Omikron-Sommerwelle: Experten sehen drei Gründe für den Anstieg der Fallzahlen.
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Omikron-Sommerwelle: Experten sehen drei Gründe für den Anstieg der Fallzahlen.

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Omikron-Sommerwelle: Experten sehen drei Gründe für Anstieg

Die Corona-Fallzahlen steigen, obwohl das Wetter sommerlich ist. Selbst Experten sind vom raschen Anstieg überrascht und machen dafür drei Gründe verantwortlich. Bundesgesundheitsminister Lauterbach richtet seinen Blick derweil schon auf den Herbst.

Für den Herbst und Winter – da haben alle wieder mit einem Anstieg der Infektionszahlen gerechnet. Aber jetzt gibt es eine Sommer-Welle, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Freitag nochmal in Berlin betont hat. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt aktuell zwischen vierhundert und fünfhundert.

Wie schon in Portugal vor ein paar Wochen baut sich die Sommerwelle jetzt auch in Deutschland auf. Carsten Watzl, Immunologe an der Uni Dortmund, hatte mit steigenden Zahlen gerechnet. Aber: "Dass wir jetzt bei den Inzidenzen deutschlandweit so um die 500 liegen, ist ein bisschen überraschend, muss man ganz klar sagen", so Watzl.

Erstens: Noch ansteckendere Omikron-Varianten

Die Forschenden nennen vor allem drei Gründe für den Anstieg. Erstens: Die aktuellen Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 sind nochmal ansteckender als das ursprüngliche Omikron-Virus. Besonders die Variante BA.5 – wohl auch für den Anstieg in Portugal hauptverantwortlich – macht bei uns laut dem neuesten RKI-Wochenbericht bereits ein Viertel der Infektionen aus. Tendenz: stark steigend. Der Sommereffekt, der die Ausbreitung in den vergangenen beiden Jahren gebremst hat, weil sich Menschen viel draußen aufhalten und weil UV-Strahlung für die Viren schädlich ist, funktioniert nicht mehr so gut.

"Also, wir werden jetzt, wenn wir über eine Sommer-Welle reden, wahrscheinlich nicht bei Inzidenzen von 2.000 landen, wo wir letzten Winter waren", sagt Immunologe Watzl. "Aber es zeigt sich einfach, dass sich da zwei Sachen gegeneinander aufwiegen: Dieser saisonale Effekt, der das Virus an der Verbreitung hindert. Und die höhere Ansteckbarkeit."

Zweitens: Fast keine Corona-Maßnahmen mehr und mehr Reisen

Grund zwei für die Sommer-Welle: Nachdem fast alle Corona-Maßnahmen weggefallen sind und auch wieder viel gereist wird, gibt es auch wieder mehr Infektionen.

Drittens: Mehr Infektionen bei Geimpften und Genesenen

Und der dritte Grund: Auch Geimpfte und Genesene können sich mit den neuen Subtypen nochmal anstecken. 

Trotzdem ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für seine Verhältnisse recht entspannt. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Robert-Koch Institut in Berlin sagte er: "Wir sind nicht existenziell gefährdet. Es besteht keine Notwendigkeit, hier in Panik zu verfallen."

  • Zum Artikel: "Lauterbach zur Sommerwelle - Keine Panik, aber Vorsicht"

Der Hauptgrund für seine Entspannung: Omikron führt nur selten zu schweren Verläufen. Der Großteil der Bevölkerung ist geimpft oder genesen und hat dadurch einen guten Immunschutz aufgebaut - zwar nicht unbedingt gegen Ansteckung, aber gegen schwere Symptome.

Lauterbach: Erwachsene sollen über zweiten Booster nachdenken

Gleichzeitig aber hat Lauterbach zwei Botschaften dabei, die weniger entspannt klingen: Er will zusammen mit dem Justizministerium über den Sommer das Infektionsschutzgesetz reformieren. Dadurch könnten im Herbst auch wieder härtere Maßnahmen möglich werden. Und: Er fordert alle erwachsenen Personen auf, über eine zweite Boosterimpfung nachzudenken.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei einer Pressekonferenz.
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht trotz steigender Corona-Zahlen keinen Grund zur Panik.

Zu Punkt eins, möglicherweise wieder härteren Maßnahmen, sagt der Infektiologe Christoph Spinner vom Münchner Klinikum rechts der Isar: "Aus meiner Sicht lohnt es sich, zuerst mal die Frage zu stellen, was eigentlich das Ziel der infektions-epidemiologischen Maßnahmen sein soll. Denn ich hatte die Diskussion immer so verstanden, dass wir die Überlastung des Gesundheitswesens verhindern wollen." Die Situation in den Krankenhäusern ist derzeit entspannt. Auf den Intensivstationen liegen rund 700 Betroffene, Tendenz leicht steigend. Zu Spitzenzeiten waren es fast 6.000 Patientinnen und Patienten.

Mit steigender Inzidenz wieder Maskenpflicht in Innenräumen?

Infektiologe Spinner, der sich vor ein paar Wochen für das Münchner Oktoberfest ausgesprochen hatte, bleibt dabei: Feste wie die Wiesn seien aus infektiologischer Sicht weiterhin möglich. Bei höheren Inzidenzen von 1.000 oder mehr könnte es aber durchaus sinnvoll sein, wieder generell Masken in Innenräumen vorzuschreiben. 

Von Punkt zwei, der zweiten Boosterimpfung für alle Erwachsenen, hält Immunologe Watzl derzeit nichts. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission Stiko sei ausreichend. Demnach sollen sich alle Menschen über 70 Jahre und Risikopatienten zweimal boostern lassen. Jüngere sind aber nach drei Impfungen gut genug geschützt. Und der Unterschied für das Immunsystem nach drei oder vier Impfungen ist gering. "Selbst wenn die dritte Impfung hier schon mehr als ein halbes Jahr her war, ist der immer noch gut vor einem schweren Verlauf geschützt", sagt Watzl.

Blick in den Herbst und Winter

Was den Herbst und Winter angeht, so wird vieles von den dann vorherrschenden Varianten abhängen. An Omikron angepasste Impfstoffe werden bis dahin auf dem Markt sein – aber es ist noch unklar, ob sie gegen zukünftige Varianten Vorteile bieten. Für Kinder zwischen fünf und elf empfiehlt die Stiko, sich jetzt einmal impfen zu lassen.

RKI-Vizepräsident Lars Schade unterstützt das: "Sicherlich auch mit der Idee, dass wenn jetzt eine sehr starke Welle kommt oder auch nochmal andere Virusvarianten, dann schon eine Impfung praktisch gegeben ist. Und man das dann gegebenenfalls auch mit einer zweiten Impfung komplettieren könnte."

Lauterbach verweist auf Long-Covid-Gefahr

Möglicherweise könnte eine hohe Sommerwelle aber sogar für den Herbst helfen: Weil viele Menschen ihren Immunschutz jetzt durch eine Infektion nochmal auffrischen würden. Lauterbach warnt strikt davor, sich bewusst anzustecken und verweist auf die Long-Covid-Gefahr. Und klar: Eine bewusste Ansteckung ist leichtsinnig. Was Long Covid angeht, gibt eine aktuelle Studie aber zumindest etwas Entwarnung: Die Gefahr dafür sei bei Omikron bis um die Hälfte niedriger als noch bei Delta.

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