Emblem des Nato-Gipfels in Madrid.
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Nato-Gipfel beginnt: Das sind die großen Baustellen

Nato-Gipfel beginnt: Das sind die großen Baustellen

Einen Tag nach Abschluss des G7-Gipfels in Elmau beginnt der Nato-Gipfel in Madrid. Auf der Tagesordnung stehen die Erweiterung um Schweden und Finnland, die Vergrößerung der schnellen Eingreiftruppe, Hilfen für die Ukraine und Fragen zur Strategie.

Wenn heute in Madrid die Nato-Mitglieder zu Beratungen zusammentreffen, haben sie so komplizierte Gespräche vor sich wie selten. Wir stellen die größten Baustellen des westlichen Verteidigungsbündnisses vor.

Die Truppenverstärkung im Osten

Mehr Soldaten, mehr Waffen, mehr Manöver. Die Nato will ihre Präsenz in den östlichen Bündnisgebieten deutlich ausbauen. Zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Dabei geht es auch um Verbesserungen der Luftraumüberwachung und der Raketenabwehr. In Bulgarien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei werden zusätzliche Kampfgruppen stationiert, sogenannte "multinationale Battlegroups", die Streitkräfte in Polen und den baltischen Ländern verstärkt. Angepeilt wird jeweils Brigade-Stärke, das wären drei– bis fünftausend Mann. Deutschland übernimmt die Führung in Litauen, Großbritannien in Estland, Kanada in Lettland. Die Truppen sollen gemeinsam mit den Soldaten der jeweiligen Partnerländer für Einsätze trainieren, aber nicht ständig vor Ort sein.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine plant die Nato außerdem, deutlich mehr Soldaten als bisher in erhöhte Bereitschaft zu versetzen. Um flexibler auf mögliche Bedrohungen reagieren zu können, soll unter anderem die "schnelle Eingreiftruppe" mit aktuell rund 40.000 Mann umgebaut werden, die schon seit Monaten alarmbereit ist. Insgesamt will die Allianz demnächst mehr als 300.000 Mann innerhalb bestimmter Fristen in den Einsatz schicken können. Die Rede ist von 10 bis 50 Tagen. Nato-Generalsekretär Stoltenberg spricht von einem grundlegenden Wandel in der Abschreckungs- und Verteidigungspolitik der Allianz – und von einem deutlichen Signal in Richtung Moskau.

Die Unterstützung für die Ukraine

Wenn der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video zum Gipfel dazu geschaltet wird, kann er mit weiteren Hilfszusagen der Nato rechnen. Generalsekretär Stoltenberg hält es für "extrem wichtig", die Fähigkeiten zur Selbstverteidigung der Ukraine zu stärken - und hat deshalb schon vor dem Gipfel umfangreiche Lieferungen angekündigt. Anti-Drohnen-Systeme etwa, oder sichere Kommunikationstechnik und Treibstoff. Auf längere Sicht will die westliche Verteidigungsallianz die Ukraine dabei unterstützen, ihre militärische Ausrüstung, die noch aus der Zeit der Sowjetunion stammt, durch modernes Gerät aus den Nato-Ländern zu ersetzen.

Die Norderweiterung

Auch Finnland und Schweden stehen vor einer Zeitenwende. Angesichts des grausamen russischen Angriffskriegs in der Ukraine wollen beide Länder ihre jahrzehntelang praktizierte Bündnisfreiheit aufgeben. Wenn sich Finnland und Schweden der Nato anschließen möchten, dann werden wir sie mit offenen Armen empfangen, sagte Generalsekretär Stoltenberg bereits im April und verwies darauf, dass es schon lange eine enge militärische Zusammenarbeit gibt.

Außerdem ist die Nato davon überzeugt, dass eine Erweiterung Richtung Norden nicht nur mehr Sicherheit für die beiden skandinavischen Länder bringt, sondern das westliche Verteidigungsbündnis insgesamt stärker macht. Die finnische Armee ist traditionell auf die Landesverteidigung ausgelegt und besitzt eine große Zahl von Artilleriesystemen, die schwedischen Streitkräfte verfügen über eine moderne Marine mit Korvetten und U-Booten. Beide Länder bringen zudem eine starke Luftwaffe mit.

Allerdings hatte die Türkei zunächst auf der Bremse gestanden und den Beitrittsprozess damit blockiert. Neue Mitglieder kann die Nato nämlich nur einstimmig aufnehmen. Der türkische Präsident Erdogan warf Schweden und Finnland vor, zu wenig gegen kurdische Extremisten zu unternehmen und verlangte unter anderem die Auslieferung von PKK-Anhängern. Außerdem sollten die Regierungen in Helsinki und Stockholm ihr Waffenembargo gegen die Türkei aufgeben, das sie nach dem nicht in der Nato abgestimmten Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien verhängt hatten.

Am Rande des Gipfels konnten die drei Länder dann allerdings ihren Streit beigelegen. In einer schriftlichen Vereinbarung versprechen die drei Länder, sich bei Sicherheitsbedrohungen gegenseitig zu helfen, vor allem im Kampf gegen den Terrorismus. Aus Ankara heißt es, die beiden skandinavischen Staaten hätten die volle Unterstützung gegen Kämpfer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zugesagt. Jetzt können Schweden und Finnland wie erhofft schnell Teil der Nato werden, und auch die Türkei hat bekommen, was sie wollte, so sagte es jedenfalls Präsident Erdogan nach dem erfolgreichen Abschluss der Gespräche in Madrid. Mit dem Ergebnis sind am Ende also alle zufrieden.

Das neue strategische Konzept

Terror, Cyberangriffe, Extremismus, autoritäre Herrscher. Was sind die großen Herausforderungen für die Nato in den nächsten 10 Jahren? Welche Risiken gibt es? Und wie soll die Militärallianz auf neue Bedrohungen reagieren? Die aktuelle Strategie stammt aus dem Jahr 2010. Damals galt Russland noch als möglicher Partner, von China war gar keine Rede. Heute ist die Sicherheitslage eine vollkommen andere. Russland führt mitten in Europa einen blutigen Angriffskrieg. China betreibt immer aggressiver seinen Aufstieg zur Weltmacht.

Die Nato hat inzwischen das Russland-Kapitel komplett umgeschrieben. Moskau wird jetzt als klar die größte und direkteste Gefahr für die internationale Ordnung benannt. China als Herausforderung für die Sicherheit, Interessen und Werte der Nato. Die USA wollten eigentlich einen schärferen Ton gegenüber Peking, dagegen hatte unter anderem Deutschland auf eine ausgewogene Formulierung gepocht.

Auch den Kampf gegen den Klimawandel hält das die Nato für eine wegweisende Aufgabe. Die zunehmende Erderwärmung sieht das Bündnis als Bedrohung für die weltweite Stabilität sowie für aktuelle und zukünftige Militärmissionen. Schließlich werden extreme klimatische Verhältnisse in den Einsatzgebieten schon heute für Mensch und Material immer mehr zur Belastung. Die Nato will deshalb weniger Treibhausgase in die Luft blasen und bis 2050 klimaneutral sein.

Europäische Perspektiven

BR24 wählt regelmäßig Inhalte von unseren europäischen öffentlich-rechtlichen Medienpartnern aus und präsentiert diese hier im Rahmen eines Pilotprojekts der Europäischen Rundfunkunion. Aktuell im Fokus: Der NATO-Gipfel in Madrid.

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