Im österreichischen Parlament ist die ÖVP mit 37 Prozent die mit Abstand stärkste Fraktion. Die aktuelle Stimmungslage ist aber eine völlig andere. Laut Umfragen liegt die Österreichische Volkspartei aktuell bei knapp unter 20 Prozent und ist damit nur noch drittstärkste Kraft.
Polit-Skandal um Ex-Kanzler Kurz ohne Ende
Der Partei hängen immer noch die Affären um ihren Ex-Kanzler Sebastian Kurz an: Vor allem die um die frisierten Meinungsumfragen und die geschönten Medienberichte, die mit Steuergeldern gekauft worden sein sollen.
Der aktuelle ÖVP-Kanzler Karl Nehammer ist in den Augen vieler Österreicherinnen und Österreicher der Falsche, um die Partei aus dieser Krise zu führen. Hauptvorwurf: Mit ihm habe es bislang keinen klaren Schnitt gegeben.
ÖVP: Macht statt Einsicht
Von Kanzler Nehammer kommen stattdessen Beteuerungen wie diese: "So bin ich nicht und so sind wir nicht. Wenn es diese Vorgänge gegeben hat, dann verurteile ich sie auf das Schärfste." Verurteilung also eben nur, wenn es die Vorgänge gegeben hat. Bis dahin versteckt sich Nehammer gerne hinter solchen Formulierungen: "Ob diese Vorgänge nun so passiert sind, klären einzig und alleine unabhängige Gerichte. Ich spreche niemanden schuldig. Ich bin kein Richter."
Das mag zwar juristisch korrekt sein, politisch sei das aber zu wenig, so die Chefin der österreichischen Sozialdemokraten Pamela Rendi-Wagner: "Die einzige Entschlossenheit, die man bei Ihnen erkennen kann, ist jene, dass Sie bis zum bitteren Ende an ihren Regierungsbänken sitzen bleiben wollen, sehr geehrte Bundesregierung." SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner war durch die ÖVP-Krise zuletzt sogar zur beliebtesten Politikerin Österreichs aufgestiegen. Dabei galt sie zuvor lange Zeit als zu farblos.
"House of Cards für Alpenländler"
Jemand, der auch ordentlich gegen Nehammer und seine ÖVP austeilt, ist die ehemalige ÖVP-Politikerin und heutige Chefin der liberalen NEOS, Beate Meinl-Reisinger. 22 Sondersitzungen des Parlaments habe es in dieser Legislaturperiode bereits gegeben, sagt Meinl-Reisinger, sieben davon, also ein Drittel, hätten sich um die Korruptionsskandale der ÖVP gedreht. Die Chefin der NEOS vergleicht den Polit-Skandal mit einer TV-Serie: "House of Cards für Älpenländler mit verschiedenen Staffeln. Ich würde die erste 'Verblendung' nennen, die zweite 'Verführung' und die dritte vielleicht 'Aufstieg und Fall der Wunderwuzzis'."
Die sogenannten Wunderwuzzis, das junge eingeschworene Team um den ehemaligen Kanzler Sebastian Kurz, gibt es nicht mehr. Fast alle haben sich aus der Bundesregierung zurückgezogen.
Parteisoldat folgt Wunderwuzzis
Der aktuelle ÖVP-Kanzler Nehammer galt selbst nicht als Wunderwuzzi, sondern eher als spröder Partei- und Regierungssoldat, mit einer echten Soldatenvergangenheit im Bundesheer. Die ganzen Skandale um frisierte Umfragen, um Posten-Geschachere und Einflussnahme auf Justiz und Medien hingen Nehammer nicht direkt an.
Dafür allerdings der Terroranschlag in der Wiener Innenstadt 2020. Da gab es im Vorfeld Kommunikationsfehler in den Behörden, die Nehammer als Innenminister unterstellt waren.
So oder so ist die ÖVP stark gebeutelt. In den Umfragen wurde sie neben der SPÖ auch von der rechten FPÖ überholt. Was also tun?
ÖVP geht mit Asylpolitik auf Stimmenfang
Nehammer hat sich in letzter Zeit gerne diesem Thema gewidmet: "Das Asylsystem der europäischen Union ist gescheitert", sagt er. Hier stand Nehammer zusammen mit den autoritären Präsidenten von Ungarn und Serbien, Viktor Orbán und Aleksandar Vučić. Nehammer inszenierte sich als Kämpfer gegen eine neue Flüchtlingswelle auf der Balkan-Route.
Das Thema wurde auch vom Vorsitzenden der ÖVP-Fraktion im Parlament, August Wöginger, aufgegriffen. Er forderte, dass die Europäische Menschenrechtskonvention überarbeitet gehöre. Das sorgte für viel Kritik, auch aus der eigenen Partei. Dabei wollte Wöginger nicht genauer ausführen, welche Menschenrechte man Flüchtlingen möglicherweise nicht mehr zugestehen solle.
Es schaltete sich sogar der österreichische Präsident, Alexander van der Bellen, ein. Er twitterte, dass die Wöginger-Forderung an den Grundfesten der Demokratie rüttele. Gebracht hat diese Diskussion der ÖVP - nichts.
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