Nach dem verheerenden Luftangriff auf eine Kaserne im südukrainischen Mykolajiw ist die Stadt am Samstag von zahlreichen weiteren russischen Attacken erschüttert worden. Die Luftangriffe erfolgten in so rascher Abfolge, dass kein Alarm ausgelöst werden könne, erklärte Gouverneur Vitali Kim.
Die Einwohner in Mykolajiw könnten nicht mehr rechtzeitig vor Luftangriffen gewarnt werden, "denn bis wir diesen Tornado ankündigen, ist er bereits da", erklärte er. Zum Ausmaß der Schäden oder zur Zahl möglicher Opfer machte er keine Angaben.
Viele Todesopfer in Kaserne befürchtet
Unterdessen durchkämmten Rettungskräfte weiter Trümmer einer Militärkaserne im Norden der Stadt, die in der Nacht von sechs Raketen getroffen worden war. Nach Angaben von Augenzeugen schliefen zum Zeitpunkt des Angriffs rund 200 Soldaten in den Baracken. Es werden dutzende Tote befürchtet. Ein Soldat sprach von 50 Leichen, die geborgen worden seien.
Gouverneur Kim warf der russischen Armee "feige Raketenangriffe auf schlafende Soldaten" vor. Eine offizielle Opferzahl liegt noch nicht vor. Mykolajiw gilt als "Schutzschild" für die Hafenstadt Odessa, die rund 130 Kilometer weiter westlich liegt.
Russland setzt Hyperschall-Rakete ein
Erstmals setzte Russland bei einem Angriff in der Ukraine eine Hyperschallrakete ein. Wie das russische Verteidigungsministerium mitteilte, zerstörte die Rakete vom Typ Kinschal (Dolch) ein unterirdisches Waffenlager der ukrainischen Luftwaffe. Das Lager befand sich im westukrainischen Dorf Deljatyn, das rund hundert Kilometer von der Grenze zum Nato-Mitgliedstaat Rumänien entfernt liegt.
Die Hyperschallraketen können bei extremer Geschwindigkeit die Höhe und die Richtung ändern und somit gegnerische Luftabwehrsysteme überwinden. Es war nach Einschätzung von Militärexperten das erste Mal, dass Russland diese Waffen in einem bewaffneten Konflikt einsetzte.
Lage in Mariupol weiter "katastrophal"
In der belagerten Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer dauerten unterdessen die Kämpfe zwischen russischen Soldaten und den ukrainischen Regierungstruppen an. Von ukrainischer Seite hieß es am Samstag, sie habe "vorübergehend" den Zugang zum Asowschen Meer verloren. Die russische Armee hatte am Freitag erklärt, sie sei in die strategisch wichtige Stadt eingedrungen und kämpfe dort an der Seite von Truppen aus dem Separatistengebiet im ostukrainischen Donezk.
Ein Berater des ukrainischen Innenministeriums beschrieb die Lage in Mariupol als "katastrophal". Am Rande der Stadt gebe es Kämpfe um das Stahlwerk Asowstal, sagte der Berater Wadym Denysenko. "Eines der größten Stahlwerke Europas wird im Moment zu einer Ruine", sagte er.
Selenskyj appelliert an Russland
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte erneut an die russische Führung: "Es ist Zeit, sich zu treffen, zu diskutieren, Zeit, die territoriale Integrität und die Gerechtigkeit für die Ukraine wieder herzustellen", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft. Seit Beginn des Ukraine-Krieges am 24. Februar hat es mehrere Verhandlungsrunden zwischen Delegationen Russlands und der Ukraine gegeben, die bisher keine Ergebnisse brachten.
Kiew rief außerdem China auf, den Angriff Russlands auf die Ukraine zu verurteilen. "China kann ein wichtiges Element des globalen Sicherheitssystems sein, wenn es die richtige Entscheidung trifft, die Koalition der zivilisierten Länder zu unterstützen und die russische Barbarei zu verurteilen", schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak auf Twitter. Peking gerät immer mehr unter Druck, sich von Moskau zu distanzieren.
Nach Angaben der Uno sind inzwischen mehr als 3,3 Millionen Menschen vor den Kämpfen aus der Ukraine geflohen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf sprach am Samstag von weiteren fast 6,5 Millionen Menschen, die innerhalb der Ukraine auf der Flucht sind.
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