Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) hält vor Kameras und Journalisten ein 200ml-Glas in der einen Hand, in der anderen Hand hält er ein weiteres Glas mit fünf Stück Würfelzucker.
Plakativ will er damit die Ergebnisse des bundeseigenen Max Rubner-Instituts verdeutlichen: Gerade Fruchtgetränke für Kinder sind demnach zu zuckerhaltig: "Da können Sie gleich den Zahnarzt mitbestellen, wenn Sie das regelmäßig trinken", so der Ernährungsminister.
Freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller: Zucker, Fett und Salz bis 2025 reduzieren
Das bundeseigene Max Rubner-Institut hat 7.000 Produkte untersucht. Ziel des Produktmonitorings ist es, die Versprechen der Hersteller regelmäßig zu überprüfen. Diese hatten sich freiwillig dazu verpflichtet, Werte wie Zucker, Fett oder Salz in ihren Produkten bis 2025 zu reduzieren. Doch die Zahlen des Instituts zeigen: Viele Fertigprodukte enthalten weiterhin viel Zucker – gerade Lebensmittel speziell für Kinder.
Studie: Zuckerhaltige Kinderprodukte
So bestehen 100 Gramm herkömmlicher Frühstückscerealien im Durchschnitt zu 14 Gramm aus Zucker. Bei Frühstückscerealien für Kinder sind es noch drei Gramm mehr – also fast sechs Stück Zucker.
Zwar reduzieren die Hersteller zum Beispiel bei Joghurt oder Quark den Anteil von Salz und Fett. Laut Max Rubner-Institut sind sie in Suppen-Eintöpfen und Instantgerichten aber weiter hoch.
Özdemir: "Bitte reduzieren Sie den Anteil des Zuckers"
Die Ampel hat sich im Koalitionsvertrag zum Ziel gemacht: "Wir schaffen wissenschaftlich fundierte und auf Zielgruppen abgestimmte Reduktionsziele für Zucker, Fett und Salz." Cem Özdemir will Lebensmittelherstellern nichts verbieten. Er appelliert an die Industrie: "Bitte reduzieren Sie den Anteil des Zuckers!"
Lebensmittelhersteller fühlen sich angegriffen
Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands Deutschland, hält dagegen. Die Lebensmittelhersteller hätten Zucker in entsprechenden Produkten reduziert. Die Lebensmittelhersteller fühlten sich zu Unrecht vom Minister angegriffen, so Minhoff: "Es ist besser, man überlässt es den Unternehmen, die haben die Expertise und die setzen das um. Das ist das, was wir sehr schade finden, dass das Ministerium – aus welchen Gründen auch immer – die eigenen Ergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt, nämlich, dass diese freiwillige Selbstverpflichtung funktioniert hat."
Verbraucherschützer fordern verbindliche Regeln
Anders sehen das Verbraucherschützer und Gesundheitsexperten, wie Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK): "Die neuen Daten des Max Rubner-Instituts belegen den gesetzlichen Handlungsbedarf für verbindliche Regeln zum Schutz der Kindergesundheit. Die Strategie der freiwilligen Selbstverpflichtungen ist offenkundig gescheitert." Obwohl die Ernährungsindustrie seit Jahren Verbesserungen verspreche, seien Zuckergehalte teils sogar gestiegen.
Özdemir betonte jedoch: Für eine Zuckersteuer, wie sie beispielsweise in Großbritannien eingeführt wurde, gebe es in der Regierung keine Mehrheit.
Kinderschutz: Werbeverbot für Ungesundes
Unabhängig vom Produktmonitoring des Max Rubner-Instituts, will Cem Özdemir Werbung für ungesunde Lebensmittel im Umfeld von Kindern verbieten. Auch darauf hat sich die Ampel im Koalitionsvertrag geeinigt: "An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben."
15 Prozent der Kinder in Deutschland übergewichtig
Doch was genau unter "an Kinder gerichtete Werbung" zu verstehen ist, sorgt besonders zwischen Grünen und FDP für Diskussionen. Einen ersten Gesetzesentwurf hatte Özdemir zum Thema bereits im Februar vorgelegt, der ging der FDP zu weit, Özdemir schwächte den Entwurf ab: Demnach soll beispielsweise Werbung für Ungesundes im Fernsehen und beim Streaming werktags zwischen 17 und 22 Uhr verboten sein – in diesem Zeitfenster würden besonders viele Kinder vor dem Fernseher sitzen. In Deutschland sind 15 Prozent der Kinder übergewichtig – Verbraucherschützer sehen unter anderem in der Werbung für Ungesundes einen Grund hierfür.
Wann der Gesetzentwurf zum Werbeverbot fertig sein wird, ist unklar. Noch stimmen sich die verschiedenen Ministerien ab. Die Meinungsverschiedenheiten sind also noch nicht ausgeräumt.
Dieser Artikel ist erstmals am 4. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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