Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern: Diese drei Bundesländer wollen laut einem Bericht der "Welt am Sonntag" für mehr Gerechtigkeit bei den Strompreisen sorgen. Aus ihrer Sicht trägt der Norden die Hauptlast der Energiewende. Das müsse sich auch in den Preisen für die Verbraucher niederschlagen.
"Energiepolitischer Irrweg" bayerischer Staatsregierungen
Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) erklärt es so: "Wenn ich da lebe oder produziere, wo auch die Energie produziert oder angelandet wird, muss diese Energie dort auch günstiger sein." Ähnlich äußert sich Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt von den Grünen - und richtet dabei auch einen Seitenhieb gegen Bayern: Nach seinen Worten wäre eine Aufteilung in verschiedene Preiszonen nur die "logische Konsequenz des energiepolitischen Irrweges" bayerischer Staatsregierungen.
Goldschmidt betont, dass Bayern den Ausbau von Stromnetzen und Windkraft "sabotiert" habe - "mehr als 15 Jahre lang". Deshalb sei es den "Menschen im Norden schlicht nicht mehr zu vermitteln, warum sie die Zeche dafür zahlen müssen".
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Mecklenburg-Vorpommern verweist auf hohe Netzentgelte
Mit im Bunde ist Mecklenburg-Vorpommern: Dessen Energieminister Reinhard Meyer (SPD) verweist auf die hohen Stromnetzentgelte. Sie belasteten die Endverbraucher und benachteiligten den norddeutschen Wirtschaftsstandort. Es könne nicht sein, dass Länder, die einen hohen Anteil am Ausbau der erneuerbaren Energien schulterten, die höchsten Strompreise verkraften müssten.
Die "Netzentgelte" sind Gebühren, die die Netzbetreiber den Energieanbietern in Rechnung stellen - für die Durchleitung von Strom. Das Problem dabei: In den vergangenen Jahren kam der Netzausbau nicht so schnell voran wie der Ausbau der Erneuerbaren. Die Netzbetreiber mussten vielerorts selbst eingreifen, um einen sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten - und das ging ins Geld. Außerdem sind die Netzentgelte abhängig davon, wie dicht eine Region besiedelt ist (je mehr Einwohner bezogen auf die Fläche, desto günstiger) und wie viele Industrie-Abnehmer es gibt.
Allerdings: Mit dem "Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur", beschlossen im Jahr 2017, wurden die Netzentgelte schrittweise vereinheitlicht. Und ab dem 1. Januar 2023 werden sie überall in Deutschland gleich hoch sein. Das Argument aus Mecklenburg-Vorpommern dürfte spätestens dann nicht mehr greifen.
Bayern sieht sich bei Erneuerbaren weit vorn
So oder so: In der bayerischen Staatskanzlei dürfte die Forderung aus dem Norden auf reichlich Unverständnis stoßen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte in letzter Zeit immer wieder unterstrichen, dass der Freistaat bei den erneuerbaren Energien ganz vorn sei. Für die aktuellen Probleme bei der Energieversorgung ist aus seiner Sicht vor allem der Bund verantwortlich - allen voran Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen: Ließe er die Atomkraftwerke länger laufen, kämen alle Bundesländer besser durch diesen Winter.
Kritik an Bayern auch von Grünen im Bundestag
Verständnis für die Forderungen aus dem Norden zeigen die Grünen im Bundestag: Fraktionschefin Katharina Dröge betonte, wenn nach der EU jetzt auch die norddeutschen Bundesländer darüber diskutierten, ob es zwei Strompreiszonen in Deutschland braucht, zeige das, wie sehr die CSU energiepolitisch versagt habe.
Bayerns Ministerpräsident Söder müsse "endlich einen Sofortplan zum Ausbau der Windenergie vorlegen", so Dröge. Söders Ankündigung vom August, 1.000 neue Windräder zu bauen, ist aus Grünen-Sicht also alles andere als ausreichend.