Nach dem Anschlag auf eine Gruppe von Demonstranten in München mit fast 40 Verletzten versuchen Ermittler, mehr Klarheit über das Motiv des 24-jährigen Afghanen zu bekommen. Derzeit gehen sie davon aus, dass die Tat einen islamistischen Hintergrund hat. Derweil streiten politische Parteien eine Woche vor der Bundestagswahl über die Frage, welche Schlüsse daraus gezogen werden müssen.
Faeser: Kompromiss ja, Zurückweisungen nein
Innenministerin Nancy Faeser signalisierte ihre Kompromissbereitschaft für Änderungen in der Migrationspolitik – allerdings ohne Zurückweisungen an der Grenze. "Ich halte einen Kompromiss zwischen Union und SPD in der Migrationspolitik für notwendig und möglich", sagte die SPD-Politikerin der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Auch die SPD wolle die irreguläre Migration noch stärker begrenzen. "Unsere Gesetzentwürfe zur Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems liegen auf dem Tisch." Natürlich sei die SPD auch hier auch zu sinnvollen Änderungen und Ergänzungen bereit.
Faeser warnte jedoch vor Zurückweisungen an den Grenzen, wie CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sie fordert. "Wenn wir diese europäische Zusammenarbeit aufs Spiel setzen, kommen mehr statt weniger Flüchtlinge nach Deutschland. Denn dann halten sich auch andere nicht mehr an ihre Verpflichtungen", so die SPD-Politikerin.
Mit Blick auf Forderungen nach verstärkten Abschiebungen sagte Faeser, der Rechtsstaat müsse "maximale Härte zeigen". In der Umsetzung seien Abschiebungen nach Afghanistan allerdings schwierig, da dies eine Zusammenarbeit mit den dort herrschenden Taliban erfordere.
Dobrindt: "Alle Hebel müssen genutzt werden"
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält Abschiebungen nach Afghanistan für unbedingt notwendig. "Alle Hebel müssen genutzt werden, um Abschiebungen auch nach Afghanistan und Syrien durchzusetzen", sagte Dobrindt den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Dazu gehöre auch die Entwicklungshilfe, der Visa-Hebel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit.
"Das Sicherheitsinteresse unserer Gesellschaft muss oberste Prämisse sein und nicht der Schutz von Straftätern und Extremisten." Wer als Straftäter, Islamist oder Gefährder nicht abgeschoben werden könne, der müsse zudem in unbefristete Abschiebehaft genommen werden.
CDU- und SPD-Politiker fordern Abschiebungen
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) nannte es unverständlich, dass es seit vergangenem Jahr keine weiteren Abschiebeflüge gegeben habe. "Wir haben bei der Bundesregierung mehrmals nachgefragt und keine Antwort erhalten", sagte er der "Welt am Sonntag".
Auch der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionschef Dirk Wiese pochte auf Abschiebeflüge. "Es muss unser Ziel sein, Direktflüge nach Afghanistan zur Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber zu ermöglichen", sagte er dem "Stern". Das bedeute Gespräche mit schwierigen Gesprächspartnern in Afghanistan.
Kanzler Scholz baut auf weiteren Rückgang von Asylsuchenden
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hofft indessen darauf, dass in diesem Jahr 100.000 Flüchtlinge weniger nach Deutschland kommen als 2024. Durch die von ihm angeordneten Grenzkontrollen seien im vergangenen Jahr fast 40.000 Menschen abgewiesen worden, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung "Ouest-France". "Insgesamt ist die Zahl der Asylsuchenden um 100.000 Personen zurückgegangen, das ist ein Drittel weniger. Und dieser Trend hat sich im Januar fortgesetzt", fügt Scholz hinzu.
Besuch am Anschlagsort in München
Am Nachmittag will Bundeskanzler Scholz in München den Ort des Anschlags besuchen und der fast 40 Verletzten gedenken.
Der 24-jährige Täter, der in Deutschland vergeblich Asyl beantragt hatte, war am Donnerstag in München mit seinem Auto in das Ende eines Demonstrationszugs gefahren. Laut Polizei wurden 39 Menschen verletzt, einige von ihnen schwer. Ein Kind und eine weitere Person befanden sich am Freitag nach Klinik-Angaben in kritischem Zustand. Der Fahrer kam in Untersuchungshaft. Ein Ermittlungsrichter ordnete dies wegen des dringenden Verdachts auf 39-fachen versuchten Mord an, wie die Generalstaatsanwaltschaft München mitteilte.
Mit Informationen von dpa und AFP
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