Der Täter des Anschlags von München, Farhad N., zeigte sich auf Instagram als Bodybuilder und Fitnessinfluencer.
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Der Täter des Anschlags von München, Farhad N., zeigte sich auf Instagram als Bodybuilder und Fitnessinfluencer.

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Vom Influencer zum Attentäter – Was wir über Farhad N. wissen

Vom Influencer zum Attentäter – Was wir über Farhad N. wissen

Der 24-jährige Afghane steuerte in München sein Auto in eine Demonstration, verletzte dabei mindestens 39 Personen. Ermittler gehen mittlerweile von einem islamistischen Motiv aus. Wer ist der Mann, der sich mit Fitness-Bildern in Szene setzt?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Weniger als 24 Stunden vor der Tat postete Farhad N. auf Instagram. Das Bild: Er in Jeans, schwarzem T-Shirt, das Hemd spannt sich über seinen Bizeps. Dazu schreibt der Afghane auf Dari, einer der Amtssprachen in Afghanistan: "Oh Allah, beschütze mich immer". Dann tippt er zwei Emojis. Das erste stellt die Kaaba in Mekka dar, ein zentrales Heiligtum des Islams. Das zweite zeigt einen erhobenen Zeigefinger, der als Symbol für die Einheit Gottes gilt. Es ist bei Islamisten beliebt, wird aber auch von anderen verwendet.

Der Mann, der am Donnerstag seinen weißen Mini Cooper in eine Menschenmenge in der Münchner Innenstadt steuerte und dabei mindestens 39 Menschen verletzte, veröffentlichte viele Fotos von sich im Internet. Auf zahlreichen posiert er mit seinem durchtrainierten Körper, sie zeigen ihn bei Bodybuilder-Wettbewerben und in Fitness-Studios. Allein auf Instagram folgten dem Mann 68.000 Accounts. Der Fitness-Influencer nannte sich dort "AFG Boy", afghanischer Junge.

Wie wurde der Bodybuilder zur tödlichen Gefahr?

In einem Fitness-Studio, in dem Farhad N. oft trainierte, erinnern sich mehrere Kunden an ihn. Ein Besucher sagte dem BR, der Mann sei noch am Mittwoch dort gewesen. "Er war positiv. Hat nur vom Training gesprochen. Er wollte höher hinaus, war sehr fit", sagte der Sportler, "im Nachhinein hinterlässt das einen komischen Eindruck. Ich bin erschüttert, was passiert". Ein Mann in einem anderen Studio beschreibt Farhad N. als "immer nett, immer höflich." Er habe an Ramadan gefastet, habe immer Leuten geholfen. "Ich kann nicht glauben, dass er es war."

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte am Freitag im Deutschlandfunk, es bringe zum Nachdenken, dass Personen, die scheinbar gut integriert seien und eine Arbeit hätten, zu solch "brutalen Entschlüssen" kämen. Während noch einige der Verletzten in Lebensgefahr schweben, fragen sich viele in München: Wer ist Farhad N.? Wieso wurde der Bodybuilder zum Attentäter, zur tödlichen Gefahr?

Hinweise auf islamistisches Motiv

Auf TikTok, Facebook, Instagram drehte sich bei Farhad N. alles um Bodybuilding und Lifestyle, es gab zudem mehrfach Bezüge zum Islam. "Oh Allah, leite uns immer auf den richtigen Weg", schrieb er unter ein Video auf Instagram, "Jeder, der sich gegen den Islam gestellt hat, hat dies nur aus Unwissenheit getan." Mittlerweile sind alle seine Profile im Internet gelöscht.

Laut der Generalstaatsanwaltschaft in München, die die Ermittlungen wegen des Attentats übernommen hat, gibt es erste Hinweise auf ein islamistisches Tatmotiv. Die leitende Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann sagte am Freitag, Farhad N. habe bei seiner Verhaftung nach dem Attentat am Donnerstag "Allahu Akbar" geschrien. Er habe in einer Vernehmung eingeräumt, absichtlich in die Menschenmenge gefahren zu sein.

Oberstaatsanwältin Tilmann sagte, Farhad N. bezeichne sich als religiös, er gehe regelmäßig in die Moschee. Die Ermittler haben bislang keine Spuren zu islamistischen Gruppen oder Netzwerken.

Seit der Machtübernahme der Taliban geduldet

Farhad N. lebt in einer Mietwohnung in München-Solln, er hatte zuletzt eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, war weder ausreisepflichtig noch vorbestraft. Er arbeitete nach BR Erkenntnissen für ein überregional tätiges Sicherheitsunternehmen. Auf Instagram Posts trägt er die Uniform des Unternehmens. Auch zeigen Bilder den 24-Jährigen als Türsteher vor einer Luxus-Boutique in der Münchner Maximilianstraße. Vor der Zentrale der Firma sprach ein Mitarbeiter von "einem schweren Tag für die Kollegen".

Er war im Jahr 2016 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland gekommen und stellte 2017 einen Asylantrag. Dieser wurde abgelehnt. Danach lag sein Fall drei Jahre beim Verwaltungsgericht München.

Nach BR-Informationen lebte Farhad N. bis zu seiner Volljährigkeit in einer Einrichtung der Diakonie in München. Diese wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Wie der Spiegel berichtet (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt), war Farhad N. seit Dezember 2020 "vollziehbar ausreisepflichtig" – er hätte also abgeschoben werden können. Als die Taliban im Sommer 2021 die Macht in Afghanistan übernahmen, war dies nicht mehr möglich: Seither hatte der Mann eine Duldung in Deutschland.

Laut Innenminister Herrmann schien der Mann in einem guten Integrationsprozess zu sein. Er wäre nicht auf einer Abschiebeliste gelandet. Nun müsse dahingehend ermittelt werden, weshalb er von diesem Weg abgekommen sei.

Sondersitzungen im Bundestag geplant

Nach BR-Informationen haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser gemeinsam mit Vertretern weiteren Bundesbehörden die Innenexperten der Bundestagsfraktionen am Freitagvormittag im Rahmen einer Telefonschalte über ihre Erkenntnisse zu dem mutmaßlichen Täter informiert.

Vor dem Hintergrund des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg und den Messerangriff in Aschaffenburg sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Konrollgremiums (PKGr), Konstantin von Notz (Grüne), zur gestrigen Amok-Fahrt in München: "Bei der auffälligen Häufung dieser entsetzlichen Taten unmittelbar vor der Bundestagswahl müssen die Sicherheitsbehörden mit Blick auf die Motivlage des mutmaßlichen Täters und die genauen Hintergründe der Tat einen breiten Ansatz wählen."

Geplant ist, dass mehrere Gremien in der kommenden Woche in Berlin zu Sondersitzungen zusammenkommen, darunter der Bundestags-Innenausschuss und das Parlamentarische Kontrollgremium.

Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert.

Zum Video: Anschlag von München – Die Suche nach dem Motiv

14.02.2025, Bayern, München: Gabriele Tilmann, Leitende Oberstaatsanwältin der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus ZET, Guido Limmer, spricht auf einer Pressekonferenz. Am Vortag war ein Auto in eine Ver.di Demonstration gerast. Dabei wurden 30 Menschen verletzt. Die Ermittler gehen von einem islamistischen Motiv des Autofahrers aus. Foto: Jason Tschepljakow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Auto in München in Menschengruppe gefahren

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