Kurz vor dem Nato-Gipfel in dieser Woche hat sich unter anderem der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, für eine frühestmögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ausgesprochen und dafür plädiert, das Land auch mit Kampfjets zu unterstützen. Heusgen sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post": "Die Ukraine muss und sie wird auch Mitglied der Nato werden - sobald die Bedingungen es zulassen." Die Ukraine forderte bislang nachdrücklich, Mitglied in dem Verteidigungsbündnis zu werden.
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Nato-Aufnahme erst nach Kriegsende
Das Land in der jetzigen Phase des Konflikts aufzunehmen, scheide aus, da dies das Bündnis durch die Beistandsverpflichtung nach Artikel fünf des Nordatlantikvertrages direkt in den Krieg hineinziehen würde, sagte Siko-Chef Heusgen. Allerdings solle der am Dienstag beginnende Nato-Gipfel in Vilnius das Signal aussenden, "dass die Ukraine zur Nato-Familie gehört".
Der frühere deutsche UN-Botschafter forderte eine maximale militärische Unterstützung: "Wir müssen der Ukraine alle militärischen Mittel zur Verfügung stellen, die das Land braucht, um sich zu verteidigen, sonst hört die Ukraine auf zu existieren." Er hoffe, dass "die geplante Unterstützung mit F16-Jets aus US-Produktion zustande kommt, damit die Ukraine sich auch in der Luft besser gegen die russische Aggression wehren kann", sagte er.
Putins Glaubwürdigkeit vollständig verbraucht
Mit Blick auf mögliche Friedensverhandlungen lehnte Heusgen Sicherheitsgarantien für Russland ab: "Russland hat alle Verträge, die es geschlossen hat, verletzt. Es wäre ein Hohn, Putin eine Sicherheitsgarantie auszustellen." Nach Heusgens Einschätzung könnte der russische Präsident selbst nach Friedensverhandlungen mit der Ukraine nicht mehr in die erste Reihe der internationalen Politik zurückkehren. Es sei "völlig ausgeschlossen, dass Wladimir Putin noch einmal auf Augenhöhe mit den USA oder China agieren kann. Er ist ein Paria der internationalen Politik, seine Glaubwürdigkeit ist vollständig verbraucht", sagte Heusgen.
Von Nato-Gipfel müsse klares Signal ausgehen
Dass der Ukraine nach Kriegsende eine klare Perspektive gegeben werden muss, fordern auch SPD-Chef Lars Klingbeil und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Ein Nato-Beitritt der Ukraine vor dem Ende des russischen Angriffskriegs kommt für Klingbeil aber auch nicht in Frage. "Die Nato kann die Ukraine nicht aufnehmen, solange sie im Krieg ist, sonst wären Deutschland und die anderen Bündnisstaaten sofort Kriegspartei", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Vom Gipfel der 31 Mitgliedstaaten im litauischen Vilnius werde aber dennoch ein klares Signal der engen militärischen Kooperation mit der Ukraine ausgehen, sagte Klingbeil.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas betonte im lettischen Riga nach politischen Gesprächen mit ihren Kollegen aus den baltischen Staaten, Polen und der Ukraine: "Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass es nach dem Krieg eine ernsthafte Perspektive geben muss für die Ukraine, sich der Nato anzuschließen". Dafür müsse ein Weg aufgezeichnet werden. "Da sind wir uns schon recht einig, dass dazu vom Nato-Gipfel ein Signal ausgehen sollte."
Idee: USA als Schutzmacht nach Kriegsende
US-Präsident Biden skizzierte in einem TV-Interview am Sonntag einen Vorschlag, wie die Ukraine zwischen Kriegsende und einem möglichen Nato-Beitritt geschützt werden könnte. Die Idee könne aber nur im Fall eines Waffenstillstands und eines Friedensabkommens Realität werden: Demnach könnte die USA nach einem Ende des russischen Angriffskriegs der Ukraine einen ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel. "Das Konzept sieht vor, dass die Vereinigten Staaten zusammen mit anderen Verbündeten und Partnern innerhalb eines multilateralen Rahmens bilaterale Sicherheitsverpflichtungen mit der Ukraine auf lange Sicht aushandeln", sagte der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Sonntag. Die USA unterstützen Israel jedes Jahr mit rund 3,8 Milliarden US-Dollar - davon geht ein beachtlicher Teil in Raketenabwehr und Militärtechnik.
- Zum Artikel: Erdoğan: Ukraine verdient Mitgliedschaft in der Nato
Mit Material der Nachrichten-Agenturen DPA und Reuters
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