Darum geht’s:
- In einem Tweet werden Fotos von Wladimir Putin mit teils falschen Orts- und Datumsangaben verbreitet
- Dies befeuert Spekulationen, es handele sich nicht um dieselbe Person
- Als Beleg dafür, dass es sich um einen Putin-Doppelgänger handeln könne, dienen die Fotos nicht
Es gibt momentan zahlreiche Gerüchte in den sozialen Netzwerken, aber auch Medienberichte, die nahelegen, Wladimir Putin sei nicht selbst nach Mariupol gereist, sondern habe ein Double geschickt. Belege dafür gibt es nicht.
Anton Geraschtschenko, ehemaliger ukrainischer Vize-Innenminister und heutiger Berater des Innenministers, hat auf Twitter ein Bild geteilt, auf dem drei Aufnahmen von Wladimir Putin zu sehen sind. Die drei Fotos stehen direkt nebeneinander, zu jeder Aufnahme gibt es eine Orts- und eine Datumsangabe. Das Kinn von Putin ist jeweils rot umkreist, dazu schreibt Geraschtschenko: "Which one do you think is the real one?" ("Welcher, glauben Sie, ist der Echte?"). Der Tweet verbreitete sich stark, wurde innerhalb der ersten 24 Stunden rund sechs Millionen Usern angezeigt.
Geraschtschenko stellt es fälschlicherweise so dar, als handele es sich um Aufnahmen, die innerhalb weniger Tage an unterschiedlichen Orten entstanden seien. Darauf aufbauend legt er nahe, Unterschiede in der Gesichtspartie seien ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um dieselbe Person handele.
Dafür können die Fotos in Kombination mit den Textangaben allerdings nicht als Beleg dienen: Die Orts- und Datumsangaben sind teilweise falsch, ein Foto ist bereits mehrere Jahre alt, ein anderes spiegelverkehrt. Zwei Fotos, die einen Gegensatz belegen sollen, stammen aus demselben Video.
Foto 1: Bereits drei Jahre alt
Das linke Foto ist mit der Angabe "21.03.23 Moscow" betitelt. Diese Datumsangabe ist jedoch nachweislich falsch. Die älteste Version dieses Fotos, dass sich über die Bilderrückwärtssuche "TinEye" finden lässt, wurde bereits vor drei Jahren, am 23. Februar 2020, von der russischen Nachrichtenagentur "Tass" veröffentlicht und auch in einem Artikel der russischen Ausgabe der BBC verwendet.
Foto 2: Spiegelverkehrter Screenshot aus einem Video
Das mittlere Bild ist ein Screenshot aus einem Video. In dem Tweet wird behauptet, die Aufnahme stamme vom 18. März 2023 und aus Sevastopol.
Quelle der Aufnahme ist allerdings ein Video, das unter anderem die russische Zeitung "Iswestija" am Morgen des 19. März auf Telegram veröffentlichte. Auf dieses Video weist der italienische Faktenchecker David Puente auf Twitter hin. Auch andere russische Medien veröffentlichten das Material infolge des Besuchs. Da das Video in der Dunkelheit aufgenommen wurde, liegt es nahe, dass die Aufnahmen vom Vorabend stammen und die Datumsangabe "18.03.23" deshalb stimmen könnte.
Nach Angaben des Telegram-Kanals der russischen Zeitung zeigt das Video Putin aber nicht in der Krim-Stadt Sevastopol, wie auf Twitter behauptet, sondern bei einem Besuch im von Russland besetzten Mariupol in der Ost-Ukraine.
Dass das Video tatsächlich in Mariupol entstanden ist, konnte anhand der im Video zu sehenden Gebäude und dem Spielplatz bereits verifiziert werden, wie in diesem Tweet von "GeoConfirmed" nachzuvollziehen ist.
Andere Tweets gehen auf Putins Scheitel ein, der anders sei als auf dem linken Foto - was als vermeintliches Indiz dafür genommen wird, dass es sich um unterschiedliche Personen handele.
Allerdings wurde der Videoausschnitt, der in dem Tweet verwendet wurde, gespiegelt. Tatsächlich zeigt er Putins linke Gesichtshälfte, das Foto aus dem Jahr 2020 zeigt die rechte.
Die Fotos zeigen Putin also nicht von derselben Seite. Außerdem liegen rund drei Jahre zwischen dem Entstehen der beiden Aufnahmen, der linken von 2020 einerseits und der mittleren von 2023 andererseits.
Foto 3: Stammt aus dem gleichen Videomaterial wie Foto 2
Die dritte Aufnahme, im Tweet rechts, lautet "19.03.23 Mariupol". Diese Angabe scheint zwar korrekt zu sein (wobei es wie oben ausgeführt auch der 18. März gewesen sein könnte), dennoch ist die Darstellung der Aufnahme irreführend. Denn sie stammt aus dem gleichen Videomaterial wie auch Foto 2.
Im Foto von Geraschtschenkos Tweet wird fälschlicherweise suggeriert, zwischen den Aufnahmen liege ein Tag und sie seien in unterschiedlichen Städten entstanden. Dabei lagen zwischen der Entstehung dieser Aufnahmen wohl nur Minuten oder höchstens wenige Stunden.
Kinn auf den Aufnahmen kein Beleg für Behauptungen
Die irreführende Verwendung der Fotos von Putin ist ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich dieselbe Person aus verschiedenen Perspektiven aussehen kann, obwohl es sich sogar um dasselbe Filmmaterial (im Falle des Videos aus Mariupol) handelt.
Über den irreführenden Post von Geraschtschenko, der falsche Angaben zu Datum und Entstehungsort einiger Aufnahmen beinhaltet, hatte der italienische Fact-Checker David Puente von "Open Fact-Check" zuerst berichtet.
Gerüchte, dass Putin einen Doppelgänger haben könnte, halten sich schon länger. Vor Kurzem hatte dies Igor Girkin in einem Video behauptet. Mehrere deutsche Medien griffen die Aussagen auf. Girkin war Separatistenführer im Donbass und wurde wegen des Abschusses der Passagiermaschine MH17 von einem niederländischen Strafgericht schuldig gesprochen und ist international zur Verhaftung ausgeschrieben.
Aktuell soll er laut dem "Institute for the Study of War" gemeinsam mit dem Kopf der Wagner-Gruppe Jewgeni Prigoschin eine eigene Miliz rekrutieren. Girkin kritisierte Putin in der Vergangenheit wiederholt öffentlich.
Ob es tatsächlich einen Doppelgänger von Putin gibt, ist umstritten. Anhand der aktuell verbreiteten Fotos jedenfalls lässt sich eine solche Behauptung nicht belegen.
Fazit
Die Aufnahmen in Geraschtschenkos Tweet sind zum Teil mit falschen Orts- und Zeitangaben versehen. Eine der Aufnahmen ist spiegelverkehrt, zwei stammen nicht wie behauptet aus unterschiedlichen Städten, sondern aus demselben Video aus Mariupol. Die Fotos eignen sich nicht als Beleg dafür, dass es sich um unterschiedliche Personen handeln könnte.
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