Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mahnt an, dass in Deutschland Untersuchungen gegen einen Polizeibeamten wegen Racial Profiling nur intern geführt wurden. Dies sei nicht unabhängig. Außerdem hätten deutsche Gerichte die Klage des Betroffenen abgewiesen, weil es vermeintlich kein ausreichendes Interesse an einer Entscheidung in der Sache gegeben habe.
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Deutschland habe damit gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Eine Entschädigung wird nicht fällig, weil keine beantragt wurde. (Zum Urteil: Nummer 215/19)
Kontrolle im Zug: War die Hautfarbe ausschlaggebend?
Konkret geht es in dem Fall um einen Deutschen, der 2012 gemeinsam mit seiner Tochter in einem Zug kurz hinter der Grenze zu Tschechien von der Polizei kontrolliert wurde. Der Mann gab an, dass seine Tochter und er die einzigen Nicht-Weißen im Waggon gewesen seien. Sie wären als einzige von der Polizei überprüft worden.
Menschenrechtsgericht rügt fehlende Ermittlungen
Laut Europäischem Menschenrechtsgericht ist die Aussage des Mannes, aufgrund bestimmter physischer oder ethnischer Merkmale für die Kontrolle ausgewählt worden zu sein, plausibel. Deutschland hätte daher prüfen müssen, ob es eine Verbindung zu möglichen rassistischen Einstellungen des betreffenden Beamten gegeben habe. Weil es aber keine ausreichenden Ermittlungen gegeben habe, könne auch das Straßburger Gericht nicht feststellen, ob es sich bei der Kontrolle des Mannes um Racial Profiling gehandelt habe.
Was ist Racial Profiling?
Mit Racial Profiling wird die Methode bezeichnet, das physische Erscheinungsbild wie die Hautfarbe oder Gesichtszüge eines Menschen als Entscheidungsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen wie Personenkontrollen, Ermittlungen und Überwachungen heranzuziehen. Racial Profiling verstößt gegen das Diskriminierungsverbot, das in völker- und europarechtlichen Verträgen verankert ist.
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Vorwurf: Keine Studie, keine Gegenmaßnahmen
Erst im September hatte die Anti-Rassismus-Kommission des Europarates (ECRI) Deutschland wegen Untätigkeit gegen Racial Profiling durch die Polizei gerügt. Schon Ende 2019 hatte die Kommission eine anlasslose Berücksichtigung von Merkmalen wie Hautfarbe und ethnische Herkunft bei Polizeikontrollen und Ermittlungen beanstandet. Die damalige Empfehlung an Polizeibehörden des Bundes und der Länder, eine entsprechende Studie in Auftrag zu geben und Gegenmaßnahmen zu entwickeln, sei nicht umgesetzt worden, heißt es in Schlussfolgerungen der Kommission.
Fortschritte beim Kampf gegen Diskriminierung
Positiv vermerkte die ECRI die Zusicherung der Regierungskoalition, zivile Antidiskriminierungs-Initiativen zu fördern und auch finanziell zu unterstützen. Fortschritt gebe es zudem beim Kampf gegen Diskriminierung auf kommunaler Ebene. Als Beispiele nennt die Kommission die Schaffung entsprechender Amtsstellen in Augsburg, Jena und Magdeburg sowie Pläne dafür in Braunschweig und Wuppertal. Im Ganzen blieben die Erfolge indessen bescheiden.
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Mit Informationen von dpa und KNA