Am sogenannten Pestizidatlas, der heute (12.01.22) in Berlin veröffentlicht wurde, haben mehrere Organisationen, darunter die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (kurz BUND) mitgearbeitet. Der Atlas dokumentiert, wo wie viele Pflanzenschutzmittel weltweit in der Landwirtschaft eingesetzt werden und welche Folgen das hat. Die wesentliche Erkenntnis: Der Einsatz ist weltweit kontinuierlich gestiegen und die Autoren des Berichts prognostizieren, dass das so weitergehen wird. Ihre Forderung: Den Einsatz von Pestiziden konsequent zu reduzieren, besonders toxische Pestizide zu verbieten und bereits in der EU verbotene Pestizide nicht länger zu exportieren.
Pestizide oder Pflanzenschutzmittel?
Was ist die richtige Bezeichnung? Landwirte ärgern sich darüber, wenn der Begriff Pestizide verwendet wird, das klinge nach gefährlichen Giften. Es gehe aber darum, Nutzpflanzen vor Insekten, Pilzen oder Unkräutern zu schützen, deshalb sei der Begriff Pflanzenschutzmittel zutreffender. Tatsache ist: Herbizide, Insektizide oder Fungizide töten schädliche Lebewesen, um Nutzpflanzen zu schützen. Und Tatsache ist: Durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nimmt die Artenvielfalt weltweit ab.
- Zum Artikel "Pflanzenschutz: Wann werden welche Pestizide gespritzt?"
Weltweit große Unterschiede
Der Pestizidatlas macht eine Art Bestandsaufnahme für die gesamte Welt. In Afrika werden noch vergleichbar wenig Pestizide verwendet. Die Zahlen dazu: In Afrika landen aktuell im Schnitt 0,4 Kilogramm Pestizidwirkstoffe auf einem Hektar Fläche, in Europa sind es 3,1 Kilogramm und in Asien und Nord-und Südamerika 3,7 Kilogramm pro Hektar. Afrika gilt als ein Wachstumsmarkt für die Hersteller von Agrochemie, die laut Pestizideinsatz weltweit jährlich rund 100 Milliarden US-Dollar umsetzt - Tendenz steigend.
Profiteure sind die Agrochemie-Hersteller
Die vier Großen der Branche sind Syngenta, Corteva und die beiden deutschen Unternehmen Bayer und BASF. Zusammen haben sie rund 70 Prozent Weltmarktanteil. Was der Pestizidatlas deutlich kritisiert am Geschäft der Chemieriesen: Viele Wirkstoffe, die wegen ihren Gefährlichkeit für Mensch und Natur in der EU nicht mehr zugelassen sind, werden immer noch in der EU und auch in Deutschland produziert und weltweit an Landwirte in andere Länder verkauft. Zum Beispiel nach Brasilien. Dort werden Sojafelder mit bei uns verbotenen Stoffen gespitzt, und das Soja landet dann wieder als Futtermittel in der EU.
Weniger Biodiversität durch Pestizide
Gibt es weniger Artenvielfalt durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln? Dazu wurden im Pestizidatlas viele schon bekannte Studien und Zahlen aus der gesamten Welt zusammengetragen. Das Ergebnis für Deutschland: Die Biodiversität auf den Feldern hat deutlich abgenommen. Dramatische Zahlen gibt es etwa zum Rückgang von Insekten und Feldvögeln: Von 1980 bis 2016 sind in der EU rund 56, in Deutschland etwa 40 Prozent aller Feldvögel verschwunden. Das habe zwar mehrere Ursachen, aber der Einsatz von Pestiziden sei einer davon.
Reduzierung möglich?
Laut EU-Kommission soll der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Europa bis 2030 um die Hälfte verringert werden. Von Seiten der Landwirte heißt es: Jeder Betrieb sei bestrebt, so wenig Pflanzenschutzmittel einzusetzen wie nötig, da sie hohe Kosten verursachen. Der Bayerische Bauernverband verweist darauf, dass zunehmend mechanische statt chemische Unkrautbekämpfung auf den Feldern praktiziert werde.
Allerdings sei eine pauschale Forderung von 50 Prozent weniger bis 2030 nicht gerechtfertigt, solange keine ausreichenden Alternativverfahren verfügbar seien. Nötig seien neue Wirkstoffgruppen, die einen wirksamen Pflanzenschutz auch in Zukunft gewährleisten, insbesondere unter dem Aspekt des Klimawandels mit neuen Schädlingen. Der Bauernverband fordert deshalb dringend Forschungs- und Praxisprojekte.
Klicktipps:
Heinrich-Böll-Stiftung "Pestizidatlas"
Drastischer Insektenschwund in Deutschland
Mehr Informationen über Pestizide in geschützten Gebieten
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