André Wüstner
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Pflichtdienst: Wüstner fordert Erfassung aller Wehrfähigen

Pflichtdienst: Wüstner fordert Erfassung aller Wehrfähigen

Ukraine-Krieg und Personalnot – der Bundeswehrverband sieht die Zeit für eine neue Wehrpflicht gekommen: In der ARD-Sendung "Mitreden!" begrüßte Verbandschef Wüstner, dass Konzepte geprüft werden. Caritasverband und Jusos bewerten die Pläne kritisch.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der Deutsche Bundeswehrverband sieht in der Diskussion über die Wehrpflicht politischen Handlungsbedarf. In einem ersten Schritt brauche die Bundeswehr die Möglichkeit festzustellen, wer wehrfähig sei, sagte Verbandschef André Wüstner in der Talksendung "Mitreden! Deutschland diskutiert". Er räumte allerdings fehlende Strukturen ein. Es sei naiv gewesen, diese Infrastruktur mit Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 aufzulösen.

Wüstner: Wehrpflicht ja – aber nicht wie früher

Dass Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) derzeit Konzepte zur Einführung eines neuen Wehrpflichtmodells erarbeitet und die Truppe in Richtung Bündnis- und Landesverteidigung umstrukturiere, sei zu begrüßen. Fähigkeiten müssten aber auch personell unterfüttert werden. Wüstner sagte: "Ich merke nur, dass in der Personalgewinnung auch mit Blick auf eine Reserve die aktuellen Konzepte nicht ausreichen." Man müsse tätig werden und könne nicht noch länger warten, um überhaupt Konzepte zu erarbeiten. Es sei "eigentlich schon kurz vor zwölf".

Wüstner zufolge haben die Wehrpflicht und auch der Ersatzdienst viele Vorzüge. Im Kern brauche es dafür eine sicherheitspolitische Begründung. Diese sei "momentan eindeutig gegeben", so der Verbandsvorsitzende mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Die alte Form der Wehrpflicht steht für Wüstner, dessen Verband unter anderem aktive Soldaten und Reservisten vertritt, nicht zur Debatte. "Dennoch müssen wir überlegen, in welcher Art und Weise wir erfassen oder wieder mustern." Konkret sollte die Bundeswehr laut ihm noch in dieser Legislaturperiode die Möglichkeit bekommen, die Daten aller wehrfähigen Menschen zu erfassen, um diese anzuschreiben und über den Dienst in der Bundeswehr informieren zu können.

Wehrpflicht: CDU will "verpflichtendes Gesellschaftsjahr"

Auch die CDU will zurück zur Wehrpflicht. "Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen", heißt es in einem Beschluss des CDU-Parteitags in Berlin vom Dienstag für das geplante neue Grundsatzprogramm. "Bis zu dieser Umsetzung fordern wir zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr die Einführung einer Kontingentwehrpflicht."

Ein Kontingentmodell sieht vor, dass die Bundeswehr selbst ihren Personalbedarf nennt. Nach der Musterung eines Jahrgangs werde dann nur ein Kontingent in der gewünschten Größenordnung eingezogen. Schweden verfügt über ein ähnliches Modell.

Caritas: Rechtsanspruch auf freiwilligen Dienst statt Wehrpflicht

Skeptisch zum Thema Wehrpflicht äußerte sich in der Talksendung die Präsidentin des deutschen Caritasverbands, Eva Maria Welskop-Deffaa. Mit Blick auf die Wehrgerechtigkeit sei es am Ende "vielleicht doch klug, bei der bisherigen Regelung zu bleiben und den Wehrdienst nicht wieder einzuführen". Sie schlug vor, auf Basis von Freiwilligkeit nach neuen Möglichkeiten zu suchen, um junge Menschen zu gesellschaftlichen Diensten zu bewegen. Damit habe auch die Caritas nach dem Ende von Wehr- und Ersatzdienst gute Erfahrungen gemacht.

"Überraschenderweise haben wir mit dem freiwilligen Sozialen Jahr und dem Bundesfreiwilligendienst die Lücke sofort schließen können", so Welskop-Deffaa. Die Caritas-Präsidentin sprach sich in diesem Zusammenhang für einen Rechtsanspruch für junge Menschen auf einen freiwilligen Dienst aus.

Umfrage: Braucht Deutschland eine Wehrpflicht?

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Juso-Vize Rebbin: Junge Menschen engagieren sich schon stark

Lasse Rebbin, stellvertretender Bundesvorsitzender der Jusos, sieht eine Wehrpflicht ebenfalls skeptisch. In die Lebensplanung junger Menschen mittels einer kollektiven Verpflichtung stark einzugreifen – davon halten die Jusos laut ihm nichts.

Viele junge Menschen würden sich zudem bereits in verschiedensten Bereichen engagieren. Das zeigten auch die Zahlen in den Freiwilligendiensten. Überhaupt könne ein Engagement auch abseits vom Militär sinnvoll sein für die Gesellschaft, so Rebbin von der SPD-Jugendorganisation in "Mitreden!".

Wehrpflicht: Gemischte Reaktionen des Publikums

Unter den zahlreichen Anruferinnen und Anrufern der Sendung waren die Meinungen sehr gemischt – ebenso bei denjenigen, die der "Mitreden!"-Redaktion ihre Ansicht schriftlich haben zukommen lassen. Mario Gurtler aus Raduhn in Mecklenburg-Vorpommern war einer von ihnen. Er etwa fände es "wichtig für alle, etwas für ihr Heimatland zu tun". Auch würde "einigen eine erzwungene Gemeinsamkeit gerade im sozialen Verhalten ganz guttun".

Thomas Ritter aus Nürnberg würde eine Dienstpflicht zwar begrüßen – jedoch nur, wenn sie "auch vom Alter unabhängig" ist. Wenn es nur die Hälfte der Bevölkerung träfe, also Männer unter 25, sei die Diskussion auch nicht annähernd fair. "Kein Cherry Picking, alle müssen hin" – das verlangt auch Marc Heydorn aus Norderstedt.

Julia Schmidt aus Wuppertal hingegen fragt nach alternativen Ansätzen zur Entwicklung des Friedens: "Warum kein verpflichtender Dienst im diplomatischen Dienst oder der Entwicklungszusammenarbeit?" Schießen zu lernen, könne doch im 21. Jahrhundert "nicht ernsthaft die einzige Antwort einer vermeintlichen Bildungsgesellschaft sein".

Wehrpflicht in Deutschland seit 2011 ausgesetzt

Die Wehrpflicht war in Deutschland 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden. Das kam in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich. Gleichzeitig wurden praktisch alle nötigen Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst. Gesetzlich festgelegt ist aber weiter, dass die Wehrpflicht für Männer im Spannungs- und Verteidigungsfall wieder auflebt.

Mit Informationen von dpa und Reuters

"Mitreden! Deutschland diskutiert" ist das neue, deutschlandweite Debattenformat der ARD Inforadios. Es ist die erste bundesweite Sendung der Informationsprogramme, in der die Perspektiven und Meinungen, Erfahrungen und Fragen des Publikums im Mittelpunkt stehen. Immer montags und donnerstags sind Hörerinnen und Hörer eingeladen, live über Themen zu diskutieren, die das Land bewegen – von 20.15 Uhr bis 22Uhr.

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