Nach jahrzehntelangem Streit hat sich die Bundesregierung bereit erklärt, die Angehörigen der Opfer des Olympia-Attentats 1972 in München zu entschädigen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums geht es um insgesamt 28 Millionen Euro für die Familien der elf israelischen Opfer. Den allergrößten Teil trägt der Bund. Der Freistaat steuert fünf Millionen Euro bei, die Stadt München 500.000 Euro.
Gerichte lehnten Forderungen ab
Eine rechtliche Grundlage für diese Entschädigung gibt es nicht. Schon im Oktober 1995 hatte das Landgericht München I entschieden, dass die sogenannten Amtshaftungsansprüche der Hinterbliebenen verjährt sind. Diese Entscheidung wurde im Januar 2000 vom Oberlandesgericht München bestätigt.
Die Angehörigen der elf israelischen Opfer hatten vom Bund, dem Freistaat Bayern und der Stadt München rund 40 Millionen Mark gefordert. Sie machen die Fehler beim Polizeieinsatz 1972 für den Tod ihrer Familienmitglieder verantwortlich.
Regierung sieht "historische Verpflichtung"
Auch wenn die rechtliche Grundlage für eine Entschädigung fehlt, bleibt eine moralische und politische Verpflichtung. Darauf deuten auch die Äußerungen von Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach der Einigung hin. Er spricht von einer "historischen Verpflichtung", auch mit Blick auf das besondere deutsch-israelische Verhältnis.
Die Einigung schaffe die Voraussetzung dafür, ein schmerzhaftes Kapitel in der gemeinsamen Geschichte aufzuarbeiten. Denn es geht bei der betroffenen Einigung nicht nur ums Geld, sondern um eine umfassende Aufarbeitung der Geschehnisse durch eine deutsch-israelische Kommission.
Opferfamilien beklagen schleppende Aufklärung
Die Familien der Opfer wussten jahrelang nicht, wie ihre Angehörigen ums Leben gekommen sind. Die Einsicht in Akten über den misslungenen Polizeieinsatz in Fürstenfeldbruck blieb ihnen lange verwehrt. Zu der Trauer über den Verlust ihrer Familienmitglieder kam die Verbitterung über das Verhalten der deutschen Behörden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht von einem "furchtbaren Trauma". Dass es erst jetzt zu einer Einigung gekommen ist, nennt sie "peinlich".
Die Angehörigen der israelischen Opfer hatte damit gedroht, dem Gedenken zum 50. Jahrestag fernzubleiben. Damit stand auch der Besuch des israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog in Frage. Ein Gedenken an die Opfer – ohne die Familien? Dieser Affront konnte durch die Einigung in letzter Minute verhindert werden.
Höhe der Entschädigung ist Verhandlungssache
Wie genau die Entschädigungssumme von 28 Millionen Euro zustande gekommen ist, ist unklar. Da kein rechtlicher Anspruch auf eine Entschädigung besteht, liegt die Höhe im Ermessen des Zahlenden. Die Anwälte der Hinterbliebenen hatten argumentiert, dass sich eine Entschädigung an internationalen Standards orientieren müsse. Schließlich habe es sich um einen Anschlag während der Olympischen Spiele gehandelt. Die Rede war von 3,5 bis 22 Millionen Euro pro Opfer. Die jetzt gefundene Einigung mit rechnerisch gut 2,5 Millionen Euro pro Familie liegt also darunter.
Frühere Bundesregierungen hatten sich lange gegen Entschädigungszahlungen gestellt, um ein klares Schuldeingeständnis zu vermeiden. Außerdem sollte verhindert werden einen Präzedenzfall zu schaffen.
Angehörige der Opfer anderer Terroranschläge könnten nach der jetzigen Einigung ebenfalls höhere Forderungen stellen. Allerdings gibt es dafür mittlerweile klarere Kriterien wie zum Beispiel das Opferentschädigungsgesetz und die sogenannten Härteleistungen.
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