber landete der Mann selbst unsanft auf dem Spielfeld der Münchner Arena. Mit seinem Gleitschirm hatte er sich in einer Seilkonstruktion am Stadiondach verheddert, geriet ins Taumeln und musste notlanden.
Bei der Aktion des 38-Jährigen wurden nach Polizeiangaben zwei Männer am Kopf verletzt, die zwar nicht notärztlich versorgt werden mussten, aber zur weiteren Abklärung ins Krankenhaus gebracht wurden. Das Polizeipräsidium München teilte mit, dass gegen den festgenommenen Piloten aus Baden-Württemberg wegen "verschiedener Delikte nach dem Strafgesetzbuch und dem Luftverkehrsgesetz" ermittelt wird. Für mehr Sicherheit bei den nächsten Spielen werde der Einsatz von Hubschraubern erwogen, sagte ein Sprecher.
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Scharfschützen schießen wegen Greenpeace-Aufschrift nicht
Der Mann gefährdete mit der Aktion offenkundig nicht nur andere, sondern auch sich selbst. "Man hat aufgrund der Beschriftung 'Greenpeace' davon abgesehen, dass Scharfschützen hier eingegriffen haben", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann der "Bild". Er fügte hinzu: "Wenn die Polizei zu einer anderen Einschätzung gekommen wäre, dass es sich um einen Terror-Anschlag handeln könnte, dann hätte der Flieger die Aktion möglicherweise mit seinem Leben bezahlen müssen."
Die Polizei wurde nach Angaben eines Greenpeace-Sprechers über die Protestaktion des Motorschirm-Piloten informiert. Unmittelbar vor der Aktion sei Beamten innerhalb und außerhalb des Stadions Bescheid gegeben worden. Die Polizei bestätigte diese Angaben allerdings nicht.
Seibert und Söder verurteilen Greenpeace-Aktion
Die Bundesregierung kritisierte die missglückte Protestaktion scharf. "Das war eine unverantwortliche Aktion, die Menschen in große Gefahr gebracht hat", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Sie sei zwar "Gott sei Dank einigermaßen glimpflich" ausgegangen, was auch "eine große Erleichterung" sei. Trotzdem sollten die Verantwortlichen "schon selbstkritisch den Sinn solcher Aktionen hinterfragen, bei denen es um maximales Spektakel für maximale PR-Wirkung" gehe, sagte Seibert.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder kündigte Konsequenzen für den Aktivisten an. "Das wird genau behandelt, das sind klare Verstöße", sagte der CSU-Chef dem Bayerischen Rundfunk: "Sowas ist kein Kavaliersdelikt."
Unionspolitiker fordern Prüfung der Gemeinnützigkeit
Im Raum stehen aber nicht nur juristische Folgen, sondern auch politische - zumindest aus Sicht der Union: "Nach dem Vorfall von gestern mit einer ernsthaften Gefährdung der Stadionbesucher wird es Zeit, die Gemeinnützigkeit von Greenpeace zu überprüfen", twitterte der CDU-Politiker Friedrich Merz. Die CSU schloss sich der Forderung an und sprach von "Ökoextremismus". Generalsekretär Markus Blume erklärte auf Twitter: "Wer mutwillig Menschenleben gefährdet, dem gehört die Gemeinnützigkeit entzogen." CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte zudem: "Greenpeace muss jetzt darlegen, ob im Umfeld der Fußball-EM weitere Aktionen geplant sind oder waren."
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Auch FDP-Fraktionsvize Michael Theurer warf Greenpeace vor, "ohne Sinn und Verstand" Menschenleben gefährdet zu haben, wie er im "Handelsblatt" betonte. Das sei auch schon bei der Farbaktion an der Berliner Siegessäule vor drei Jahren der Fall gewesen. "Eine solche Häufung an äußerst unschönen Vorkommnissen sollte dazu führen, dass die Gemeinnützigkeit dieses Vereins unter die Lupe genommen wird", forderte auch Theurer Konsequenzen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek sagte der Zeitung: "Die Greenpeace-Aktion war, höflich gesagt, im höchsten Maße dämlich - und leider auch gefährlich." Die Organisation habe damit dem Klimaschutz ein Bärendienst erwiesen. Konsequenzen für den Gemeinnützigkeitsstatus lehnt Janecek aber ab.
Greenpeace entschuldigt sich
Greenpeace bat rasch um Verzeihung. "Wir entschuldigen uns dafür, dass bei der heutigen Greenpeace-Aktion aufgrund einer technischen Störung erzwungenen Notlandung Menschen gefährdet wurden", twitterte die Organisation: "Dieser Protest hatte nie die Absicht das Spiel zu stören oder Menschen zu verletzten. Wir hoffen, dass es allen gut geht und niemand ernsthaft verletzt wurde. Greenpeace-Aktionen sind immer friedlich und gewaltfrei. Leider ist bei dieser Aktion nicht alles nach Plan gelaufen."
Die Greenpeace-Entschuldigung stieß allerdings bei den Beteiligten auf taube Ohren. Jens Grittner, Sprecher des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), verurteilte die Aktion nach dem Spiel. "Derjenige hat nicht nur sich und andere gefährdet und verletzt", sagte Grittner: "Das ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar, der Vorgang wird von den Behörden und der UEFA geprüft. Das hätte weitaus schlimmer ausgehen können." Die Europäische Fußball-Union (UEFA) bezeichnete das Ganze als "rücksichtslos" und "gefährlich".
Auch eine Drohne sorgt für Aufregung
Der Gleitschirmflieger war allerdings nicht der einzige "Luftakrobat", der festgenommen wurde. Die Polizei nahm zudem einen 48-Jährigen mit Wohnsitz in Nürnberg in Gewahrsam, weil dieser eine Drohne im "Flugbeschränkungsgebiet" um die Arena gesteuert hat. Ein Zusammenhang mit der Aktion von Greenpeace besteht laut der Polizei "nach derzeitigem Kenntnisstand" aber nicht.
Mit Material von SID, dpa und AFP.
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